The Project Gutenberg EBook of Celsissimus, by Arthur Achleitner This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.net Title: Celsissimus Author: Arthur Achleitner Release Date: November 4, 2004 [EBook #13953] Language: German Character set encoding: ASCII *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK CELSISSIMUS *** Produced by PG Distributed Proofreaders Celsissimus. Salzburger Roman von Arthur Achleitner. Berlin. Alfred Schall, Koenigliche Hofbuchhandlung. Verein der Buecherfreunde. Vorwort. Zum Geleit seien nur wenige Worte vorausgeschickt. Der geneigte Leser wolle nicht an Bischoefe und Priester unserer Zeit denken, wenn er an Wolf Dietrich, den erhabenen Kirchenfuersten des 16. Jahrhunderts denkt und seine Schicksale liest. Die Verhaeltnisse der damaligen Zeit lagen ganz anders, wie denn auch fuer die Erwaehlung eines Kirchenfuersten nicht kirchlich frommes Leben, sondern adelige Geburt erforderlich war. Der Adel beanspruchte die hohen und eintraeglichen Wuerden der Kirche, er allein war stiftsfaehig und bestrebt, solche Stellen, weil das Leben versorgend, an sich zu bringen. In die Zeit Wolf Dietrichs, eines genial veranlagten Adeligen, fiel die Restaurationsbewegung, von diesem Fuersten erwartete man Ausrottung des Protestantismus, der immer wieder auflodernden Kelchbewegung, Berufung der Jesuiten nach Salzburg, Wiederherstellung des Coelibates, Anforderungen, die ueber eines selbst genialen Mannes Kraefte gehen mussten, zumal wenn die Erziehung, das Leben in roemischen Palaesten der Gedankenwelt eine ganz andere Richtung gegeben. Wolf Dietrich, der seine Fehler durch Sturz und lange Gefangenschaft suehnte, ist die interessanteste Erscheinung in Salzburgs Geschichte, die unvergessen in dankbarer Erinnerung fortleben wird, so lange die schoene Stadt Salzburg, welcher er das heutige Gepraege gegeben, bestehen wird. Muenchen, im Herbst 1900. Der Verfasser. 1. Die Fastnacht des Jahres 1588 sollte in Salzburgs Trinkstube mit einem glaenzenden Fest, Schmaus und Tanz der Buergergeschlechter gefeiert werden, dem beizuwohnen der junge Landesherr, Erzbischof Wolf Dietrich, in Gnaden der Buergerdeputation versprochen hatte. Demgemaess musste alles aufgeboten werden, das Fest so herrlich als in diesen Zeitlaeufen moeglich zu gestalten; der sonst behaebige Buergermeister Ludwig Alt hat diese hochwichtige Angelegenheit selbst in die Hand genommen und die Stadtraete, vornehmlich seinen Bruder Wilhelm Alt, den Handelsherrn, um kraeftige Unterstuetzung angegangen, wasmassen es gilt, dem prunkliebenden Fuersten ein seiner wuerdiges Fest darzubieten. Im Erzstift wusste man maenniglich, wie sehr sich Wolf Dietrich auf dergleichen versteht, sein Einritt im Herbst des vergangenen Jahres gab den Unterthanen hiervon einen Begriff, die unerhoerte Pracht, welche selbst der unbarmherzige Salzburger Regen nicht zu beeintraechtigen vermochte, blendete nicht bloss Bauern und Buerger, sie verblueffte auch den Adel. Einem solchen kunstverstaendigen, prunkliebenden Herrn ein Fest zu bieten, war daher keine leichte Aufgabe. Doch die Ratsherrn der Bischofstadt hatten hierzu den Willen, und die reichen Patrizier das noetige Geld; man will dem Landesfuersten zeigen, dass auch die Buerger der Residenz sich auf ueppige Feste verstehen. So eifrig ist denn seit vielen Jahren nicht Rats gepflogen worden, als in der Zeit von Neujahr bis zum Fastnachtsfeste; man teilte die Arbeit, jeder Ratsherr erhielt sein Teil zugemessen. Der hagere Handelsherr Wilhelm Alt, weitum bekannt durch seine kaufmaennischen Talente, noch mehr aber durch seine schoene Tochter Salome, die als das herrlichste Geschoepf Europas gepriesen ward, hatte die Fuersorge um das Mahl uebernommen und konnte seiner Aufgabe gerecht werden, da ihm die Beihilfe seiner im Hauswesen tuechtigen grundgescheiten Tochter in jeder Weise wurde. Fuer Beschaffung erlesener Weine sorgte Rat Thalhammer, eine Weinzunge fuernehmer Art, geschult durch viele Reisen in Italien und Griechenland; "Vater Puchner", der Zaepfler, hatte es uebernommen, etwaigen Wuenschen nach einem Trunk guten Salzburger Bieres gerecht zu werden. Martin Hoss musste die Musikanten besorgen und die Anleit zum Balle geben. Andere Ratsmitglieder ordneten die Ausschmueckung der Raeumlichkeiten der Trinkstube, die auch als Gasthof zur Fremdenbeherbergung diente und grosses Ansehen genoss, und schliesslich ward fuer diesen Festabend eine besondere Kleiderordnung ausgegeben, nach welcher sich die maennliche Buergerschaft zu richten hat, dieweilen das fuer die Weiberwelt nicht noetig ist, denn diese weiss sich schon selber aufs schoenste herauszuputzen. Zu Fuss und vielfach nach welscher Art in Saenften waren die Honoratioren der Bischofstadt im Trinkhause erschienen, buntgeschmueckt und erwartungsvoll. In einem Seitensaale neben der Tanzhalle versammelten sich Salzburgs Frauen und Maedchen, in einer Gruppe standen eifrig parlierend die Junker und jungen Buergersoehne, die Ratsherren hielten den vorderen Teil des Hauptsaales besetzt, empfangsbereit und voll Erwartung bange murmelnd. Ein Teil der Buergerschaft hingegen hatte rasch entdeckt, dass ein Schenktisch in einem Gemache hinter dem Festsaal steht, wohlbesetzt mit Zinnkruegen, Silberkoepfen, Kannen, Pokalen und Humpen, ja auch viel Majolikageschirr aus Welschland war vorhanden, und recht derb kontrastierten dagegen die hoelzernen Bierbitschen. Dass alle diese schoenen Gefaesse teils mit Wein, teils mit Gerstensaft gefuellt seien, hatten junge Leute bald los. Zwar lautet das Gebot, dass vor Tafelbeginn der Schenktisch nicht gepluendert werden duerfe, doch von den gewaltigen Ratsherren war heut keiner um die Wege, die Aufwaerter fragte man nicht, und so schluckte so mancher aus den Gefaessen, ohne lang zu fragen, ob es erlaubt und wessen der Inhalt sei. "Was man hat, besitzt man!" groehlte ein junger Negotiator, und sein Beispiel wirkte aneifernd genug. Im Hauptsaale, so schoen und grossartig, dass darin ein roemischer Kaiser logieren koennte, war die Tafel, bedeckt mit schwerem Damast und goldenen wie silbernen Kannen, Bechern und Schuesseln, ausgestellt, wundersam zu beschauen auch ob der Schaugerichte, so da waren ein Pfau mit aufgeschlagenem Rade, der unvermeidliche Schweinskopf in reicher Garnierung, gewaltige Huchen und rotbetupfte Ferchen, auch Fasanen mit senkrecht aufragendem Stoss, und etliche Gebirge aus Zucker, darunter der Untersberg, aus dessen Quellen Weisswein als Bergbruennlein herniederrieselten. Lustige Weisen der Zinkenblaeser und Posaunisten, dazu Trommelwirbel und Schellengeklingel toenten von der Galerie herab, den buntgeschmueckten Festgaesten die Wartezeit bis zum Beginn zu verkuerzen, doch hoerte man nicht viel auf die lockende, bald leise schwirrende, bald wieder grell laermende Musik. Die Weiber hatten Besseres, Wichtigeres zu thun im Mustern der Kleider von Freundinnen, im schauen und kritisieren, und der Anblick, den Salome Alt, des Kaufherrn bildschoene Tochter bot, versetzte die anwesende Frauenwelt in eine Erregung, die sich in Rufen des Erstaunens, im Gemurmel und Tuscheln grimmigsten Neides aeusserte. Salome, ein Maedchen mittlerer Groesse von kaum zwanzig Lenzen, war soeben in den fuer die Frauen reservierten Raum getreten; laechelnd begruesste sie die Damen, nickte den Maedchen zu und schritt langsam zur Buergermeisterin, die sich ob der Pracht solcher Kleidung nicht zu fassen wusste, wiewohl sie wahrlich weiss, dass Salome ueber Prachtgewaender dank der Freigebigkeit des Vaters zu verfuegen hat. Ein bezaubernder Liebreiz ist ueber das runde Madonnenantlitz des Maedchens ausgegossen, der schlanke Wuchs weist das herrlichste Ebenmass auf mit einer Fuelle reizendster Formen, die ein Maennerauge in hellstes Entzuecken versetzen muss. Blendend weiss die reine Stirne, von blonden Loeckchen umrahmt, die Zaehnchen schimmernd gleich Perlen, das goldige Haar aufleuchtend im Licht der vielen Kerzen, Kinderaugen lieb und rein, rundes Kinn, ein Wesen so sanft, unschuldsvoll und lockend, und dennoch bescheidener Art, die es vermeidet, das eigene schoene Ich irgendwie in den Vordergrund zu draengen. Ein leises Rot liegt wie angehaucht auf Salomes zarten Wangen, ein Laecheln inneren Triumphes auf den leicht geoeffneten Lippen. Fuerstlich muss die Erscheinung des Maedchens genannt werden im weiten blauen, mit Noerzpelz gefuetterten Atlasrock, besetzt mit goldenen und silbernen Schnueren, um den Hals eine vierfache Perlenkette, am Halsausschnitt die steife Spitzenkrause, die Aermel verbraemt mit golddurchwirktem Tuch. "Gott zum Gruss, liebwerte Muhme!" lispelte Salome und erwies der Buergermeisterin gebuehrende Reverenz. Frau Alt brachte den Mund nicht zu vor Ueberraschung und musste erst verschnaufen, bis sie zu stammeln vermochte: "Salome! Wie eine Fuerstin siehst du aus! Gott straf' mich peinlich, so dein Rock nicht die fuenfhundert Lot Perlen hat und in die tausend Thaler kostet!" "Gefaellt Euch das Kleid nicht? Das thaet' mich schmerzen, der gute Vater ist zufrieden, und das macht mich immer gluecklich!" "Schon, gewiss auch! Aber Perlen, so viel Perlen fuer eine junge Maid! Das ist zu viel des Guten, Kind! Und Perlen bringen dereinst Zaehren, das hat mein Ahnl schon gesagt!" "Des will ich warten, Muhme!" lachte silberhell die schoene Salome, "ich habe Zeit und fuerchte mich nicht davor. Doch wenn Ihr verlaubet, will die anderen Frauen ich begruessen!" Indes Salome einer Fuerstin gleich und doch buergerlich bescheiden den Frauen zuschritt, ward es immer lauter am Schenktisch drueben, wo der hastig geschluckte starke Suedwein die Geister bereits zu entfesseln begann, und sowohl Stadtrat Thalhammer wie der ob seines Festbieres besorgte Vater Puchner herbeigeeilt waren, um weiteren Beraubungen der Getraenkevorraete vorzubeugen. Ihr Veto und der Hinweis, dass die koestlichen Weine fuer das fuerstliche Gefolge, nicht aber fuer Schmarotzer bestimmt seien, rief lebhaften Protest der naschhaften Buergersoehne hervor, und besonders der noch ziemlich jugendliche Ratssohn Lechner opponierte lauter als schicklich war, gegen sothane Bemutterung. "Festgaeste sind wir alle und in der Trinkstube zum trinken da, es bleibt sich gleich, ob wir unser Deputat vor oder erst nach dem Mahle trinken. Und auf diesen Wein wird der Fuerst wohl nicht reflektieren, der hat besseren Tropfen im Keller des Keutschachhofes, besseren, sag' ich, als dieser Raifel, und der Hoepfwein gar, der hat einen Stich!" Nun war es zu Ende mit der Ruhe Thalhammers, den eine Verschimpfung von Weinen, die seine Zunge als fuertrefflich erkieset, beleidigte. "Die Pest hat er, so diese Weine stichig sind! Sauf' er Wasser vom Gerhardsberg, das giebt Ihm den Verstand wieder, so einer ueberhaupt vorhanden war! Und die Rumorknechte schick' ich ihm auf den Hals!" "Die lasst nur huebsch zu Hause! Wir sind in unserer Trinkstube, die ist staedtisch und gehoert uns Buergern! Wollt Ihr beten, geht in den Dom, ist Platz genug darin, fuer Euch und den Erzbischof!" "Wollt Ihr gleich stille sein!" mischte sich Vater Puchner dazwischen, dem nicht ganz wohl ward bei so respektwidriger Erwaehnung des noch dazu eben erwarteten Landesfuersten. "Wollet Ihr groehlen, wartet bessere Gelegenheit ab! Kein Wort aber mehr ueber den erleuchteten erlauchten Herrn!" Dem Lechner sass der Weinteufel aber schon im Gehirn und er polterte unbekuemmert los: "Erleuchtet, hehe! Der neue Herr mit dem seltsam Wappen! Wisst Ihr, Bierwanst, was der Woelfen Dieter im Schilde fuehrt? Ich will es Euch sagen: eine schwarze Kugel im weissen Felde! Das ist die Finsternis! Wir werden es noch erleben, ein Wetter wird gehen ueber das Erzstift! Bringt Euren Schmeerbauch zu rechten Zeiten weg, der Erlauchte koennte Euch darauftreten, dass Ihr zwillt!" Bestuerzt rief Rat Thalhammer: "Haltet ein, Ihr schwaetzt Euch um den Kopf! Der neue Herr vergeht keinen Spass von solcher Seite und laesst uns entgelten, was der Weindunst aus Euch spricht!" Grimmig pfauchte Lechner: "So lasst Euch auf den Koepfen tanzen, dass es staubt, Ihr Memmen! Ich fuercht' ihn nicht, den Woelfen Dieter samt seinen Degen! Haha! Ein Kirchenfuerst, der spanisch herumstolziert gleich einem geckenhaften Junker!" Laermender Tusch unterbrach diese Scene; auf ein Zeichen des Buergermeisters hatten die Musikanten eingeht, den ins Haus getretenen Landesherrn anzublasen. Die mit Tannengruen und den Farben Salzburgs geschmueckte Treppe herauf stieg Wolf Dietrich, gefolgt von den Wuerdentraegern seines Hofes. Der Gestalt nach war der Erzbischof und Landesfuerst schmaechtig, fast klein zu nennen, unschoen die Zuege seines Gesichtes mit kleinen, doch lebhaften Augen, deren Blick es jedoch verstand, sich Respekt zu verschaffen und den keiner auf die Dauer aushielt. Eine Unruhe lagerte ueber diesem Antlitz, ein Gedankenreichtum, etwas undefinierbar Gewaltiges, jeden Augenblick bereit, ueberraschend loszubrechen. Kaum dreissigjaehrig ging von diesem Manne ein Wille aus, der an die Vollkraft des reifen Mannes, an eine unbeugsame Willensstaerke gemahnte, die Gestalt Wolf Dietrichs atmete Hochmut, trotz der kleinen Erscheinung, und gemahnte keineswegs an einen duldsamen Kirchenfuersten. Aristokrat von der Sohle bis zum Scheitel vereinigte Wolf Dietrich die Eigenschaften schwaebischen und lombardischen Blutes in sich; ein frischer, junger Mann "geschwinden Sinnes und Verstandes und auch hohen Geistes", der infolge seiner Studien im collegium Germanicum zu Rom, seiner Erziehung im Palazzo seines Oheims Marx Dietrich von Hohenems, als Grossneffe des regierenden Papstes, an Bildung den Landadel turmhoch ueberragte und sechs Sprachen beherrschte. Wolf Dietrich trug spanische Tracht, den Federhut, wie ihn Rudolf II. liebte, das Rappier stets an der Seite, wenn er nicht des Chorrocks und Baretts benoetigte, und einen kostbaren schwarzen Mantel um die Schultern geschlagen. In dieser Kleidung war der schwaebische Landjunker von Raittenau am Bodensee sicher nicht zu erkennen, und der mit 29 Jahren zum Fuerst-Erzbischof vom Stifte Salzburg erwaehlte Herr von Raittenau liebte es auch nicht, an seine schwaebische Abkunft erinnert zu werden, wiewohl die Kriegsthaten des Vaters Hans Werner ruhmreich genug gewesen. Seine Mutter Helena war eine Nichte Pius' IV. aus dem Geschlechte der Hohenems, ihr medizaeisches Blut wallte in Wolf Dietrich heiss und stuermisch auf zu Rom wie--verspuerbar allenthalben zu Salzburg. Mit dem ihm eigenen stechenden Blicke musterte Wolf Dietrich die Dekoration im Treppenhause und stieg langsam empor, haltmachend vor dem in tiefster Verbeugung gehenden Buergermeister Alt, der ehrerbietigst Seine Hochfuerstliche Gnaden begruesste, ohne den gekruemmten Ruecken zu heben, und den Willkomm gleichzeitig mit dem Dank fuer das huldvolle Erscheinen des gnaedigen Fuersten stammelte. Ein hochmuetiger Blick flog ueber des Buergermeisters Ruecken hinweg zu den Saalthueren, durch welche heller Kerzenschimmer herausflutete, es schien, als suchten Wolf Dietrichs Augen eine bestimmte Peinlichkeit. "So moegen denn Ew. Hochfuerstliche Gnaden geruhen, den Schritt zu setzen in das vor Freude erzitternde Haus bemeldter Stadt, die das Glueck hat...." "Will nicht hoffen! Liebe 'zitternde' Haeuser nicht! Soll ich aber den Fuss in den Saal setzen, mag Er Raum dazu geben!" sprach ironisch laechelnd der junge Fuerst, worauf sich der Buergermeister erschrocken mit seinem gutgenaehrten Baeuchlein an die Stiegenmauer drueckte. Wolf Dietrich schritt an ihm vorueber, und Alt wollte eben dem Fuersten folgen, da drueckte ihn die energische Hand des Kammerherrn hinweg, das fuerstliche Gefolge blieb dem Gebieter auf den Fersen. Bis auch noch die Edelknaben die Stiege vollends erklommen hatten, war Wolf Dietrich laengst im Hauptsaal angelangt, und der Buergermeister stand verdutzt an der Stiegenmauer. Die Stadtraete beugten sich wie ein Aehrenfeld im Winde vor dem Gebieter, dessen Feueraugen indes nach dem Frauengemach schielten, und mit ebenso ueberraschender wie gewinnender Liebenswuerdigkeit sprach Wolf Dietrich: "Meinen Dank allen fuer den freundlichen Empfang! Doch ich bitte, zuerst die Damen! Nicht will ich die Ursache sein einer Verzoegerung, und Frauen soll man niemals warten lassen!" Auf einen Wink des Fuersten schritt der Kaemmerling an die offene Thuer des Frauenwartegemaches und sprach: "Seine Hochfuerstliche Gnaden lassen die Damen bitten, in den grossen Saal zu treten!" Scheu und doch neugierig, geschmeichelt und doch aengstlich zugleich wollte von den Frauen keine vortreten, und fuer die jungen Maedchen schickte sich ein Vortritt ueberhaupt nicht. "Nicht um die Welt und Gastein dazu geh' ich voraus!" wisperte die verdatterte Buergermeisterin in einer schier unueberwindbaren Scheu vor dem Auge Wolf Dietrichs. Um aber an der Ehre des Vortrittes doch einigermassen Anteil zu haben, auf dass sothane Ehre in der Verwandtschaft bleibe, gab Frau Alt der Nichte Salome einen ebenso freundlichen wie verstaendlichen Stoss mit der knoecherigen Faust und tuschelte dazu: "Geh du voraus, dein Kleid vertraegt es!" "Wenn Ihr glaubt, Muhme, ich fuerchte mich nicht und wuesste auch keinen Grund zu Angst und Sorge!" erwiderte leise die schoene Salome, und schritt durch die offene Thuer in den Hauptsaal; hinterdrein zappelten nun die Frauen und Toechter und guckten sich die Augen und Haelse wund nach dem jungen Fuersten in der spanischen Tracht. Noch ehe Salome die Lippen geoeffnet, um den Dank von Salzburgs Damen fuer das gnaedige Erscheinen des Landesherrn darzubringen, war Wolf Dietrich in seiner impulsiven Art dem schoenen Fraeulein entgegengegangen, und lebhaft rief der Fuerst: "Ah, welches Glueck lacht mir entgegen, des Festes Koenigin erscheint, und sie wolle auch meine Huldigung entgegennehmen!" Mit eleganter Wendung griff Wolf Dietrich nach dem zierlichen Haendchen Salomes und drueckte galant die Lippen darauf. "Hochfuerstliche Gnaden!" stammelte ueberrascht die schoene Salome und wollte die Hand zurueckziehen. "Nicht doch, bellissima! Gewaehrt die Gnade, dass des Stiftes Salzburg Herr der Schoenheit huldigt! Euren Arm, Donna, und nun wollen wir geruhen, das Fest zu eroeffnen!" Salome hatte sich gefasst, die chevalereske Huldigung schmeichelte ihrem Sinn wie die offenkundige Auszeichnung; Salome wusste, dass sie strahlend schoen, begehrenswert wie keine zweite Dame unter Salzburgs Maedchen ist, und in diesem Triumph legte das Fraeulein, holdselig laechelnd, den vollen runden Arm in jenen des jungen Fuersten. Das Paar schritt nun durch den Saal, die Musikanten spielten eine flotte Weise dazu, die ueberraschten Patrizier und deren Frauen, Soehne und Toechter thaten das kluegste, indem sie sich paarweise anschlossen und in der Ronde hinterdrein schritten. Gelegenheit zum schwaetzen war dabei reichlich genug vorhanden, die Muendchen der Damen schnurrten wie Spinnraedchen. Neues genug bringt der neue Herr in alle Kreise. Ohne vorherigen Cercle ein Fest zu eroeffnen, sich ein Fraeulein herauszufischen, und das zur Festeskoenigin erkueren und auszurufen, welch neues, ungewoehnliches Vorgehen! Wenn der Fuerst da doch wenigstens die eigene Tochter herausgefischt haette! Aber so schlankweg die Salome Alt, die ohnehin sich geriert, als stamme sie aus fuerstlichem Gebluet! Es muss ihr ja der Neid lassen, dass sie schoen ist, huebscher als alle andere, aber weil das unbestreitbare Thatsache ist, waere es besser, wenn sich die Alt-Tochter mehr im Hintergrund verhielte! Und dieser fabelhafte Luxus in der Kleidung! Eine Prinzessin hat kaum so viel Perlen zu tragen! Salomes Vater, Herr Wilhelm Alt, war mit sich selber nicht recht einig, als er mit der Schwaegerin, der Muhme Salomes, dahinschritt. Die seiner Tochter widerfahrene Auszeichnung schmeichelte zum Teil ja gewiss auch dem Vater, besonders da Wolf Dietrichs Art sonst hochmuetig ist und der junge Gebieter viel auf hoefische Formen haelt. Aber eben die so ploetzliche Durchbrechung der Etikette will dem stolzen Kaufherrn nicht gefallen, sie verletzt durch ihre Ausserordentlichkeit. Einem Stachel gleich wirkt auch die von Wilhelm Alt wohl beobachtete Scene, wie der Bruder-Buergermeister von den Herren des fuerstlichen Gefolges an die Stiegenwand gedrueckt wurde; die Hofschranzen nehmen sich in ihrem Uebermut zu viel heraus, der Buergerstolz ist verletzt und stolz waren die Salzburger Patrizier von jeher. Was aber thun in diesem ungewoehnlichen Falle? Es ist nicht opportun, als Vater hinzutreten und dem Fuersten die Tochter aus dem Arm zu reissen. Die Muhme-Schwaegerin trippelte an Wilhelm Alts Seite, schwelgend in Glueckseligkeit. Von dem ihrem Gatten widerfahrenen Affront hat sie keine Ahnung, sie hat nur die beglueckende Auszeichnung ihrer Nichte durch den stolzen Landesherrn wahrgenommen, mit eigenen Augen gesehen, wie der Gebieter die Hand Salomes gekuesst, als waere die Nichte eine wahrhaftige Prinzessin. Welches Glueck, welche Auszeichnung fuer Salome, fuer die ganze Familie Alt! Die Muhme sieht die Zukunft in rosigem Lichte. Wer weiss, welche Auszeichnungen ein Verkehr mit dem fuerstlichen Hofe, mit dem Erzbischof noch bringen kann! Hat doch Wolf Dietrich die besten Beziehungen zum Vatikan! Verwandt mit Seiner Heiligkeit! Ihn kann es nur ein Wort kosten, und die Muhme erhaelt den paepstlichen Segen separat, nur fuer sich! Die Buergermeisterin erschrak in Gedanken vor der Kuehnheit ihrer Hoffnungen, sie erinnerte sich, dass der Gemahl nichts weniger denn solche roemische Aspirationen hegt und seine Behaglichkeit hoeher schaetzt als Fuerstengunst. Wenn es sich aber heimlich bewerkstelligen liesse, alles und just das brauchte der Buergermeister ja nicht zu wissen,--der Muhme schwindelte vor diesem Gedanken und unwillkuerlich stuetzte sie sich fester auf den Arm des Schwagers. Wer sich am Rundgang nicht beteiligt hatte, die juengeren Buerger, Junker, auch die Pluenderer des Schenktisches, hatten sich an der Saalwand aufgestellt und bildeten eine Gruppe in der Ecke, zu welcher sich der gruendlich vergraemte Buergermeister Alt gesellte, dessen Blicke nicht viel Gutes zu kuenden schienen. Manches bissige Wort ueber den Fuersten und sein Charmieren mit Salome fiel in dieser Gruppe, und der Buergermeister wehrte dessen nicht. In ihm kochte es, die Behandlung auf der Treppe hat sein Blut erhitzt. Nicht minder aergert es Alt, dass sein Eheweib an des Bruders Seite ersichtlich verklaert, schwimmend in Glueckseligkeit, hinterdrein trippelt und durch dieses alberne Nachlaufen das fuerstliche Karessieren gewissermassen sanktioniert. Buergermeister Alt knurrte: "Dumme Gans! Und Wilhelm koennte auch etwas Besseres thun, als mit der alten Schachtel hinterdrein zu laufen!" Einer der Jungen, die vom Suedwein zu viel erwischten, kraehte mit heiserer Stimme: "Guckt ihn an, den Erzbischof, der taenzelt wie ein spanischer Junker!" Und ein anderer, dessen Augen bereits glaesern geworden, brachte schluckend heraus: "Fein--wird--'s im E--e--er--z--st--st--stift!" Inzwischen war Wolf Dietrich mit Salome an diese Gruppe herangekommen; der Fuerst winkte der Musik, die mit einer Dissonanz jaeh abbrach, und sprach, seine Dame im Arm behaltend, den Buergermeister mit vollendeter Liebenswuerdigkeit und Herablassung wohlwollend an: "Lieber Alt! Niente di male! Ihr verzeiht mir wohl, dass ich im Banne der Schoenheit auf Eure Meldung und Unordnung nicht gewartet, das Fest mit der Koenigin in persona eroeffnet habe. Salzburgs schoenste Maedchenblume rechtfertigt mein Verhalten und erklaert die Begeisterung meiner Gefuehle! Gluecklich ein Land, in dessen Gefilden solche Blumen bluehen, glueckliches Salzburg, dessen Herr zu sein mich mit freudigem Stolz erfuellt! Nun, mein lieber Buergermeister, ist es nach Eurer Absicht, so lasst uns das Mahl beginnen, doch wuensche ich, dass zu Tisch mir des Festes Koenigin zur Partnerin verbleibe!" Der Buergermeister hatte seinen Ohren nicht getraut, diese huldvolle Ansprache warf alle Rachegedanken ueber den Haufen, sie musste einen Drachen in ein sanftes Lamm verwandeln; zum mindesten, das fuehlte der Stadtvater deutlich genug, gehoert auf solche Huld eine hoefliche Dankesantwort, die aber im Handumdrehen nicht gedrechselt werden kann, denn Herr Ludwig Alt ist kein Geschwindredner und seine Gedanken verlangen eine ueberlegte gemaechliche Aneinanderreihung. "Hochfuerstliche Gnaden haben geruht!" Das war der erste Anlauf, und nun muss einen Augenblick nachgedacht werden, was hinzugefuegt werden koennte. Doch der lebhafte Fuerst sprach dazwischen: "Ihr seid also nimmer ungehalten, solche Versoehnlichkeit ehrt Euch und laesst den milden Sinn des treubesorgten Stadtvaters erkennen! Ich irre nicht, wenn ich Eure Zustimmung voraussetze. Zu Tische denn, und Euch, Buergermeister, lade ich ein, zu meiner Linken den Platz zu nehmen. Zu meiner Rechten behalte ich die Verkoerperung der Schoenheit, des Festes Koenigin!" Eine Fanfare schmetterte in den Saal, in ihr ging der Dank des Buergermeisters unter. "Eure Gemahlin nehmen wir mit!" rief Wolf Dietrich dem Stadtvater zu, dem darob die Ohren sausten. Die Herablassung des Landesherrn wirkte zuendend, die glaenzende Versammlung akklamierte frohgestimmt dem leutseligen jungen Fuersten, ein Tusch der Musikanten verstaerkte die brausenden Hochrufe, und in lebhafter Beweglichkeit ward zur Tafel geschritten. Eilig hatte es die Buergermeisterin, welche die Worte des Gebieters gluecklich erhascht hatte, an die Seite des Gatten zu gelangen, wozu die Ueberglueckliche ihre Arme wohl zu gebrauchen und sich im Menschengewirr Bahn zu schaffen verstand. Die Herren, welche Frau Alt so unsanft zur Seite draengte, lachten auf ob der Beteuerung, dass der Fuerst Verlangen trage nach der Stadtmutter, und liessen die in ihrer Glueckseligkeit drollige Frau bereitwillig durch. So gelangte Frau Alt zu ihrem Gatten, der sie nun wohl oder uebel zu Tisch geleiten musste. "Der Schoenheit Majestaet wolle mich begluecken!" fluesterte Wolf Dietrich, als er mit Salome sich dem Ehrenplatz an der Prunktafel naeherte. "Hochfuerstliche Gnaden ueberschuetten mich mit Huld und Gunst in unverdientem Masse!" erwiderte laechelnd Salome und senkte bescheiden die Lider. "Nicht doch! Wessen Blick geschult ist durch das Leben im ewigen Rom, vermag wahre Schoenheit zu erkennen, doch versagt die Sprache, sie gebuehrend zu preisen. Ich huldige der schoensten Koenigin, so die Erde traegt, und bitte, diese aufrichtige Huldigung in Gnaden aufzunehmen!" Ein leiser Druck des Armes auf jenen Salomes, dann gab Wolf Dietrich seine Dame frei, winkte einem Edelknaben und beorderte diesen zur Bedienung der Dame. Man setzte sich zur Tafel, und wie angeordnet, kam immer zwischen zwei Herren eine Dame zu sitzen, Frau Alt, deren Wangen vor Aufregung die Farbe der Klatschrose angenommen, hatte gehofft, zur Linken des Fuersten placiert zu werden, aber das litt nun der Gemahl doch nicht, hier wurde die Ausnahme gemacht. Dafuer sass nun die Stadtmutter zwischen den Bruedern Alt, also immer noch in auszeichnendster Naehe des Landesherrn und Ehrengastes. Noch ehe das Mahl begann, hatte sich Wolf Dietrich an seine Tischgenossin gewendet: "Irre ich nicht, so war das Geschick mir schon einmal guenstig, und ein guter Stern hat Euch vor kurzer Zeit in meinen Palazzo gefuehrt?" Salome erhob das strahlend schoene Auge zum Gebieter, dann nickte sie und lispelte: "Nicht ein Stern ist's gewesen, des Vaters Auftrag fuehrte mich in den Palast. In Geldangelegenheiten geht mein Vater sicher und deshalb muss zum Einhub die Tochter kommen." "So waret Ihr es doch, die ich fluechtig nur bei meinem Kastner sah!" Salome nickte. "Und Euer Vater, gluecklich zu preisen ob solcher Tochter, die allen Liebreiz in sich verkoerpert, ist er hier in unserem Kreise?" Leise erwiderte Salome, dass der Vater zur Linken neben der Muhme Platz genommen habe. "Und die Mutter?" "Die Teure ist seit langem uns entrissen!" "Wie schmerzlich muss es gewesen sein, von solchem Kind zu scheiden! Doch wollen wir in der Gegenwart bleiben!" Wolf Dietrich lehnte sich in seinen Stuhl, dessen Lehne mit dem Raittenauer Wappen und den bischoeflichen Farben geschmueckt war, zurueck, um den Blick auf Wilhelm Alt frei zu bekommen. Ein kurzer, musternder, pruefender, stechender Blick, der dem Antlitz des Fuersten einen harten Ausdruck gab, dann kehrte wohlwollende Leutseligkeit in das Antlitz zurueck, und freundlich, mit gewinnender Guete und Herablassung rief Wolf Dietrich dem Handelsherrn zu: "Wilhelm Alt, meinen Gruss! Verzeiht, dass so verspaetet ich an Euch mich wende, Euch gluecklich preise ob der schoenen Tochter und den Dank Euch sage dafuer, dass es mir vergoennt, die Koenigin des Festes zur Partnerin zu haben!" Wilhelm Alt hatte sich schon bei den ersten Worten erhoben und dem Fuersten tiefe Reverenz durch eine Verbeugung erwiesen. Dann aber blieb der Handelsherr aufrecht vor dem Landesherrn stehen, stattlich anzusehen als ein seiner Bedeutung wohlbewusster, reicher Patrizier. Ein von Liebe und vaeterlichem Stolz sprechender Blick flog zu Salome hinueber, ein zweiter galt dem Fuersten, und dieser Blick schien pruefend, misstrauisch zu sein, gleichsam, als traue der Vater nicht dem jungen Herrn, der so wenig Hehl aus seiner Bewunderung und Huldigung fuer die Tochter mache. Der Dank fuer die Ansprache fiel etwas kuehl aus, vollendet hoeflich und ehrerbietig, aber fuehlbar frostig. Sofort zeigte des Fuersten Antlitz den Zug unbeugsamer Haerte, den Ausdruck von Hochmut, der Blick ward stechend und hoehnisch; doch weltgewandt meisterte Wolf Dietrich sofort seine Empfindungen und den Gesichtsausdruck, die Falte auf der geistkundenden Stirn glaettete sich, laechelnd gruesste der junge Kirchenfuerst unter den Worten: "Wir danken Euch, Wilhelm Alt und wollen Euch den nun beginnenden Tafelfreuden nicht laenger entziehen!" Nach abermaliger tiefer Verbeugung nahm der Kaufherr seinen Platz wieder ein, sofort von der Schwaegerin interpelliert, was denn alles der gnaedige Herr gesprochen. "Ich hoer' auf einem Ohr nicht gut, das schlechte Wetter ist daran schuld!" fuegte die neugierige Buergermeisterin hinzu. Wilhelm Alt war boshaft genug, um der Schwaegerin zuzuwispern: "Einen Hopser will er spaeter mit Euch machen!" Frau Alt schien das Gefluester doch vollkommen verstanden zu haben, denn ganz etikettwidrig platzte sie heraus: "Nicht moeglich?" Das klang so drollig, dass auch Salome ein Kichern nicht unterdruecken konnte. Wolf Dietrich hatte sich an den Buergermeister gewendet, als der Gang: "Ein gelb Essen ist lind zu essen"[1] serviert worden war, und sprach zum ehrerbietig aufhorchenden Stadtgewaltigen: "Nun wir die linde Speise hinter uns haben, wollen wir auch linder Stimmung sein und vernehmen, was die Herzen meiner Salzburger beweget." Das klang wie Musik in den Ohren Ludwig Alts, der es gleich dem Stadtrat bitter genug empfunden hatte, dass der Landesherr kaum nach seinem Regierungsantritt von den Errungenschaften frueherer Erzbischoefe schleunigst Gebrauch machte und eine Revision in den Personen des Stadtrates in Bezug auf ihre Gesinnung vornahm, die eine fuehlbare Veraenderung dieser Instanz hervorrufen musste. Ludwig Alt traute aber der "linden" Stimmung des jungen Gebieters nicht voellig, immerhin wollte er den Versuch machen, sie zu Gunsten der Stadt, namentlich zur Wiedererlangung der abgenommenen Kriminalgerichtsbarkeit auszunutzen. Vorsichtig brachte Alt hervor: "Wenn wir in schuldiger Ehrfurcht eines vom gnaedigen Herrn erbitten duerften, so waere es, dass das Stadthaupt und der Rat gewissermassen doch auch noch etwas zu sagen haetten!" Wolf warf den geistvollen Kopf auf, sein scharfer, geschwinder Sinn hatte im Nu erfasst, wohinaus der Buergermeister zielte, doch wollte er die Erkenntnis nicht verraten und fragte daher: "Wie meint Er das?" "Wenn Hochfuerstliche Gnaden es huldvoll verstatten wollen: Wir haben nur noch die Exekutive, seit Ew. Gnaden neue Hofratsordnung in Kraft getreten ist und auch diese Gerichtsbarkeit dieser erzbischoeflichen Behoerde uebertragen wurde, und--" In diesem gewichtigen, ja gefaehrlichen Augenblick trat Wilhelm Alt, der in hoechster Spannung dem bedeutungsvollen Gespraech zugehoert, dem Bruder warnend auf den Fuss. "Und?" fragte Wolf Dietrich mit lauernder Miene. Der Buergermeister konnte die bruederliche Warnung nicht recht deuten und im Banne der fuerstlichen Frage rutschte ihm heraus: "Und diese Exekutive erniedrigt uns zum bedeutungslosen Polizeibuettel, der sonst nichts ist und nichts zu sagen hat!" Wolf Dietrichs Wangen faerbten sich rot, Wilhelm Alt, der Weitblickende, erblasste. Ahnunglos plauderten und assen die Festgaeste, nur in der naechsten Umgebung des Fuersten herrschte beklemmende Ruhe. Wieder meisterte der Landesherr sein heisses Blut, kuehl, fast hoehnisch sprach er: "Deut' ich das vernommene Wort recht, und es ist nicht schwer zu deuten, so spukt in euren Koepfen der Geist der Rebellion!" Beide Alts zuckten zusammen. Da griff Salome helfend ein: "Verstattet gnaedigster Herr und Gebieter ein vermittelnd Wort!" Ueberrascht rief Wolf Dietrich: "wie? Majestaet Schoenheit will sich ins Gebiet der Politik begeben?" "Verzeihung, gnaedigster Landesvater! Ich fuehle wohl den herben Tadel in den Worten Ew. Hochfuerstlichen Gnaden und gestehe willig dessen Berechtigung zu. Ein Weib, ein Maedchen nun gar soll schweigen, so im Kreise bedeutender Maenner das Wohl des Landes beraten und erwogen wird. Ein Weib--" "Ein fuerstlich Weib!" murmelte Wolf Dietrich und ein bewundernder Blick schien die schoene Gestalt Salomes umfassen zu wollen. Klug nuetzte Salome den Augenblick wie die Schmeichelei: "Ein Weib versteht nichts von den wichtig politischen Dingen, doch kann weibliches Empfinden oft besser erfassen, den Kern einer Sache erkennen, als ein kluger Manneskopf, wasmassen das Weib meist nicht von Nebendingen beeinflusst ist." "Ei ei, der Diplomat im weiten Rock!" lachte der Fuerst amuesiert. Tapfer behauptete Salome: "Ew. Hochfuerstliche Gnaden werden mir zugeben, dass ich in der eben vernommenen Sache ganz unzweifelhaft nicht beeinflusst bin, denn mit Kriminal- und peinlichen Prozessen habe ich in meiner Lebtage nichts zu schaffen gehabt und hoffe, davon verschont zu bleiben, bis des Alters Schnee auf meinem Haupte lastet und darueber hinaus." "O, carissima mia! Wie kann das lieblichste Geschoepf der Erde die Schrecken des Alters heraufbeschwoeren, stoeren den harmonisch schoenen Eindruck, der mein Herz entzueckt! Schnee auf Eurem goldigen Haupte, holde Goettin meiner Seele! Bannt mir solches Denken! Hinweg damit! Ich kann dieses Wortbild nicht fassen, ich hasse es!" "Und dennoch wird jene Zeit auch ueber mich kommen! Doch Euer Wunsch, gnaedigster Herr, ist mir Befehl, heut und so lang ich lebe--" "Hoert ihr es!" wandte sich Wolf Dietrich zu den beiden Alten, "so spricht eine Unterthanin Salzburgs, weise und ergeben in den fuerstlichen Willen, und waeren der Unterthanen alle wie Schoensalome, es waere eine Freud' und Lust, Herr zu sein!--Doch sprecht aus, was Eure Brust bewegen mag!" "Mein Ohm," erwiderte Salome, "der allverehrte Buergermeister hat es ehrlich, wenn auch vielleicht zu hastig, ausgesprochen, dass zu viel genommen ward von den Rechten Salzburgs, dass der Rat erniedrigt sei zu bedeutungsloser Exekutive. Wahr ist dies Wort und Eure Partnerin ist nicht viel anderes als des Stadtbuettels Nichte, nicht wert an der Seite des gnaedigsten Fuersten und Landesherrn zu sitzen!" Galant erwiderte Wolf Dietrich: "Schoenheit adelt und erhebt!" "Mit nichten, gnaedigster Herr! Ein Fuerst wird niemals ein Weib erkueren, das nahezu unfrei ist, von niederer Abkunft, mag das Weib dabei engelschoen sein!" "Ein Anwalt, wie ich ihn meiner Sache nicht besser wuenschen kann!" schmeichelte der Fuerst, und fuegte bei: "Doch Eure Praemisse stimmt nicht: Die Tochter eines Wilhelm Alt, des reichen Handelsherrn, ist nicht von niederer Abkunft, au contrair, der edelsten eine in meinem Lande, nur nicht von Adel!--Ist irrig die Praemisse, kann die Folgerung nicht richtig sein! Was aber wuenscht die verkoerperte Anmut in so bemeldter Sache?" "Gebt, gnaedigster Herr, der Stadt die alten Rechte wieder, lasst ihr ein gewisses Mass der Freiheit, die Selbstbestimmung, und ich bin dessen sicher: Je lockerer der Zuegel, desto freudiger gehorcht das Ross dem leisesten Befehl des Herrn!" Ein langer, liebevoller Blick des jungen Landesherrn lag auf Salome, bis Wolf Dietrich leise, fast mehr fuer sich zu sprechen anhub: "Verfuehrerische Worte, suesser Klingklang! Geb' ich dem Rat, wird mir die Landschaft stoerrig! Und schlankweg die Hofratsordnung aufheben, dieses muehevolle Werk meiner Juristen, impossibile!" Salome wagte einen legten Versuch: "Verzeiht mir, hoher Herr! Die Landschaft war Euch sicher zu Willen und hat jeder Steuermassnahme zugestimmt!" "Ja doch! Laestig ist genug die hergebrachte Pflicht, dass der Fuerst die Landschaft angehen muss bei jeder neuen Steuerausschreibung! Ihr, schoene Salome, wollt als besonderes Verdienst betonen die allzeit gefuege Zustimmung! Verzeiht mir das harte Wort: Hier reicht Frauensinn nicht aus! Wisst Ihr, warum die Staende so steuerfreudig gewesen und immer ohne Straeuben zugestimmt haben? Ich will Euch dieses Raetsel loesen: Hoffnung war es, weiter nichts, Berechnung auf des Fuersten Gutmuetigkeit, die Hoffnung, durch sothane Nachgiebigkeit und Willigkeit etwas von den frueheren Rechten zurueckzuerlangen!" "Und taeuschte sothane Hoffnung?" fragte Salome unter Augenaufschlag und richtete den Blick direkt in des Fuersten Auge. Jetzt Aug' in Aug' mit dem bezaubernd schoenen Maedchen, vermochte Wolf Dietrich kein schroffes, wahres "Ja" zu sagen, er griff zu Worten der Ausflucht, indem er eine spaetere Reformierung der Angelegenheit zusicherte. Ein Schatten des Unmutes huschte ueber das Antlitz Salomes, und Wolf sah dieses Woelkchen sofort. "Wenn es dem Rat der Stadt und meiner holden Tischgenossin einen Trost gewaehrt zu wissen, dass Privilegien anderer Klassen noch reformfaehig erscheinen, so will ich jetzund sagen: Die bisherige Steuerfreiheit des Adels und der Geistlichkeit erscheint mir ungerecht. Muss der Buerger und Bauer zahlen, soll es Adel und Klerus auch! Und damit dixi!" Beide Alts wussten in ihrer grenzenlosen Ueberraschung nichts anderes zu thun, als den bedeutungsvollen Satz zu wiederholen: "Muss der Buerger und Bauer zahlen, sollen es Adel und Klerus auch!" Die Frau Buergermeisterin hatte von dem Gemurmel nur das Wort "zahlen" verstanden, und dieses Wort uebte auch auf die wuerdige Frau die gleiche Wirkung aus wie auf alle Salzburger Patrizier, denen die Aufhaeufung von bischoeflichen Lasten, das staendige Anziehen der Steuerschraube ein Greuel war. Daher fing Frau Alt auch gleich zu jammern an zum Entsetzen ihres Gemahls. Wilhelm Alt suchte die Schwaegerin zu beruhigen durch den Hinweis, dass es diesmal dem Adel und der Geistlichkeit gelte und das sei nur in der Ordnung. "O, die haben ja selber nichts, die Geistlichen!" meinte Frau Alt. "Schweigt doch, Schwaegerin, es ist nicht der arme Landklerus gemeint, sondern die reichen Kloester und Stiftsherren, die sollen nur auch zahlen, der Fuerst hat da ganz recht!" Das seine Ohr Wolf Dietrichs hatte diese halblaute Aeusserung vernommen, und die Zustimmung des angesehenen Handelsherrn versetzte den jungen Fuersten in rosige Laune. "Freut mich, lieber Alt! Ihr sehet, wir finden den modus viviendi; der Anfang zu einer Verstaendigung zwischen Fuerst und Volk ist gemacht, auf diesem Wege wollen wir bleiben und fortschreiten." Zu Salome gewendet sprach Wolf Dietrich: "Will die Wolke nicht weichen von der reinen Stirne? Ich denke, wir sind in Eintracht! Kann ich der Majestaet Schoenheit einen Dienst erweisen, sprecht, Goettin, Ihr seht den Fuersten dienstwillig wie einen Sklaven, haschend nach einem Sonnenstrahl Eurer Gnade!" Salome laechelte in bezaubernder Anmut, ihre Kirschenlippen kraeuselten sich zu leisem, gutmuetigem Spott: "Das zu glauben, hoher Herr, faellt mir schwer! Sklavisch ist nichts an Ew. Hochfuerstlichen Gnaden, hoch der Sinn, hoch der Geist wie hoch die Wuerde! Ich moechte meinen gnaedigen Landesherrn auch niemals in einer Sklavenlage wissen!" "Ihr versteht es wohl, die Worte fein zu setzen; ein Notarius koennte von Euch lernen! Doch sprach auch ich bei allem Feuer des Empfindens mit Bedacht und tiefer Sinn liegt in meinen Worten, da ich sage: Sklave moecht' ich sein, so Eure Huld wuerde mich begluecken!" Ein Kichern folgte dieser galanten Beteuerung, dann fluesterte Salome: "So mein gnaediger Herr heute seltsam gebfreudig ist, will die Gelegenheit beim Schopf ich fassen und bitte ich Ew. Hochfuerstliche Gnaden um die Verlaubnis, ein Glaeschen rheinischen Weines trinken zu duerfen auf das Wohl unseres gnaedigen Herrn!" "Das wollen wir freudig thun, schoene Goettin; doch nicht harter Deutschwein soll Eure Rosenlippen netzen, wir nehmen edlen Terranto, der unter Vicenzas Himmel gedeiht!" sprach Wolf Dietrich und wandte sich zum Buergermeister mit der Frage, ob dieser edle italienische Wein zu haben sei. "Zum hohen Glueck, Ew. Hochfuerstliche Gnaden an dieser Tafel zu wissen, gehoert--Thalhammers feinerprobte Zunge!" schnatterte Ludwig Alt, dem die unvermutete Frage die Gedanken durcheinander brachte. "Wie? Was meint Er?" rief erstaunt der Fuerst. "Gnaediger Herr wollen mir erlauben, dass ich den dunklen Sinn der Worte meines Ohms erhelle!" warf Salome schnell ein, "der gute Ohm wollte sagen, dass nur Rat Thalhammer wissen koenne, ob fuer diese Tafel gewuenschter Edelwein vorhanden sei!" Wolf Dietrich lachte belustigt ob der Schlagfertigkeit seiner schoenen Tischgenossin: "Beim Zeus! Ich berufe Euch noch in meinen Hofrat, wir koennen solche Redekunst fuerwahr gebrauchen!" "Ob die wuerdigen Herren da nicht wirren Kopfes werden wuerden?" spottete Salome. "Ihr moeget recht haben; fuer die alten Federfuchser sind die Folianten gut, doch nicht die Bluete weiblicher Schoenheit und Anmut! Die Jugend will ihr Recht, sie darf die Hand danach erheben, nicht das muerrische Alter!" Der Buergermeister hatte unterdessen Thalhammer, der am unteren Ende der Tafel sass, citiert, und alsbald konnte der vom Fuersten gewuenschte Terranto-Wein kredenzt werden. Zwei Becher wurden gefuellt, und Wolf Dietrich stiess mit Salome an: "Auf Euer Wohl, Koenigin! Jeder Tropfen dieses edlen Weines aus dem sonnigen Sueden, der Heimat von Kunst, Liebe und Wein, verlaengere Euer Leben um viele Jahre, jeder Tropfen bedeute eine Fuelle von Glueck hienieden! Es lebe die Goettin Schoenheit, es lebe Salzburgs holdeste Maedchenblume!" Salome hatte den Blick gesenkt, tiefe Roete bedeckte ihre Wangen, der Becher zitterte in ihrer schmalen Hand. "Will meine Koenigin mir nicht einen Blick aus den suessen Augen goennen?" fluesterte Wolf Dietrich. Da hob Salome das Auge, die Blicke trafen sich, beklommen, zoegernd sprach sie: "Zu viel des Lobes und der Gnade faellt auf mich! Bethoerend wirken die Worte! Zu gross ist die Kluft, die uns trennt! Ihr seid der Fuerst und hohe Herr, ich eines schlichten Buergers Tochter! Lasst mich im Erdreich, in dem nur ich gedeihe!--" "Ist das Euer Trinkspruch, Salome?" fragte etwas gedehnt der Fuerst. "Mein gnaediger Herr und Gebieter, ich trinke auf das Wohl Ew. Hochfuerstlichen Gnaden und--" "Und?" "Und bitte, es moege mir Eure Gnade und Huld erhalten bleiben!" "Ja, darauf wollen wir trinken! Euch meine Huld immerdar, mir Eure Gnade und--" "Und?" "Und Liebe!" fluesterte der junge, feurige Landesherr und sandte einen flammenden Blick zu Salome, die jaeh erroetete und verstummte. Verschiedene Gaenge des ueppigen Mahles waren inzwischen serviert worden, doch jedesmal hatte Wolf Dietrich durch eine Handbewegung angedeutet, dass er nicht im Gespraech gestoert sein wolle. Diesem Beispiel war auch Salome gefolgt, und Ludwig Alt hielt es fuer seine Pflicht, zu jeglichem Augenblick dem Fuersten zur Verfuegung zu sein, daher der Buergermeister auf das Essen verzichtete. Nach dem Speisezettel, den Ludwig Alt bei sich hatte, sollte nun koestlicher Fasanenbraten an die Reihe kommen, und zwar mit einer Neuerung im Gedeck fuer diese Zeit. Bisher war es ueblich, des oefteren Handwasser mit Handtuechern herumreichen zu lassen, damit die Tafelnden sich die Haende reinigen koennten. Auch heute war das der Fall gewesen. Nun zum Fasanenbraten des heutigen Mahles, zur Erhoehung des Festes war, ausgeheckt von beiden Alts, eine Neuerung geplant, die eben jetzt der Tafelrunde vorgefuehrt werden sollte, und diese Neuerung bestand in der erstmaligen offiziellen Verabreichung von Gabeln.[2] Ludwig Alt war nicht wenig neugierig auf die Wirkung dieser Neuerung und hatte angeordnet, dass zum "Fasanen-Gang" dieser Gebrauchsgegenstand solle vorgelegt werden. Natuerlich interessierte es den Buergermeister am meisten zu erfahren, was der Fuerst zu sothaner Neuerung sagen werde. Wolf Dietrich war aber schon wieder in ein Gespraech mit Salome vertieft und hatte weder Aug' noch Ohr fuer die uebrige Gesellschaft. Laengeres Zaudern wuerde eine auffaellige Unterbrechung des Mahles herbeifuehren, der Buergermeister musste daher das Zeichen geben, und sogleich erschienen die Aufwaerter, deren jeder eine in der Form noch ziemlich ungeschlachte, zweizinkige Gabel zur Rechten jedes Tafelgastes legte. Von der schwaetzenden Menge ward das neue Instrument vielfach nicht beachtet; einigen Gaesten aber fiel es doch sofort auf, sie ergriffen die Gabeln, besahen sie, fuhren damit in die Luft, und als von einigen vielgereisten aelteren Buergern der Gebrauch dieser neuen Tischinstrumente erklaert wurde, konnte es an praktischen Erprobungen nicht fehlen. Unter grosser Lebhaftigkeit ward aufgespiesst, was den ueberraschten Gaesten erreichbar war und die Fasanen kamen hierzu just recht. Voellig unbeachtet blieb die Neuerung am Praesidium der Tafel; den Altschen Familien war sie bekannt, fuer das heutige Mahl eigens bestimmt, und der Landesvater widmete sich ausschliesslich seiner Tischnachbarin. Die Edelknaben kamen mit den Fasanen auf silbernen Platten, und unwillig wollte Wolf Dietrich abwinken, da bat Salome, es moege der gnaedige Herr doch auf die Atzung nicht ganz vergessen, wasmassen diese Leib und Seele zusammenhalte. So liess sich denn der fuerstliche Ehrengast von den Fasanen vorlegen, ebenso Salome, und beide bedienten sich der neumodischen Gabeln ohne das geringste Anzeichen einer Ueberraschung. Von Salome wunderte das den Buergermeister ja nicht, aber die Vertrautheit des Fuersten mit dem neuen Instrument verblueffte und enttaeuschte ihn derart, dass Ludwig Alt dem Bruder zufluesterte: "Der kennt alles!" Und Wilhelm raunte zurueck: "Stimmt! Der wird uns in allem ueber!" Wolf Dietrich hatte mit Behagen von der leckeren Speise genossen und dann einen Blick ueber die Tafel geworfen, an der es lebhaft zuging, denn der in grossen Mengen genossene schwere Suedwein aus Welschland uebte auf Maennlein und Weiblein seine Wirkung aus. "Meine Salzburger lieben den sueffigen Wein!" meinte der Fuerst zum Buergermeister, der sogleich beteuerte, dass das gewoehnliche Volk sich wohl an das Hopfenbier halte, denn suesse Weine seien von wegen der Teuerung und dem kostspieligen Transport nur den bemittelten Staenden erreichbar. "Wird denn viel solchen Weines eingefuehrt ins Erzstift?" "Ew. Hochfuerstliche Gnaden unterthaenigst aufzuwarten, ja; man bringet auf Wasser und Land ueberfluessig aus allen Landen herzu, als naemlich vom Rhein, Neckher (Nekar), aus Elsass, Franken, auch Osterwein (aus Oesterreich), Marchwein (aus Steiermark), aus Hungern (Ungarn), viel aus Welschland, so man sie heisset Terrant, Raifel, Muscatell, Malvasier von Napoli, Romanier, so in Griechenland wachset, Rosatzer auch und Farnaetscher, Veltliner, und aus dem Etschland Traminer und Hoepfwein und dergleichen noch manche, die des Thalhammer Zunge besser kennet als Dero unterthaeniger Knecht!" "Ich staune! Wusste wahrlich nicht, dass meine Salzburger so gern und viel der schweren und teuren Weine trinken!" Voreilig sprach Ludwig Alt: "Sie trinken nicht, o Herr, sie saufen ihn! Ein Laster ist's, ein allgemeines in ganz Deutschland, und es hilft so viel wie nichts, mag man dagegen wettern oder sich selber eines guten Wandels befleissigen. Der Saufteufel hat sie alle am Kragen, Maennerleut und Weibes, ein Halbes koennen Kinder selbst schon zutrinken, die Eltern lehren's wohl den Kleinen! Ein Kreuz ist's und ein Elend mit dem Weinteufel!" "Und der Buergermeister weiss sich nicht Rat, sothanem Laster wirksam zu steuern?" fragte der Landesherr. "Dero Gnaden unterthaenigst aufzuwarten, ich nicht, und besseren Leuten kann ich die Rumorknechte nicht auf den Leib hetzen!" "So! Nun es erscheinet mir guenstig, dass der Landesherr sich Rats weiss, ich weiss ein Mittel, doch ist es nicht an der Zeit, es heute schon zu publizieren. Ich will es mir merken, und dem Saufteufel ruecke ich an den Leib, ich zwing' ihn, darauf koennt Ihr Euch verlassen!" "Das kann, o hoher Herr, der Menschheit nur zum Segen gereichen!" sprach Salome, der die uebermaessige Trinklust ein Greuel war, und die es peinlich beruehrte zu sehen, wie namentlich die jungen Buergersoehne ohne Ruecksicht auf die Anwesenheit des Landesherrn dem Wein in grossen Mengen zusprachen. "Eure Zustimmung erquickt meinen Sinn, wie Eure Anmut mein Herz ergoetzt! Ich wuensche mir nichts Besseres, als mit Euch, teure Salome, auch die Massnahmen der Regierung beraten zu koennen. Seid Ihr dazu gewillt?" Salome fuehlte den tieferen, verhuellten Sinn dieser Frage, und heisse Roete schoss in des klugen Maedchens Wangen, ein Zittern lief durch ihren Koerper, bebenden Tones erwiderte sie: "Wie sollt' ich je in solche Lage kommen? Gebannt in die engen Schranken der Haeuslichkeit, gezwungen nach Zeit und Art, zu stiller Arbeit, Sinn und Zunge gefesselt! Doch was will ich sagen, da Fuerstentoechter es kaum anders haben und verdorren schier in dumpfer Kemenate!" "So sehnt Salome sich hinaus in die Freiheit glanzerfuellter Welt?" "Nicht das ist meines Sinnes Streben, gnaedigster Herr! Ich kenne die gezogenen Grenzen und beug' mich willig diesem Gebot. Was ich ersehne heiss, waer' ein Erfassen vieler Dinge, die man kaum dem Namen nach uns einst gelehrt! Denkt nur, hoher Gebieter, wie karg die Kost gewesen, die uns Maedchen man gereicht! Ein winzig Kritzeln, etwas Lesen, des Mehreren von heiliger Religion, und in der Erdbeschreibung hat es vollauf genuegt zu wissen, dass fern im Sueden liegt das heilige, ewige Rom." "Sothanes will auch mich nicht viel beduenken, doch mag's fuer deutsche Fuerstentoechter genuegen. Ihr aber, Schoen-Salome, wollt mit Gram herabdruecken Euren edlen Geistes feine Bildung! So manch' Gespraech, die feingesetzten Worte, sie verraten Euren hellen Geistes hohen Flug, die Klage ueber geringen Unterricht in jungen Jahren stimmt nicht zur staunenswerten Kenntnis vieler Dinge. Ich nannt' Euch doch vorhin schon einen Diplomaten, wollt' stecken Euch in meiner Juristen Schar, und warum? Weil Eures Verstandes Schaerfe, ein klug Erfassen dessen, was kaum der Zunge Laut noch ausgesprochen, schon bethaetigt ist vom aufgeweckten Kopf. Ihr duerstet wohl nach Erweiterung von Gedanken, denkt an hohe Ziele, die in Maedchenkemenaten nicht wollen Wurzel fassen? Gern beut ich die Hand, Euch zu verhelfen zum Flug in des Geistes hoehere Regionen! Mein Fuerstenwort geb' ich zum Pfand!" Das Mahl war zu Ende und die Zeit sehr vorgeschritten, der Tanz sollte beginnen. Die hoefische Etikette verlangte vom Fuersten und Erzbischof, sich nun ins Palais zurueckzuziehen, so gern Wolf Dietrich auch mit Salome noch gesprochen. "Ich sehe Euch bald wieder!" fluesterte er dem schoenen Fraeulein zu, und ein heisses Verlangen flog durch seinen geschmeidigen Koerper. Noch ein lodernder Blick, dann erhob sich der Fuerst, um den nun die Hoeflinge sich scharten. Leutselig wandte sich der Fuerst nun an den Buergermeister und sprach in formvollendeter Rede, die dem Ruf Wolf Dietrichs als vorzueglicher Kanzelredner voll entsprach, seinen fuerstlichen Dank aus fuer das Fest und die gute Tafel. Geschmeichelt akklamierten die Patrizier den Landesherrn mit lebhaften Hochrufen, unter welchen Wolf Dietrich sich von beiden Alts, dann von Salome verabschiedete. Freundlich nickend nach allen Seiten schritt der junge Fuerst durch den Saal, Trompetenschall und Trommelwirbel ertoente, bis die Ratsherren vom Geleite zurueckkehrten. Die Jugend bekam ihr Recht, die Ratsherren zogen sich in eine Stube zurueck, um sich vom Buergermeister Naeheres ueber die fuerstlichen Aeusserungen erzaehlen zu lassen, und die Frauen hielten ein Plauderstuendchen ab, das voellig Salome und den ihr vom jungen Fuersten gewordenen, geradezu auffaelligen Huldigungen gewidmet war. Salome selbst fuehlte sich erschoepft und muede; jetzt sich von Junkern und Buergersoehnen zum Tanz fuehren zu lassen, war dem Fraeulein unmoeglich. Zu viele Gedanken kreisten durch den Kopf, es schwindelte Salome, und unabweisbar ward das Verlangen, allein zu sein in traulich stiller Kemenate. So trat Salome just im Augenblick, da Wilhelm Alt sich zu den Ratsherren in die Nebenstube begeben wollte, zum Vater und bat ihn um Geleit nach Hause. Ein durchdringender Blick schien in des Maedchens Seele lesen zu wollen, nur widerwillig gab Alt seine Zustimmung mit dem Beifuegen, dass die Muhme Salome nach Hause bringen solle; zugleich wurde ein Stadtknecht, deren einige im Erdgeschoss des Trinkhauses auf Verwendung harrten, beauftragt, den Damen die Leuchte vorauszutragen. Unauffaellig entfernten sich Muhme und Nichte, denen auf der verschneiten Gasse der Knecht das Laempchen vorantrug. Die frische Luft der Winternacht erquickte Salome und gierig atmeten die Lungen den reinen Odem ein. Frau Alt kam ausser Atem durch das hastige Fragen, was der Fuerst denn alles zu erzaehlen wusste, und durch die begeisterten Lobreden auf die Leutseligkeit desselben. Die Muhme merkte dabei gar nicht, dass Salome sich schweigend verhielt, und dass der Knecht um eine halbe Gassenlaenge vorausgegangen ist. Jaeh verstummte die geschwaetzige Buergermeisterin, als hinter ihrem Ruecken eine Maennerstimme ertoente: "Die Schlanke ist's! Schnell!" Blitzschnell ward ein Tuch um den Kopf der Muhme geworfen, Salome ward von vermummten Maennern umringt, emporgehoben und in eine inzwischen herangebrachte Saenfte gesteckt, die in raschem Tempo dem Domplatz zu weggetragen wurde. Das alles vollzog sich schnell und lautlos; nur die entsetzte Buergermeisterin kreischte, doch erstickte das dicke Tuch ihre Jammertoene. Bis Frau Alt dieses Tuch vom Kopf gezogen, war die Stelle menschenleer, nachtschwarz alles ringsum, die Gasse nur vom Schneelicht schwach beleuchtet. Ist es Spuk gewesen? Haben boese Geister das Maedchen von ihrer Seite gerissen oder ist Salome in den Erdboden versunken? Der Knecht kam missmutig ob solcher Verzoegerung zurueck und machte aus seiner Stimmung kein Hehl. Dabei merkte er aber am Gezeter der Buergermeisterin, dass sich etwas Absonderliches ereignet haben muesse. "Ist 'leicht etwas passiert?" fragte er. "Mord und Totschlag! Mich haben sie ermordet und Salome ist verschwunden! Du bist mir ein wackerer Beschuetzer in Nacht und Not!" kreischte verzweifelnd Frau Alt. Fassungslos starrte der Knecht die Buergermeisterin an und leuchtete ihr mit dem Laempchen ins runzelige Gesicht. Dann drehte er sich ringsum, als wollte er im Schnee das verschwundene Fraeulein suchen. "Bring' nur mich schnell nach Hause, und dann lauf' zum Buergermeister, vermeld' ihm den Raub unserer Nichte, es sollen die Stadtknechte, die Buettel fahnden! Lasst Sturm laeuten! Huhu, dort kommt wieder so ein schwarzer Mordbube, der Beelzebub selber!" Erschrocken griff der Knecht die Buergermeisterin beim Arm und riss sie mit sich im Sturmlauf zum Trinkhaus, das durch die Hilferufe beider im Nu alarmiert war. Die Kunde von einer Entfuehrung Salomes wirkte auf die Festgesellschaft geradezu laehmend, sie ernuechterte die Maenner und verursachte Weibern Kraempfe. Ludwig Alt vermochte das Ereignis nicht zu fassen und rief immer wieder: "Nicht moeglich! Ein Maedchenraub in unserer stillen, ehrsamen Stadt von der Gasse weg! Es kann nicht wahr sein!" Vater Wilhelm Alt schwur, die ihm angethane Schmach raechen zu wollen, wer immer der Maedchenraeuber sein moege. Saemtliche Rumorknechte und Buettel wurden aufgeboten, die nun nach Hause verlangenden Festgaeste auf dem Heimweg schuetzend zu begleiten. Doch nichts von Raeubern, nicht ein Schatten zeigte sich in den wie ausgestorben scheinenden, schneeerfuellten, vom Mondlicht schwach erleuchteten Gassen Salzburgs. Beide Alts aber, von handfesten Knechten begleitet, visitierten unter Anfuehrung des Rottmeisters die Thore der festgeschlossenen Stadt und hielten bei den Tuermern Umfrage, ob jemand zu Ross, Wagen oder mit einer Saenfte Auslass begehrt und erhalten habe. Dies war nach bestimmten Erklaerungen der Tuermer nicht der Fall, ratlos kehrten beide Alts in ihre Behausungen zurueck. In Wilhelm Alt, dem Vater Salomes, aber stieg ein furchtbarer Verdacht auf, der ihm die Nachtruhe raubte. II. Im Keutschachhofe, der erzbischoeflichen Residenz, war trotz der spaeten Stunde reges Leben gemaess der von Wolf Dietrich seiner Zeit eigenhaendig festgesetzten Hofstaatsordnung, es harrten das Hofgesinde wie die hoeheren Chargen bis hinauf zum Hofmarschalk der Rueckkehr des Fuersten vom Festmahl im Trinkhause und wagte niemand, so der Dienst traf, sich zurueckzuziehen, denn Wolf Dietrich verstand sich darauf, seine Leute in Atem und Ordnung zu halten, so vieler bei Hof es auch waren. Zur Verwunderung der Begleiter hatte der Fuerst den Weg zur Residenz zu Fuss genommen, neben sich den Kaemmerer vom Dienst, einen jungen, treuergebenen Adeligen, den Wolf Dietrich mehr als die uebrigen (im ganzen vier) Kaemmerer mit seinem Vertrauen auszeichnete. Voraus schritten die Lichttraeger, Lakaien bildeten rueckwaerts die Bedeckung. Was der Fuerst mit seinem Kaemmerer besprach, blieb der Begleitung unverstaendlich, einmal weil sich Wolf Dietrich der italienischen Sprache bediente, und dann aus dem Grunde, weil sehr leise und geheimnisvoll gesprochen ward. Als sich der Zug lautlos dem Portal des langgestreckten Keutschachhofes naeherte, ertoente ungebuehrlicher Laerm im Palais, den des Fuersten seines Ohr schier augenblicklich wahrnahm und der Wolf Dietrich veranlasste, dem Vorlaeufer und den Lichttraegern zu befehlen, stehen zu bleiben. Er selbst, vom Kaemmerling auf dem Fusse gefolgt, trat rasch und leise ein und ueberrumpelte dadurch die zeternde Gruppe von Thuerhuetern und Lakaien, die willens schien, sich an einem blassen, armselig gekleideten Weibe zu vergreifen. Eben erhielt die schluchzende Frau einen Fausthieb, da stand der Fuerst auch schon mitten im Knaeuel und sein Begleiter draengte kraftvoll die Leute zurueck. Scharf befahl Wolf Dietrich augenblickliche Ruhe, Zornesroete bedeckte seine Wangen, und die Adern schwollen sichtbar an. "Wer erfrecht sich bei Hof solcher Auffuehrung? Was soll der Laerm in meinem fuerstlichen Hause? Was will das Weib zu spaeter Stunde?" Vor Schreck und Ueberraschung verstummte die Dienerschaft, niemand fand ein Wort der Erwiderung, doch das arme Weib that einen Kniefall vor dem Fuersten und bat um Barmherzigkeit in hoechster Not. "Man hat in Bittangelegenheiten die festgesetzte Audienzstunde einzuhalten! Gen Mitternacht wird nicht gebettelt!" grollte der Fuerst. "Gnaediger Herr! Uebet Barmherzigkeit! Bis Taganbruch kann ich nimmer warten, derweil stirbt mir der Mann!" In Wolf Dietrichs Herz regte sich das Mitgefuehl, weichen Tones fragte er nach dem Begehr des armen Weibes. "Euer Gnaden Leibmedikus haett' ich gern gebeten um Hilfe, etzliches aus der fuerstlichen Kuchel...." "Ist jemand schwer krank bei dir?" "Ja, gnaediger Herr, der Mann und zwei Kinder!" "Und mein Medikus, was ist's mit ihm? Ist er nicht mitgegangen?" Einer der Lakaien erkannte die guenstige Gelegenheit, alle Schuld am ueblen Auftritt bequem auf die Schultern des Leibarztes schieben zu koennen, und erstattete Bericht, dass der Medikus es abgelehnt habe, in spaeter Nachtstunde den Berg hinaufzuklettern bis zum Haeuschen des armen Weibes, wasmassen der Medikus nur fuer den Fuersten da sei, nicht fuer das gemeine Volk. Wolf Dietrich befahl schneidend scharfen Tones, es solle der Medikus augenblicklich geweckt, dem Weibe Wein und Atzung in einem Korbe verabreicht werden. Und einer ploetzlichen Gefuehlsregung folgend, wandte sich der junge Fuerst zum Kaemmerer: "Du besorgst, was ich dir befohlen. Alphons bringt den Medikus und Dienerschaft mit der Spende fuer die Armen nach. Ich werde selbst inspizieren. Lichttraeger voraus!" Der Kaemmerer wagte zu sagen: "Hochfuerstliche Gnaden! Es ist spaet, und schlecht der Weg hinan zum Berg!" "Besorge, was ich befohlen! Hilfe zu bringen, ist eine der schoensten Aufgaben eines Fuersten. Schicke mir den Medikus nach, mach' ihm flinke Beine!" Auf Befehl musste das Weib mit dem Vorlaeufer vorausgehen, der Armen schwindelte ob der jaehen Wendung und der Gewissheit, dass der hochgemute Fuersterzbischof selbst zu spaeter Stunde Einkehr halten will in der Huette des Elends. Man hatte das schier verfallene Haeuschen am Wege zum Nonnbergkloster noch nicht erreicht, kam der Leibmedikus schon hinterdrein angepustet, nach Luft und Fassung schnappend. Einer der Lichttraeger musste mit in die Stube, das Weib fuehrte Wolf Dietrich und den Arzt in ein Gemach, welches in seiner Duerftigkeit den an Prunk gewohnten Fuersten erschaudern liess. Auf Stroh lag der Mann, auf einem Ballen Fetzen zwei Kinder, abgemagert schier zum Skelett, gelbfarbig, hohlaeugig, wimmernd vor Schmerzen und Hunger. Wieder warf sich das abgezehrte Weib in die Kniee und hob flehentlich die Arme zum Fuersten empor: "Habt Dank, o Herr, und helft in groesster Not!" "Schrecklich!" fluesterte ergriffen Wolf Dietrich, "dieweilen man prasset am ueppigen Mahle, verhungern mir hier etzliche Unterthanen!" Auf einen Wink begann der Hofarzt seine Thaetigkeit; Wolf Dietrich liess die inzwischen herbeigeschafften Vorraete an Wein, Fleisch und Brot in ein Nebengemach stellen und zog sich mit seiner Begleitung zurueck, nicht ohne Auftrag gegeben zu haben, dass von nun an taeglich der armen Familie Proviant aus der Hofkueche geliefert werden muesse. Mit einem Frohgefuehle in der Brust, schritt der Fuerst die steile, frischbeschneite Gasse wieder hinab, und bis er den Palast erreichte, kuendeten vom nahen Dom die Glockenschlaege Mitternacht. Von all' den Hofschranzen ehrerbietig erwartet, hatte Wolf Dietrich nur fuer seinen Vertrauten, dem ersten der Kaemmerer, ein Auge, ihm warf er einen fragenden Blick zu, und als der junge Baron bejahend nickte, glitt ein Laecheln des Triumphes ueber das Antlitz des jungen, heissbluetigen Fuersten. In den inneren Apartements harrte der Kammerdiener Mathias Janitsch seines hohen Herrn, der sich Mantel und Degen abnehmen liess und nun zu fragen begann: "Ist's ohne Aufsehen geglueckt? Gab's Laerm?" In diskretem Fluestertone erstattete Mathias Bericht: "Es ging alles nach Wunsch und ohne einen Laut. Nur die Begleiterin schlug Laerm, doch erst, als alles laengst vorueber und verschwunden war." "Und hier?" "Wir haben Brigitte, des Silberdieners Franz Schwerer als Wartefrau, bestellt, doch wurde jegliche Hilfeleistung abgelehnt." "Mit Protest gegen den Freiheitsentzug?" "Ja, Hochfuerstliche Gnaden! Doch den Namen nannten wir nicht!" "Gut! Ich hoffe, es ist fuer alle Bequemlichkeit Fuersorge getroffen, die Stube warm, das Lager gut. Man hat mich morgen vor der siebenten Stunde Beginn zu wecken; der Hofmarschalk hat in aller Eile die Fourierzettel stellen zu lassen, auf alle Faelle soll einfouriert werden ueber Golling bis nach Kaernten." "Wollen Hochfuerstliche Gnaden selbst verreisen?" "Nein, Mathias! Jedoch soll fuer eine ploetzliche Reise alles parat sein! Du haftest mir mit deinem Kopf fuer unberuehrte Sicherheit der Dame! Du bewachst deren Thuer selbst!" "Mein gnaediger Herr moege beruhigt sein und guten Schlaf geniessen! Dero treuer Diener wird wachen und sorgen!" Eine praktische Einrichtung in der erzbischoeflichen Residenz war unzweifelhaft die Anbringung der handschriftlichen Amtsbefugnisse jeder Dienerklasse in deren betreffenden Raeumen, sodass jede Schranze ihre dienstlichen Obliegenheiten jeden Augenblick vor Augen haben konnte, vorausgesetzt, dass der Diener des Lesens kundig war. So stand im Gelass des Thuerhueters nach dem Konzept Wolf Dietrichs woertlich zu lesen[3]: "Thuerhuetter. Dess Thuerhueterss ampt ist vhor der Cammerer wartt Zimmer stetts auffzuwarten, vndt niemandt frembden ohngefragt in dass Wart Zimmer lassen, auch in allweg gutte achtung geben damitt sich ausser der adelss personen vndt ettlichen fuernemen officieren geringe vndt schlechte officier oder Diener bey hoff in die Wart Zimmer nitt eintringen sondern heraussen pleiben, undt so sehr sy wass bei einem oder dem andern in den Wart Zimmern zu thuen haben sich durch die Thuerhuetter anmelden lassen, undt sollen der Thuerhuetter zwen sein, die sollen stetts wo nitt baidt doch der ein bey den Zimmern pleiben vndt mitt einander vnderweilen abwexlen." Die Kaemmerer hatten dafuer gesorgt, dass sothane Verordnung des Fuersten gebuehrende Beachtung und strenge Befolgung fand, und niemals fehlte der Thuerhueter an seinem Platze, wenn freilich in der ersten Zeit nach dem Regierungsantritt Wolf Dietrichs es an Verstoessen nicht mangelte. Haeufige Kontrolle und Belehrung schulte aber auch dieses Personal, und so waren denn die beiden erzbischoeflichen Thuerhueter scharf darauf aus zu unterscheiden, wer von Distinktion ist und in das Wartezimmer zu den Kaemmerlingen gelassen werden duerfe. Wolf Dietrich hatte die Gewohnheit, an Wochentagen um die zehnte Stunde hervorragende Personen in Audienz zu empfangen, war aber meist ungehalten, wenn vorher Gehoer erbeten wurde. Es mochte um neun Uhr morgens sein, als Wilhelm Alt in kostbarer Kleidung, jedoch in einer Erregung im Keutschachpalast erschien, welche das Misstrauen des dienstgetreuen Thuerhueters sogleich wachrief. Zwar kannte der Mann Herrn Wilhelm Alt von Angesicht und wusste, dass Alt der reiche, wohlangesehene Kaufherr ist; jedoch dessen Aufregung, das totenblasse, uebernaechtige Gesicht, machte den Thuerhueter stutzig, ebenso das verfruehte Erscheinen, und veranlasste den Mann, Herrn Alt aufmerksam zu machen, dass die Anmeldung erst um die zehnte Stunde im Wartezimmer erfolgen koenne. Alt erwiderte barsch: "Seine Weisheit brauch' ich nicht! Zu wichtig, dringlich ist, was mit dem Fuersten ich zu reden habe! Meld' er mich augenblicklich beim Kaemmerling vom Dienst!" "Oho! Ihr moeget Euren Lehrbuben und Kaufjungen befehlen, hier gilt des gnaedigen Fuersten und Erzbischof Willen allein! Ihr habt mir gar nichts zu befehlen! Auch mach' ich Euch aufmerksam auf Reglement und Dienstordnung, so hier angeschrieben steht! Kann leicht sein, dass wir befinden, Ihr seiet bei Hof in das Wartzimmer nit einzubringen!" "Die Knochen hau' ich Ihm entzwei fuer seine Unverschaemtheit! Das fehlte noch fuerwahr, um dem Fass den Boden vollends auszuschlagen! Die Wirtschaft hier die schreit fuerwahr zum Himmel, und schlimmer kann es kaum mehr werden!" Vom Laerm angelockt, trat der Kaemmerling vom Dienst aus dem Gemach und der Anblick des zornigen Kaufherrn machte den Hoefling stutzen. Alt rief: "Meldet mich sogleich beim Erzbischof! Mein Anliegen vertraegt keine Verzoegerung! Bei Gott, ich rate zur Eile!" "Gemach, Herr Alt, und bedenkt: Ihr seid bei Hof, im Hause eines regierenden Fuersten!" "Ein netter Fuerst, in dessen Hauptstadt der Menschenraub blueht, schlimmer denn wie im welschen Reich!" Der Kaemmerer hielt es geraten, den Kaufherrn zur Beschwichtigung in das Wartezimmer zu geleiten, und in der Stube angelangt, bat er um stilles Verhalten, bis die Meldung beim Fuersten erfolgt sein wuerde. "In welchem Betreff soll ich Euch melden?" "Sagt nur: ein Vater, dem die Tochter schaendlich geraubt geworden, will fragen, ob des Fuersten Arm zur Suehne stark und lang genug sei!" Kopfschuettelnd verfuegte sich der Kaemmerer vom Dienst in die inneren Apartements. Wolf Dietrich durchmass in Erregung sein Arbeitsgemach mit eiligen Schritten und unmutig ob der Stoerung rief er dem Kaemmerling zu: "Was soll es? Ich wuensche allein zu bleiben!" "Eure Hochfuerstliche Gnaden wollen die Stoerung verzeihen! Ein aussergewoehnlicher Vorfall, Maedchenraub--der Handelsherr Wilhelm Alt--" "Dessen Eile ist begreiflich! Der Mann will wohl zu mir und ist in hohem Masse aufgeregt?" "Eure Hochfuerstlichen Gnaden aufzuwarten, ja so ist es! Wir hatten Muehe, den rabiaten Mann in Formen zu bringen, die allein den Zutritt bei Hofe ermoeglichet" "Bring mir den Mann! Je eher er zum Ausspruch kommt, desto besser. Es war ja zu erwarten!" Wenige Minuten spaeter standen sich beide Maenner gegenueber; Wolf Dietrich erschien zwergenhaft neben dem langen hageren Kaufherrn und klug nuetzte er das durch die Fenster einstroemende Tageslicht, das grell auf Alts vergraemtes Antlitz fiel und genaueste Beobachtung gestattete. Trotz seiner wilden Erregung erwies Alt die dem Fuersten gebuehrende Reverenz, aber zu einer ehrerbietigen, foermlichen Anrede konnte er sich nimmer meistern, heiser rief er: "Wo ist meine Tochter?" Kuehl erwiderte Wolf Dietrich: "Wie soll ich das wissen? Was ist geschehen, was wollt Ihr von mir?" Alt zuckte zusammen, richtete sich aber sofort wieder auf und scharf klangen seine Worte: "Ihr wisst so gut wie ich, dass Salome in vergangener Nacht von der Gasse weg entfuehrt worden ist!" "Was unterfaengt Er sich?! Vergess' Er nicht, Er stehet vor seinem Fuersten!" rief grollend Wolf Dietrich, dem das Blut heiss aufstieg. "Ich weiss, doch vermag ich laenger nicht zu meistern das Wort, zu jaeh und wild stuermt Unglueck wie die Schmach auf mich ein! Mein Kind geraubt, Herr, meine Salome! Meines Lebens Kleinod geraubt von frecher Hand eines Luestlings, den Gott verderben soll am lebendigen Leibe! Ihr seid der Fuerst und Herr im stiftschen Lande, Gerechtigkeit zu ueben seid Ihr verhalten, Euer Eid lastet darauf!" "Erst maessigt Eure Rede! In den Staub gebeugt das Knie, der Unterthan gehoert zu Fuessen seines Herrn!" "Helft mir zu meinem Kinde!" flehte der angstgepeinigte Vater. "Es wird sich alles finden zur rechten Zeit!" "Ist das des Fuersten Antwort auf die schmerzbewegte Frage? Mein Kind fordere ich von Euch!" "Er ist nicht wohl bei Sinnen?! Der Landesherr giebt keinen Buettel ab, das merk' Er sich! Und nicht laenger will mein Ohr des Frevels unerhoerte Worte mehr vernehmen!" "Was Ihr Frevel nennt, ist eines Vaters schwerste Herzensqual, die Sorge um sein Kind! Wer kann in solcher Not und Pein die Worte auf die Goldwag' legen! Was wir versucht, Salome aufzufinden, die Umfrag' bei den Tuermern, alles war vergebens. Fort ist sie nicht, mein Kind muss gefangen noch in Salzburgs Mauern weilen!" "Und deshalb verlangt Salome Ihr von mir?" Der leise Ton des Spottes reizte Alt zu neuer Wut: "Ihr wisst um Salome! Es kann kein Zweifel sein!" "Genug davon! Die Anmassung geht zu weit; uebermuetig war von je die erbgesess'ne Sippe, dort zu Augsburg das hochfahrend stolze Volk der Kraemer, und nicht viel anders Ihr und andere Pfefferhaendler in meiner Stadt Salzburg! Ich bin nicht gewillt, mir Trutz und Uebermut des laengeren bieten zu lassen, entschlossen bin ich zu aller Strenge und des Herrschers starke Hand sollt fuehlen Ihr wie alle anderen uebermuet'gen Sippen!" "Habt Gnade! Uebet Barmherzigkeit, so Gott Euch vorschreibt wie jedem seiner Priester!" "Schweigt! In solchem Munde wird entweiht ein ganzer Stand!" "Verzeiht, Herr! Wirr kreisen mir die Gedanken, die Angst und Sorge trueben mir den Sinn!" "Das merk' ich, denn unsinnig ist, was Eure Zunge plappert!" "Seid barmherzig! Nur der Hoechste im Stiftland hat die Macht, mir zu meinem Kinde zu verhelfen! Ihr seid der Landesherr, nur Ihr koennt wirksam helfen! Die Stadtbehoerde und die Polizei, sie versagen in der Wirkung!" "Ein spaet Erkennen meiner Fuerstenmacht! Sitzt die Sippschaft auf den Thalern, weiss vor Uebermut sie sich nicht zu fassen, der Machtkitzel ist in Euch zu gross. In Not und Sorge aber weiss die Sippschaft sich zu erinnern, dass ueber ihr ein Herr steht und der wird dann angebettelt. Ein unwuerdig Spiel, das da getrieben wird! Von aufrichtig ehrlicher Demut keine Spur! Sie gleichen sich allerorten die Sippen stolzer Buerger!" "Rechtet nicht in dieser Stunde! Gebraucht die Macht, Herr und Gebieter, rettet Salome! Denkt daran, wie Ihr dem Maedchen gestern habt gehuldigt!" Wolf Dietrich fluesterte: "Ein fuerstlich Weib fuerwahr, zu fuernehm fuer das Buergerpack!" "Eure Worte, ich hab' sie wohl vernommen und gemerkt, sie lauteten an Salome gerichtet: Ich sehe Euch bald wieder! Bringt dieses Wort rasch zur That, gebietet, Herr, lasst fahnden nach dem Schaender meiner Ehre!" "Ihr habt da wohl auf jedes Wort gelauert, das in Huld und Gnade der Fuerst zu richten geruhte an Salome?! Paart sich das Lauern mit dem aufgeblasenen Buergerstolz?!" "Herr, der Vater hat die heil'ge Pflicht zu wachen ueber sein Kind!" "Maehlich wird mir klar, wie in Eurem Kopf die Gedanken wirr genug sich drehen. Weil ich beim Scheiden von einem Wiedersehen sprach, muss wissen ich von naechtlicher Raeuberei und sonstigem Brigantentum! Zwingend ist Euren Verstandes Kraft just nicht! Und um ein End' zu machen: Ich habe Eure Tochter seit dem Abschied gestern abend noch mit keinem Aug' gesehen!" "Nicht gesehen!" Wilhelm Alt taumelte zurueck, trat wieder vor und suchte im Antlitz des im Schatten stehenden Fuersten zu lesen. "Nun werd' ich irr an allem! Fluch aber, dreimal Fluch dem Schaender meiner Ehre! Fluch!" Indes der gramerfuellte Kaufherr weggeleitet wurde, begab sich Wolf Dietrich durch eine Flucht von Gemaechern in jenen Teil des Keutschachhofes, dessen Zimmer, von aussen abgesperrt, Salome Alt zum Naechtigen dienten. In einem Vorzimmer harrte als Beschliesserin und Dienerin Brigitte auf Befehle des gefangenen Fraeuleins wie des Fuersten, der nun persoenlich erschien, die Dienerin aufschliessen hiess und sie zu Salome schickte mit der Anfrage, ob das Fraeulein gewillt sei, den Besuch des Fuersten anzunehmen. Die von Brigitte ueberbrachte Antwort lautete: "Eine Gefangene hat keinen Willen!" Wolf Dietrich, der auch an diesem Morgen die spanische Tracht mit dem Degen zur Seite trug, trat in das ueppig ausgestattete Gemach, worin Salome ueber Nacht gefangen gehalten war. Ein forschender Blick flog dem Maedchen entgegen, dann verbeugte sich der junge Fuerst tief und sprach: "Verzeihet, Salome, den Besuch, den Euch zu machen das Herz mir gebot!" Das Maedchen hatte sich erhoben und stand stolz abweisend inmitten des Gemaches. "Erst sprecht, Herr: Mit welchem Recht habt Ihr der Freiheit mich beraubt? Ist das ritterliche Sitte, ein Maedchen von der Gasse wegzufangen, zu morden Ehr' und guten Ruf?" Heiss wallte es auf im liebegluehenden Herzen des jungen, feurigen Fuersten, der Salome doppelt schoen fand in dieser koeniglichen Haltung des Protestes. Lebhaft erwiderte Wolf Dietrich: "Mit welchem Recht? Erlaubet mir zu sagen: Mit dem Recht der Bewunderung und Liebe, die mein Herz erfuellet, mich niederzwingt zu Euren Fuessen, mich betteln macht um Eure Gunst!" "Entweiht das Wort von heil'ger Liebe nicht! Man wirbt nicht mit Gewalt! Und ritterlicher Sinn hat allzeit Ehr' und Tugend zu schirmen! Was Ihr veruebt, ist Strassenraub und Schaendung meines Rufes!" "Seid gnaedig, Salome! Hoert mich erst, eh' Ihr mich und mein Herz verdammet!" "Ich will kein Wort vernehmen, eh' das Unrecht, die Gewaltthat Ihr gestehet und feierlich gelobet, Abbitte zu leisten meinem schwergekraenkten Vater!" "Hoert mich, Salome, und uebet Gnade, ich, der Fuerst, ich bitte Euch! Wie sollt' ich je Gelegenheit finden, Euch zu sprechen ohne Zeugen, vor Euch auszuschuetten die Gefuehle meines Herzens, wenn nicht durch Verbringung Eurer Person in ein still verschwiegen Gemach?! Nur die Hoffnung, Euch zu sprechen, hat verleitet mich zu diesem Schritt, den ich tief bereue, so er Euren Sinn verletzt!" "Der Fuerst muesst' wissen, dass eines Maedchens hoechstes Gut ist Ehr' und Ruf! Ein Wort in Ehren zu reden, braucht es nicht Raub!" "Verzeiht den uebereilten Schritt, zu dem mein heisses Fuehlen mich verleitet! Verzeiht, da ich bereue! Wollt Ihr mich hoeren nur wenn frei: offen ist der Ausgang, der Schritt ungehemmt zur Rueckkehr ins elterliche Haus! Koennt hoeren Ihr mich jetzt, so bitte ich, leiht Euer Ohr meinen Worten!" "Ihr gebt mich frei, wohlan, ich baue auf Euer fuerstlich Wort, und bin bereit zu hoeren!" "Habt Dank, Salome, und haltet mir zu Gute, was jedem andern wird gewaehrt: Begeisterung fuer Eure Schoenheit! Bezaubert von der Liebreizfuelle, hingerissen, im Banne tiefempfundner Liebe wagt' ich den Schritt und liess verbringen Euch in den Palast. Glaubt mir, nur sprechen wollt' ich Euch und bitten, zu teilen Thron und Leben fuerder mit mir! Messt mein Empfinden nicht nach kalter nord'scher Art, gedenkt, dass suedlich warmes Blut der Mediceer in meinen Adern rollt! Das Leben zu Rom war meine Schule, kunstfreudig ward das Auge mir, die Begeisterung fuer Schoenheit eingepflanzt unterm Himmel der ewigen Stadt. Meine Seele duerstet nach Verwirklichung von Pracht und Schoenheit in meiner Stadt, die Bluete Italiens soll verpflanzt werden in Salzburgs Boden, ein Rom im kleinen will ich errichten hier und ueber alles gebieten soll das schoenste Weib, das meine Augen je gesehen: Salome! Fuerstin sollt Ihr sein, angebetet und verehrt, teilen Thron und des Lebens Glueck und Ehren, Herrin ueber mich und mein Gebiet! Sprecht aus das mich beglueckende Wort, helft mir in meinen kunstbegeisterten Plaenen, gebt Eure Hand, wir bauen auf ein neues Rom im Kranze deutscher Berge! Wir halten Hof so stolz wie Frankreichs Koenig es nicht besser kann! Wir schaffen fuer des Landes Wohl und unserer Unterthanen! Ein neues Leben soll erbluehen unter unserm Szepter, ein Leben voll des reinsten Glueckes! Ich will Salzburg gross gestalten, zur Heimstatt fuer die Kunst, Pracht und Schoenheit! Kuenden soll den fernsten Geschlechtern noch, was Wolf Dietrich und Salome geschaffen! Sprecht, holde Goettin meines Lebens: Wollt teilen Ihr den Thron mit mir?" Der flammende Ton hoechster Begeisterung, die heisse Werbung hatte Salome in Erregung versetzt; der Ausblick in solche Zukunft blendete, verwirrte den Sinn und machte das Maedchen schwindeln. Hoch wogte die plastisch schone Bueste, ein Zittern lief durch den idealgebauten Koerper, ein Stoehnen entwich der erregten Brust, und wie nach Klarheit ringend, strich Salome mit der zarten Hand ueber die reine, weisse Stirne. "Es kann nicht sein! Mein Sinn ist verwirrt, Eure Rede, Herr, sie macht mich schwindeln! Es ist ein Trugbild nur, das niemals Wahrheit werden kann!" "Sagt das nicht, Koenigin meines Herzens! Ich pfaend' mein fuerstlich Wort, hier meine Hand: Goennt Ihr mir das Glueck meines Lebens an Eurer Seite, seid gehalten Ihr der Fuerstin gleich und Herrin ueber Salzburg und mein stiftisch Land!" Wie traumverloren stand Salome, eine Beute widerstrebender Gefuehle. Eine Tochter Salzburgs aus buergerlichem Hause erhoben zu Salzburgs Fuerstin, ausgeruestet mit der Machtfuelle eines Fuersten, Herrin ueber Land und Volk, reich und maechtig zu helfen den Kleinen und Armen, maechtig, Salzburg gross zu machen im Sinne des prachtliebenden Fuersten, und selbst zu handeln nach eigenen Gedanken!--"Es kann nicht sein!" "Warum? Sprecht, Salome! Ich bange um jenes Wort! Warum zoegert Ihr?" rief erregt der feurige Fuerst. "Es kann nicht sein, o Herr!--Euer Kleid--" "Wie?" "Euer Kleid soll sein des hoechsten Priesters, und der niedrigste der Geistlichen muss--unbeweibt verbleiben wie der hoechste--!" "Ich erwerbe mir Dispens! Und sollt' mir verwehrt sein, was hunderte im Klerus meines Landes ungepoent gethan?!" "So wolltet Ihr, o Herr, Euch hinwegsetzen ueber Roms Gebot, beweiben Euch? Kann entgegen einem kirchlichen Gebot die Kirche binden eine verbotene Ehe?" "Rom kann alles! Und ich bin Herr und Fuerst in meinem Lande! Ich sprech' das Machtwort und ein geistlich Untergebener hat zu gehorchen. So biet' ich meine Hand zum Ehebunde, so Ihr verlangt nach kirchlicher Trauung!" "Lasst mich zum Vater!" rief erregt Salome. "Solch' Antwort vermag ich nur als 'nein' zu deuten, und niemals kehrt Salome zu mir zurueck!" Innehaltend an der Schwelle des Gemaches, wandte sich Salome nochmals zum Fuersten und rief ihm zu: "Mein Wort zum Pfand, ich kehre wieder, um Botschaft Euch zu thun! Doch nun gewaehrt Bedenkzeit, gebt mich frei! Nur ungezwungen vermag einen Entschluss ich zu fassen!" "Ihr seid frei, Salome! Verzeiht mir Wort und That! Ich harre der Wiederkehr der--Fuerstin!" Waehrend Wolf Dietrich sich ritterlich verbeugte, schritt Salome aus dem Keutschachhofe in einem Zustande groesster seelischer Erregung, die sie auf Leute wie Gassen nicht achten liess. Sie hoerte nicht die Rufe der Ueberraschung von Buergern, die es nicht fassen konnten, das angeblich geraubte Maedchen voellig frei zu sehen. Bis Salome das vaeterliche Haus erreichte, war die Kunde ihrer Befreiung in der Stadt verbreitet, die ueberraschende Nachricht flog von Mund zu Mund und eine Flut von Mutmassungen floss nebenbei. Das Maedchen war wie im Taumel in die Arbeitsstube des Vaters im Erdgeschosse des Kaufhauses gekommen, die Betaeubung wich im Momente, da Salome das gramdurchfurchte Antlitz des Vaters erblickte, und mit einem Jubelruf eilte sie in seine Arme. "Vater, lieber Vater!" "Salome! Du wieder daheim! Grosser Gott! Mein Kind, mein Kind!" Nach der innigen, stuermischen Begruessung und Freude der Wiederkehr der verloren geglaubten Tochter geleitete Alt sein Kind in die Wohnstube hinauf. Die Bediensteten des Kaufhauses sollten nicht Zeugen der intimen Aussprache zwischen Vater und Tochter sein. Aengstlich forschenden Blickes fragte der Vater: "Ist dir kein Leids geschehen, Salome? Und wer hat gewagt, mir meine Tochter wegzufangen? Sprich, ich werde den unerhoerten Raub zu raechen wissen!" "Keine Rache, Vater! Sie ist nur Gottes allein!" "Wer hat den Frevel gewagt? Den Namen nenne, Salome, den Namen!" "Es ist mir kein Leids geschehen, mit keinem Blick, geschweige einer schlimmen That!" "Den Namen nenne! Doch nein, ich weiss ihn! Mein Verdacht war rege, eh' die Schandthat ist geschehen. Ist's auch der Fuerst selbst gewesen, er soll mir buessen und kostet es mein eigen Leben!" Salome warf sich weinend in des Vaters Arme und flehte um Milde. "Du selbst, das Opfer, willst schonen, um Milde bitten fuer den Schaender unserer Ehre? Ich fass' es nicht! Was ist geschehen, dass wirr geworden meiner Tochter sonst so heller Verstand?" Die Umarmung aufloesend, trat Wilhelm Alt zurueck, sein Blick galt forschend der Tochter, die jaeh erroetete und dann wieder erblasste. "Was soll das Farbenspiel in deinen Wangen? Mir ist raetselhaft dein Wesen! Ist verraucht dein Maedchenstolz? Haben girrende Worte deinen Sinn verderbt? Salome, dein Vater spricht mit dir, hoer' es, dein Vater, der ein heilig Anrecht hat, jetzund in dieser Stunde die Wahrheit, die reine Wahrheit zu hoeren! Du zoegerst! Heil'ger Gott, wie wird mir? Ein furchtbarer Verdacht will mein Herz beschleichen, Salome, rede Kind, bei meinem Zorn, sprich: Hat der Fuerst im span'schen Gewand der Gecken dir gar von Liebe gesprochen? Ihm saeh' es gleich! Hast du den fressend giftigen Wurm verlogener Falschheit im Herzen, bei Gott, ich reiss' ihn dir heraus! Mein Haus, mein Kind und meine Ehr' sollen unangetastet bleiben, hoerst du, und sollten beide wir zu Grunde gehen! Lieber in Ehren sterben, als--ich kann die Schmach nicht ausdenken! Ich saeh' dich lieber tot, denn in jenes Luestlings Armen!" Vor dem drohend erhobenen Arm und dem verzerrten Antlitz des Vaters wich Salome zurueck, weinend die Haende vors Gesicht geschlagen. "Ha! Das schrecklichste will wahr werden, mein Kind schweigt! So hat der Fant und sei er zehnmal Fuerst und Bischof, mit listig falscher Heuchelei den Kopf dir verdreht, das Gift ins Hirn dir gelispelt! Wehe ihm und dir! Mein Fluch--" "Haltet ein, Vater! Es ist nichts geschehen, was Euren Zorn gerecht erscheinen lassen koennte!" "Nichts? Warum dann dein betreten Schweigen? Weshalb diese Ausflucht? Sprich ehrlich das Wort, so du es vermagst! Warst du in Woelfen Dieters Haft und Gewalt?" "Ja, aber--" "Ich brauch' dein 'aber' nicht und weiss genug! Die Schande ist eingekehrt in meiner Eltern ehrwuerdig hochgehalten Haus! Der naechste Schritt fuhrt in den Pfuhl des Lasters! Raechen werd' ich diese Schmach, ich will meine Rache haben und mein--" "Vater! Ihr verdammet eine Unschuldige, rein bin ich zurueckgekehrt, makellos, und nicht meine Schuld ist's, dass der Fuerst den Schritt gethan, den reuig er mir vor wenig Stunden abgebeten!" "Die Reue eines listigen Schelmen, ha! Er wetzt die Knie und saeuselt eitel Liebe, derweil sein Sinn trachtet, die Unschuld zu verderben! Was hat er sonst gesprochen?" "Erlass mir, lieber Vater, solche Meldung! Ich weise alles ab! Wie ich mir ausbedungen, mit dem Vater erst zu sprechen, steht es mir frei, zurueckzuweisen--" "Was? Hat der Geck es gar gewagt, dich frechen Sinnes zu begehren?" Salome stand weinend, gesenkten Blickes, und sprach leise: "Ich konnt' die Red' ihm nicht verbieten, der Fuerst warb um meine Hand, er will zur Gattin mich erwaehlen und teilen Thron und Leben...." Ein schrilles Lachen unterbrach Salomes Rede, hoehnend gellenden Tones rief Wilhelm Alt: "Bravo! Um Coelibat und sonstige Vorschriften kuemmert sich der Bischof nicht, er will nur blenden eines einfaeltigen Maedchens Sinn und Herz! Er schwaetzt von Thron und Fuerstenehren! Haha, das Throenchen kann wackeln und brechen, ehnder es das Fuerstlein meint! Genug davon! Mag der Klerus draussen und bei den Bauern im Gebirg es halten, wie er will, schlimm genug ist's allenthalben, der Bischof aber hat rein zu leben, wie die Kirche es gebeut! Gattin eines Bischofs, die Welt hat dergleichen nie gesehen, und Rom wird solchen Hohn zu ahnden wissen! Ich aber geb' mein Kind nicht preis dem Spott und Hohn der Welt! Ich nicht! Niemals!" Grollend verliess Alt die Stube; in Thraenen aufgeloest, ausser sich blieb Salome allein. Wie mag dies alles enden! Und eine Frage tauchte in dem Maedchen auf, tiefbewegend, ringend nach der Antwort: Welches Gefuehl hegt das Herz fuer Wolf Dietrich? Ist es Liebe? "Ich weiss es nicht!" fluesterte Salome, "ich bin ihm gut trotz der Gewaltthat, die meinen Ruf geschaendet! O Gott, hilf mir das Rechte erkennen, zeig' mir den Weg, den ich zu gehen habe!" Salome ward maehlich ruhiger, doch Klarheit fuer ihr Beginnen fand sie nicht; je mehr sie darueber nachdachte, desto verworrener wurden die Gedanken, in welchen Licht und Schatten kunterbunt wechselten. Bald sah sie sich an des Fuersten Seite von Glanz und Reichtum umgeben, als Salzburgs Gebieterin, deren leiseste Wuensche in demuetiger Eile Erfuellung fanden, einflussreich, den Fuersten beglueckend, wirkend zum Wohle des Landes und Volkes,--und ploetzlich tauchen schwarze Schatten auf, das Auge sieht den verlassenen, tiefgebeugten Vater sterbend, das Ohr hoert seine Flueche, das Herz krampft sich zusammen. Salome stoehnte vor Schmerzen. Frueh daemmerte es an diesem Tage; draussen wirbelte ununterbrochen Schnee herab zur stillen Stadt, die der Nachwinter fest in seinem Banne hielt. Vater Alt hielt sich laenger denn sonst in den Geschaeftsraeumen auf, er schien Salome meiden zu wollen. Der Einsamkeit und Stille dankte das Maedchen, Salome scheute sich, Licht zu machen; nur heute nicht mehr vor Menschen treten muessen. Was aber wird der Morgen, was werden die naechsten Tage bringen? Soll ein "nein" den Wirren ein wohlthaetig Ende machen? Und wenn des Fuersten Antrag abgelehnt ist, wird je der strenge Vater verzeihen, Milde ueben? Wird der Schatten zwischen Vater und Tochter weichen? Und wie wird die Buergerschaft, die stolze Sippe, es halten, all' die Leute in beschraenkter Art? Wer wird es glauben, dass Salome freiwillig des Fuersten Antrag zurueckgewiesen? Wird es nicht eher heissen, sie habe sich an ihn gedraengt und sei verdientermassen weggestossen worden? Stimmen wurden im Vorraum laut, die aushorchende Salome konnte deutlich der Muhme Stimme vernehmen, und alsbald trat Frau Alt in das dunkle Gemach und rief: "Gott, wie finster ist es hier! Salome, wo steckst du? Bist du hier?" "Gleich, liebe Muhme, will ich Licht anstecken!" "Nicht doch, Maedchen! Sag' mir nur, wo du steckst, wir wollen in der Dumper (Daemmerung) plaudern! Brenn' ich doch vor Neugier zu erfahren dein Geschick! Mein Mann, der gestrenge Buergermeister, sagte vor einem Stuendchen erst die grosse Kunde, dass frei heimgekehrt ist unsere Salome! Nun konnte nichts mich im Hause halten, ich musst' zu dir! Gott sei gelobt, dass wir dich wieder haben!" Salome war der Muhme entgegengeschritten, fasste die Hand derselben, und geleitete die Buergermeisterin in den Erker zu den Truhen, die hier als Sitzplaetze dienten. "Nun erzaehle, Salome, ich, deine Muhme, hab' ein Anrecht darauf!" Mit einem Seufzer ergab sich das Maedchen in das unvermeidliche Geschick und schilderte in kurzen Umrissen die Entfuehrung in den Keutschachhof. "Also doch!" sprudelte es Frau Alt heraus. "Wie, Ihr habt es gleich vorneweg so vermutet?" "I freilich! Das war doch nicht schwer zu raten! Der Fuerst ist doch so huldvoll und gnaedig gewesen, er war ganz Feuer fuer dich, hatte nur fuer unsere Salome die Augen offen! Nein, diese hohe Ehre!" "Haltet ein, Muhme! Nennt Ihr die Entfuehrung eine Ehre, ich finde meinen Maedchenruf verletzt, und der Vater, ach, der Vater grollt und spricht von Schande!" "Der Schwager ist empfindlichen Gemuetes und nimmt alles gar zu scharf! Gewisslich waer' die Entfuehrung eine boese Sache, haett' ein Junker oder sonst ein Wicht die Hand erhoben nach unserer Salome! Doch anders ist's, da unser gnaediger Fuerst erglueht fuer dich! Das finde ich eine Auszeichnung und hohe Ehre! Denk' nur, ein Fuerst, des Erzstiftes Herr und Gebieter, der Erzbischof, entsprossen einem hochedlen Geschlecht, mit einem Kardinal verwandt, ja selbst mit Seiner Heiligkeit dem Papst! Wolf Dietrich wird ueber kurz oder lang wohl selber Kardinal, ein ritterlicher Fuerst und Herr ist er heute schon, maechtig, hohen Sinnes! Mir schwindelt, denk' ich es aus, dass wir gar mit dem Papst zu Rom koennten in Beziehung kommen!" "Was kuemmert mich der Papst!" "Sprich nicht so, Salome! Der Herr der ganzen Christenheit, dem Kaiser und Koenige sich beugen! O, wenn ich es erleben koennte!" "Was wollt Ihr erleben?" fragte ernannt das Maedchen. "Lassen wir das! Sprich und erzaehle mir lieber: Was sprach der Fuerst? Hat er dich im Palast erwartet nach dem Mahle? Ich hoffe, er zeigte sich ritterlich, wie sonst ist seine Art?!" "Er kam am andern Morgen und--o Gott, das ist es ja, was mich so ungluecklich macht und in Zerwuerfnis brachte mit dem guten Vater!" Die Muhme geriet in Aufregung, ihre Neugierde war aufs hoechste gestiegen, Frau Alt rutschte so nahe als nur moeglich hin zu Salome und drang auf eine voellige, genaue Beichte. Dem Maedchen ward es wohliges Beduerfnis, das Herz der teilnehmenden Muhme auszuschuetten, eng umschlungen hielten sich die Frauen, und Salome erzaehlte schluchzend von der Werbung Wolf Dietrichs, von seinen Plaenen und Absichten, den Thron zu teilen, das Buergermaedchen zur Fuerstin zu erheben. "O diese Ehre!" stammelte in massloser Ueberraschung die Muhme. "Der Vater nennt es eine Schande und droht mit seinem Fluch!" "Das fass' ich nicht!" "Unschluessig bin ich, nicht maechtig meines Empfindens! Der Vater ist empoert, der Fuerst als Erzbischof koenne gar nicht heiraten, sei gebunden an die Kirche und ans Coelibat! Der Papst selbst koenne da kein Machtwort sprechen, die Erlaubnis nicht erteilen!" "Der Papst kann alles und ein Fuerst sehr viel! Im Erzstift giebt es genug der Geistlichen, die sich ein Weib genommen und dennoch giltig ihres Amtes walten! Was den Kleinen erlaubt ist, kann dem Obersten nicht verwehrt bleiben! Und Wolf Dietrich gar, der ist Manns und maechtig genug, seinen eignen Weg zu gehen, der fragt nicht viel und thut nach eignem Willen! Fuerstin! Die Welt hat solche Wahl und Ehr' noch nicht gesehen! Dass ich das noch erlebe, diese Auszeichnung! Du hast doch dankbar eingewilligt? O, das soll eine fuernehme Hochzeit werden! Traun, mir wird heiss im Kopf, ich die Buergermeisterin verwandt mit Salzburgs Fuerstin! Bersten werden die Weiber vor Neid! Sprich, Salome, was hast du dem Fuersten gesagt auf seine Werbung?" "Ich weiss ja selbst nicht, wie mir ist! Bedenkzeit erbat ich, als der Fuerst mich freigegeben, mich heimkehren liess, ins vaeterliche Haus!" "Hast du mit dem Vater alles schon besprochen?" "Er will von solchem Hohn und Spott nichts weiter hoeren, niemals will er einwilligen und statt des Segens wird er geben seinen Fluch! O, wie bin ich ungluecklich! Doch lieber sag' ich 'nein' und weise des Fuersten Werbung ab! Es kann kein Segen sein, so der Vater flucht!" "Nur keine Uebereilung, Kind! Lass' nur mich mit dem Schwaher reden! Ich treibe ihm die schlimmen Gedanken schon aus und setze ihm die Sache klar ins richtige Licht! Auf jedem Fall lass du aber dem Fuersten wissen, dass du seine Werbung annimmst in Dankbarkeit und schuldiger Ehrfurcht, verbanden?!" "Ich bin mir nicht klar, ist's Liebe! Ich bin dem Fuersten gut, doch fuehl' ich kein Stuermen und Draengen im Herzen!" "Das braucht es auch gar nicht! Du wirst Fuerstin, das ist nach meiner Meinung die Hauptsache. Meine Nichte Salzburgs Fuerstin! Wie stolz das klingt! Die Sache wird gemacht, ich, die Buergermeisterin werde diese Angelegenheit durchfuehren, und ich dulde keinen Widerspruch. Bin ich mit meinem Manne fertig geworden, zwing' ich auch den stoerrischen Schwaher! Ich will verwandt werden mit dem Fuersten! Also gehorchst du, suesses Taeubchen, mir, und befolgst meine Anordnungen." "Ja, gute Muhme! Wenn es nur einen guten Ausgang nimmt! Ich fuerchte mich vor dem gestrengen Vater!" Zum Abschied versprach Frau Alt mit dem Schwager ein ernstes Wort zu reden. Ueber die Werbung sollte jedoch einstweilen tiefes Schweigen beobachtet werden, damit die spaetere, ploetzliche Verlobung um so staerker auf Salzburgs Frauen wirken koenne und muesse. Bald nach dem Weggang der Muhme liess Herr Alt der Tochter sagen, dass er den Abend auswaerts verbringen und demgemaess nicht zu Tisch kommen werde. Salome fuehlte es nur zu deutlich heraus, dass der Vater absichtlich das eigene Kind meidet, und bitter empfand dies das Maedchen. Wenn sich die Buergermeisterin noch niemals in ihren Erwartungen und Berechnungen betrogen sah, die Ansprache mit dem Schwager brachte statt des erhofften Sieges eine grimmige Niederlage, die eine verzweifelte Aehnlichkeit mit einem Hausverweis hatte. Wilhelm Alt verbat sich jede wie immer geartete Einmischung in seine Familienverhaeltnisse, nannte die Schwaegerin schlankweg eine gewissenlose Kupplerin, die so rasch als moeglich die Thuere von aussen zumachen und niemals wiederkehren moege. Tief beleidigt, racheduerstend rauschte die Muhme aus dem Hause des Kaufherrn, und in den naechsten Stunden wussten Salzburgs Buergerkreise bereits von der ehrenvollen Werbung Wolf Dietrichs um Salomes Hand. Zugleich ward der Buergermeister derart bearbeitet, dass er, gegen seinen Willen, der Werbung in seiner Eigenschaft als Ohm zustimmte und damit den Bruder in eine schiefe, durchaus nicht beneidenswerte Lage brachte. Wilhelm Alt konnte das Getuschel nicht verborgen bleiben; man sprach im Trinkhause von der unglaublichen Kunde, die natuerlich mit der Entfuehrung in Zusammenhang gebracht wurde, es fielen Aeusserungen, mehr minder verhuellt, die dem ehrlichen, stolzen Kaufherrn das Blut in Wangen und Kopf jagten. Ein Dreinfahren hatte wenig Erfolg, die Spoetter und Verleumder leugneten und logen, um sich hinterher erst recht ueber den nach ihrer Meinung scheinheiligen Verkuppler des eigenen Kindes lustig zu machen und zu berechnen, wieviel der Fuerst wohl fuer den Handel an den Kraemer werde bezahlt haben. Im Innersten verletzt, grollend, sich und sein Kind verfluchend zog sich Wilhelm Alt in sein Haus zurueck und mied zugleich jeglichen Verkehr mit Salome, die er nun als Urheberin dieser Schande hasste und zu beseitigen trachtete, bevor der verhaengnisvolle Schritt einer Allianz mit dem Fuersten zur That werden koenne. Zu diesem Behufe setzte sich Wilhelm Alt mit dem Nonnenkloster auf Frauenchiemsee in Verbindung, das gegen Entgelt Salome aufnehmen und spaeter einkleiden sollte. Einstweilen jedoch wurde Salome im Vaterhause einer Gefangenen gleich gehalten und schaerfstens ueberwacht, auf dass eine Botschaft weder hereindringen noch hinauskommen konnte. An die Rache der Schwaegerin dachte Alt nicht weiter, wie ihn ja sein Leben lang Weibergeschwaetz kalt gelassen hat. Die Muhme aber in ihrer Auffassung von der Verbindung Salomes mit dem Fuersten Wolf Dietrich und rachegluehend bereit, ihren Willen gegen den des Schwagers durchzusetzen, liess den Erzbischof wissen, dass die Buergermeister Altsche Familie wie Salome mit den Plaenen Seiner Hochfuerstlichen Gnaden einverstanden sei, und dass der gnaedige Herr Schritte gegen die zweifellos drohende Verbringung des Maedchens in ein auswaertiges Kloster thun moege. In seiner Leidenschaft fuer die schoene Salome, deren Besitz der junge, weltlich gesinnte Kirchenfuerst heiss begehrte, konnte Wolf Dietrich die Beihilfe der Muhme nur freudigst begruessen; die Mitteilungen der Buergermeisterin erklaerten auch zur Genuege, weshalb von Salome kein Lebenszeichen in die Residenz gelangt war. Einen Mann von der Thatkraft eines Wolf Dietrich musste die Information von einer Unschaedlichmachung des geliebten Maedchens bei lebendigem Leibe zu Gewaltthaten geradezu auffordern und der heissbluetige Fuerst ging denn auch sofort daran, Herrn Wilhelm Alt mit Gewalt Schach zu bieten. Das Haus des Kaufherrn wurde von Dienern des Fuersten bewacht, Bewaffnete lauerten Tag und Nacht in der Naehe verborgen, und ebenso lag eine Abteilung der erzbischoeflichen Miliz auf der Strasse nach Teisendorf mit dem Auftrage, jeden Wagen oder sonstigen Transport aufzuhalten und nach dem Fraeulein zu suchen, das gegebenen Falles unter Bedeckung ins fuerstliche Palais zu verbringen sei. Nach solchen Anordnungen konnte eine abermalige Gefangennahme Salomes kaum misslingen; es muesste denn sein, dass das Fraeulein auf dem Wege nach Golling ins Gebirge oder ueber Berchtesgaden verschleppt werden wuerde. Daran dachte Wolf Dietrich eines Tages und in wenigen Stunden waren auch diese Fluchtrichtungen mit Mannschaften belegt. Nun hiess es warten, und heissbluetige Menschen warten nicht gerne. In seiner Ungeduld, neue Kunde ueber das geliebte Maedchen zu erfahren, liess Wolf Dietrich Frau Alt zu sich bitten und stellte ihr auch gleich eine Saenfte, die vor dem Hause der Altschen Familie warten musste, zur Verfuegung. Diese Einladung an den Fuerstlichen Hof brachte die Buergermeisterin schier um den Verstand und nur Stolz und Eitelkeit verhinderten eine Geistestruebung. Mit einer ihr selbst unbegreifliche Schnelligkeit kleidete sich Frau Alt in ihr bestes Galagewand, legte an Schmuck an, was sie ueberhaupt besass, und so ueberladen mit Tand und Schaetzen stieg sie pfauenstolz in die Saenfte, huldvoll die gaffenden Leute auf der Gasse durch Haendewinken gruessend und sich selber vormurmelnd: "Ich komme zu Hof, ich komme zu Hof!" Viel Etikettumstaende beim Empfang wurden zur Enttaeuschung der Buergermeisterin nun freilich nicht gemacht, denn der ungeduldige Fuerst hatte ausdruecklich befohlen, die Dame sogleich in das Empfangszimmer zu bringen. Immerhin walteten die Thuersteher und der Kaemmerling vom Dienst getreulich ihres Amtes und deren Grinsen hinterdrein konnte die ueberglueckliche Frau nicht sehen. In spanischer Rittertracht empfing Wolf Dietrich die heranrauschende Buergermeisterin, muehsam den Lachreiz niederkaempfend, liebenswuerdig und galant, so dass Frau Alt wie in einem Himmel zu sein waehnte und strahlend vor Vergnuegen sich in einen wappengeschmueckten Stuhl fallen liess. Auf einen Wink entfernte sich der Kaemmerling, und nun sprach der junge Fuerst: "Ich habe Euch zu mir bitten lassen in der Meinung, dass Ihr mir neue Kunde geben koennt von Salome! Fuer Eure mich erfreuende Unterstuetzung meiner Plaene sage ich Euch meinen Dank und gebe mein fuerstlich Wort, dass es an Anerkennung und Lohn nicht werde fehlen, so ich zum Ziel gelange. Nun sprecht: Was sind die Absichten des hartkoepfigen Pfefferkraemers?" Frau Alt zuckte bei diesem Wort zusammen, der Ausdruck verletzte doch in etwas den Sippenstolz, und hastig erwiderte die Buergermeisterin: "Euer Fuerstlichen Gnaden mit Verlaubnis! Mein Herr Schwaher ist Kaufherr und handelt meines Wissens nicht mit Pfeffer!" "Mi perdoni! Ich wusste das nicht und wollte auch keineswegs etwa eine Geringschaetzung verueben, was undenkbar waere, so ich gerne mit des Kaufherrn Schwaeherin und Muhme der schoenen Salome spreche!" Geschmeichelt dankte Frau Alt und versicherte dann den Fuersten ihrer Ergebenheit und Bereitwilligkeit, ihm zu dienen, nicht in der Hoffnung auf irdischen Lohn, sondern zur Erwerbung paepstlicher Anerkennung. "Wie das? Was meint Ihr?" fragte einigermassen ueberrascht Wolf Dietrich und liess den Degenknauf los, auf den sich seine linke Hand bisher gestuetzt hatte. "Hochfuerstliche Gnaden wollen geruhen, meine Beichte entgegenzunehmen!" "O non, o non!" wehrte Wolf Dietrich ab in irrtuemlicher Auffassung des Ausdruckes, "zum Beichtigen nehmet nur den Priester, so Ihr fuer gewoehnlich konfiterieret!" "Ich meine nicht die kirchliche Beichte, gnaediger Herr! Ich moechte nur demuetig vorbringen, dass gerne ich Euer Gnaden willfaehrig bin und mich gluecklich schaetze, so Hochdero sich mit unserer Salome verbinden! Was hiezu ich thun kann, wird geschehen! Als Lohn moecht' ich mir etwas erbitten, was Euer Fuerstliche Gnaden nur ein gutes Wort fuer Hochdero unterthaenigste Dienerin in Rom kostet!" "Nur ein Wort? Wie lautet dieses Wort?" "Meine hoechste Seligkeit waere ein paepstlicher Segen Seiner Heiligkeit, aber ganz alleinig fuer mich gespendet; es darf niemand anderes daran teilhaben, bloss ich allein!" Ein spoettisches Laecheln huschte ueber die Lippen Wolf Dietrichs, dann sprach der Fuerst freundlich herablassend: "Sothaner Wunsch ehret Euch und soll propagieret werden, sofern Ihr mir eine frumbe willfaehrige Dienerin bleibet! Doch nun ad rem: Wisst Neues Ihr von Salome?" "Das Maedchen ist gehalten in strenger Haft des eigensinnigen Vaters, es ist selbst mir nicht moeglich, zu Salome zu gelangen. Nur von der Dienerschaft konnte ich erfahren, dass in Baelde schon der Schwaher selbst, der Grausame, das liebliche Kind verbringen will in Klostermauern! Denkt nur, gnaediger Herr, ein lieblich Kind, unsere schoene Salome, die schoenste Maid wohl von ganz Salzburg und im stiftschen Land soll in die Kutte gesteckt und Nonne werden fuer Lebenszeit!" "Das werd' ich zu verhueten wissen! Das Fraeulein will ich fuer mich, und Purpur und Hermelin soll Salomes Kleidung sein, nicht die Klosterkutte!" "O, habt Dank, gnaediger Herr, fuer solche Rettung! Wohl bin ich sehr bedacht auf Seelenheil und frumben Wandel, doch Salome seh' ich lieber in fuerstlichem Gewande!" "Auch ich!" huestelte Wolf Dietrich belustigt. "Ich moechte Euer Hochfuerstliche Gnaden bitten, dem blutduerstigen Rabenvater Mores zu lehren!" "Das soll prompt geschehen! Ihr koennt darob beruhigt sein! Wann Salome aus meiner Stadt verbracht wird, ist Euch nicht genau bekannt?" "Es soll nicht laenger mehr waehren, vielleicht noch einige Tage, bis besser wird und trocken der Weg." "Und wohin?" "Das weiss ich nicht zu sagen! Mich deucht, der Schwaher denkt an Chiemsee, doch hat der Kaufherr vielfach Gefreundschaft auch in Kaernten und hinab ins Welschland!" "Ihr steht nicht mehr im Verkehr mit Wilhelm Alt?" "Der Dickkopf nannt' eine Kupplerin mich, die ehrsame frumbe Buergermeisterin, und verwies mir das Haus! Kann es groessere Undankbarkeit wohl auf Erden geben!" "Nein, gewiss nicht! Ein 'undankbarer' Mensch, dieser Wilhelm Alt!" sprach ironisch der Fuerst und seine Augen lachten vergnuegt dazu. auf Seelenheil und frumben Wandel! Ich will ja nur Salomens Glueck und nebstbei bin auch ich geehrt, [Transkriptionsanmerkung: Dieser Absatz scheint keinen Sinn zu machen, ist aber 1:1 aus dem Original uebernommen] "Als wenn ich kuppeln wollt', ich, die so viel haelt wenn meine Nichte Fuerstin ist!" "Kein Zweifel, eine grosse Ehre sothane Liaison!" Nun wollte Frau Alt auf den Stadtklatsch uebergehen, doch Wolf Dietrichs Geduld war bereits erschoepft, es interessierte ihn nicht im geringsten, was die Sippen ueber ihn und seine Liebe zu Salome sagen, und die laengere Anwesenheit der alten Schwaetzerin ward dem Fuersten laestig. Er gab ein Glockenzeichen, verneigte sich etwas vor der in die Hoehe fahrenden Dame und gab Befehl, die Frau Buergermeisterin hinauszugeleiten. Verdutzt, in einem Gefuehle, aus dem Himmel in einen Sumpf gefallen zu sein, folgte Frau Alt dem hoeflichen und doch spoettischen Kaemmerling, die Glueckseligkeit der Fuerstenaudienz war zu Ende, so gruendlich vorbei, dass Frau Alt unten keine Saenfte mehr vorfand und geaergert durch das Schneewasser auf Salzburgs Katzenkopfpflaster heimtrippeln musste. "Sind doch das launische Leute, diese Fuersten!" zischte die vergraemte Frau und huepfte kroetengleich ueber die Wasserlachen, bis sie tropfnass in den Fuessen endlich das Heim erreichte. Unertraeglich war Salome die einsame Haft im Elternhause geworden, das Maedchen litt schwer, die Isolierung verbitterte das Gemuet und bewirkte maehlich, dass Salome im Drang nach Freiheit nur im Fuersten allein den Retter ihres Lebens zu erblicken begann und sich nach Wolf Dietrichs beglueckend suessen Worten sehnte. Speise und Trank ward der Gefangenen wohl vom Hausmaedchen, der blondzoepfigen Klara ins Gemach verbracht, doch war vom Vater der Magd unter schwerer Bedrohung jegliches Sprechen mit Salome verboten worden. Einige Tage hielt dieses Gebot stand, dann aber, von herzlichstem Mitleid erfasst, vermochte Klara dem Flehen Salomens nicht mehr zu widerstehen, die Magd gab fluesternd Red' und Antwort auf die hastigen Fragen und erzaehlte, dass die Muhme beim Fuersten in Audienz empfangen worden und in der Stadt die Kunde von der Verlobung allgemein verbreitet sei. Salome schrie auf vor Schreck und Wonne zugleich, dann aber bestuermte sie die Magd um weitere Nachrichten bezueglich der etwa bekannt gewordenen Plaene des hartherzigen Vaters. Aengstlich wehrte Klara ab und bedeutete dem Fraeulein durch eine Geste, dass ein laermend Wort den Gebieter herbeifuehren und Strafe bringen muesste. Das Essgeschirr zusammenraffend, fluesterte die Magd: "Ein Wagen soll Euch morgen in frueher Stund' nach Frauenchiemsee bringen, vom Hausknecht habe ich's erfahren!" "Grosser Gott, das schrecklichste steht mir bevor! Doch niemals werd' ich eine Nonne! Hilf mir zur Flucht, Klara, ich will dir's lohnen fuer dein ganzes Leben!" "Still! Ich hoere Schritte! Zum Abend will ich wiederkommen!" Geraeuschlos entfernte sich die Magd. Eine Weile horchte und harrte Salome; doch als alles still, totenstill um sie blieb, begann sie mit dem Gedanken einer Flucht aus dem Elternhause sich vertraut zu machen. Mag kommen was immer wolle, das Leben als Gefangene im Elternhause, vom Vater verachtet, einer Aussaetzigen gleich behandelt, ist ebenso schrecklich wie die Gewissheit, die Zukunft zwangsweise im Nonnenkloster verbringen zu muessen. Salome empfand ein Gefuehl der Dankbarkeit fuer die Muhme und deren Vermittelung beim Fuersten, das Maedchen hofft auf ein Eingreifen, auf Rettung durch Wolf Dietrichs Hand, und einmal befreit, soll dem Fuersten zeitlebens inniger, hingebender Dank dargebracht werden. In trostloser Oede vergingen quaelend langsam die Stunden, bis zum Abend Klara wieder erschien und vermeldete, dass Herr Alt ausgegangen sei, mutmasslich, um fuer morgen das Fuhrwerk und Mannschaft zur Bedeckung zu bestellen. Alle Spannkraft erwachte in Salome, sie beschwor Klara um Hilfe zur Flucht und versprach, die Magd sogleich mit sich zu nehmen in den Keutschachhof. Einmal dort, sei Herrin wie Dienerin sicher vor dem strafenden Arm des Vaters und Herrn, der Fuerst werde beide zu schuetzen wissen. Der Vorschlag leuchtete der abenteuerlichen Magd wohl ein, doch erklaerte Klara, so rasch nicht ihre Habe, so klein sie auch sei, packen und fortschaffen zu koennen. Salome bedeutete dem Hausmaedchen, dass es unnoetig sei, auch nur das Geringste von den Habseligkeiten mitzunehmen; es werde alles hundertfach und neu ersetzt, wie ja auch Salome nichts mitnehme, als was sie am Leibe trage. "Koennt Ihr denn so viel Geld mitnehmen?" fragte Klara. Salome erroetete und fluesterte: "Ich nehme nichts mit! Der gnaedige Fuerst wird fuer uns beide Sorge tragen! Nur fort ehe der Vater wiederkehrt!" Nun war die Magd auch hierueber beruhigt; Klara schlich hinunter, gab ein Zeichen, und Salome folgte. Zwischen den Kisten im Hausflur sich hindurchwindend konnte man dem Eichenportale naeher kommen. Doch dieses selbst erwies sich festverschlossen, die Flucht schien vereitelt und nach rueckwaerts giebt es keinen Ausweg. Peitschenknall ertoente draussen in der Gasse, ein schweres Fuhrwerk droehnte krachend und prasselnd vor dem Kaufhause, und alsbald ward es lebendig. Schnell huschten die Maedchen hinter die Kisten. Komptoiristen und Knechte kamen mit Laternen herbei, schimpfend ueber die arg verspaetete Ankunft des Gollinger Boten. Dieser entschuldigte sich mit dem schlechten Zustand der Strasse und drang auf rasche Abladung, wasmassen seine Rosse schwitzen und in den Stall kommen muessten. Bei truebem Laternenschein ward das Portal aufgeschlossen, und die schwere Last von Frachtguetern aus dem Sueden wurde abgeladen. Aus Unachtsamkeit stiess einer der Knechte die Laterne um, das Licht verloeschte, es ward stockdunkel im Flur wie auf der Gasse. Waehrend die Knechte schimpften und nach Licht riefen, huschte Klara, der Salome auf dem Fusse folgte, durchs Portal und von der Dunkelheit geschuetzt flohen beide laengs den Haeusern die Gasse hinauf und verschwanden um die erste Ecke. III. Ein linder Fruehling war dem langen, hartnaeckig um sein Recht kaempfenden Winter gefolgt, weiche, warme Lueste wehten, der Foehn hatte schneller als sonst den letzten Schnee von den Salzburger Bergen verjagt. In den Thaelern gruente und spross es aufs neue, die Auen prangten im frischen Lenzeskleid wie die Matten, und nur die Wogen der hochgehenden Salzach bezeugten durch ihr schlammfarbiges Wasser, dass es tief drinnen im Hochgebirge nicht ohne Sturm und Regen Fruehling geworden. Im schmalen Salzachthal, das eingeengt ist durch die Prallwaende des gigantischen Tennengebirges und westwaerts von dem Felsgewirr des Hagengebirges, erhebt sich ein Steinhuegel, auf welchem eine alte Veste thront, Hohenwerfen genannt, eine Zwingburg der salzburgischen Landesherren, im 11. Jahrhundert trutzfest erbaut, und neuerlich bewehrt von Wolf Dietrich im Anfang seiner Regierung, auf dass sie dem Fuersten zum Schutz diene gleich Hohensalzburg in etwaigen Kriegsfaellen. Die linde Fruehlingszeit hatte den jungen Landesherrn verlockt mit ihrem balsamischen Odem, der ihn so sehr an die weichen Luefte Italiens gemahnte. Wolf Dietrich war, seinem lebhaften Temperament folgend, urploetzlich nach Werfen ausgebrochen, und so sass er nun im bequemen Hausgewand, das aber durch reiche Pelzverbraemung immer noch an fuerstlichen Prunk gemahnte, in einer Art Loggia, die auf sein Geheiss in einem Wehrturm der obersten Burgmauer eingebaut worden war, und liess zeitweilig den Blick schweifen hinueber in das Felsgewirr der wuchtigen Mauer des Tennengebirges und dann wieder hinab in das gruene Salzachthal. Fuer eine Weile blieben die vor ihm auf dem Eichentische liegenden Blaetter, Briefe des Astronomen Tycho Brahe, mit welchem Gelehrten Wolf Dietrich in schriftlichem Verkehr stand, unbeachtet; ein Traeumen ist's mit offenen Augen, ein willig Hingeben einem wohligen Gefuehle errungenen Glueckes, und ein zufriedenes Laecheln zeigte sich auf den Lippen, so der Fuerst im winzigen Ziergaertchen, das zwischen der Umfassungsmauer und dem eigentlichen Burggebaeude eingebettet lag, der schlanken, liebreizenden Gestalt Salomes ansichtig ward. Die schoene Salome liebkoste manche Bluetenknospe, eine herrlich erbluehte Blume selbst unter den Bluemelein des Gaertchens, und ihre weiche Hand strich sanft ueber eine halberbluehte Heckenrose, deren Wurzel lieber im bruechigen Gemaeuer zu wurzeln schien, denn in der ueppigen Gartenerde. Mitten im taendelnden Spiel und Kosen hielt Salome inne, die halboffene Bluete schien sie an etwas zu gemahnen; das glueckliche Laecheln erstarb, die Stirn umduesterte sich, das suesse Wangenrot verblasste. Die bebende Hand brach das Heckenroeslein ab, ein Dorn riss ein, und ein Troepflein rotwarmes Blut zeigte sich am verletzten Finger. Ein leiser Schrei drang zu Wolf Dietrich und liess ihn aufblicken, der Fuerst gewahrte die Veraenderung in Salomens Wesen sogleich, und besorgt rief er, sich ueber die Loggienbruestung beugend, hinunter, nach der Ursache der Verstoertheit fragend. Jaeh ergluehte Salome, und winkte hinauf mit einer Geste, die besagen wollte, dass nichts von Belang sich ereignet habe. Doch der lebhafte Fuerst liess sich damit nicht beschwichtigen, er verliess sogleich die Loggia und nach wenigen, weitausholenden Schritten war er bei Salome. "Was ist dir, Carissima? Hat ein Dorn dich verletzt? Wer Rosen pflueckt, darf der Dornen nicht achten! Komm, meines Lebens Licht und Wonne, wir wollen die Wunde verbinden!" "Nicht doch, mein gnaediger Herr! Ein Mahnen war es, das ploetzlich mich verschreckte!" "Ein Mahnen? Was sollt' es sein?" "Ja, ein Mahnen, gnaediger Gebieter! Beim Anblick dieses halberbluehten Roesleins fuhr die Gemahnung mir durch den Sinn, dass ich wohl selbst nichts anders bin denn diese kaum erbluehte, schlichte Blume...." "Ein suess Gebild, der Blumen herrlichste ist meine Salome!" schmeichelte der galante Fuerst. "Nicht so, o Herr und Gebieter, ist's gemeint! Ein Heckenroeslein nur, die wilde Rose, wie sie waechst in Rain und Wald, entbehrend der foerdernden Hand--" "Auch solche Blume hat doch ihren Reiz, ist schoen in ihrer Schlichtheit!" "Doch niemals wird sie eine Edelrose!" Der klagende Ton fiel dem Fuersten auf, weich sprach Wolf Dietrich: "Graeme dich nicht darob, es muss auch wilde Rosen geben!" Ein Seufzer entwich der bewegten Brust des Maedchens. "Was ist dir nur, Geliebte?" "Das Mahnen ist's, das Schmerz mir bringt in meine Brust; nie wird das Heckenroeslein eine Edelrose, und so erblick' ich meine Zukunft!" "Scheuch solche Gedanken nur von hinnen, Geliebte! Du bist mein alles, meines Lebens Wonne! Nie werd' ich von dir lassen! Die Sorg' um dich ist meines Daseins oberstes Gesetz!" "Steckt dieses Heckenroeslein in die beste Erde, pflegt und betreuet sie, eine Edelrose wird es niemals werden!" "Geliebte! Was soll dies Wortspiel in der Wiederholung? Du bist an meiner Seite einer Fuerstin gleich--" "Doch niemals ebenbuertig und des Segens entbehrt unser Bund! Eine Zuflucht fand ich in Eurem gastlich Haus und bin nichts anderes denn ein Gast, dem gesetzt ist immer die bestimmte Zeit!" "Salome! Ich bitte, jag' die trueben Gedanken weg! Nur froh und gluecklich will meine Herzenskoenigin ich wissen, ein zufrieden suesses Laecheln als Zierde sehen auf deinen Rosenlippen! Nur keine Schatten und des Grames Falten, die hass' ich und will verbannt sie wissen aus meinem Leben!" "Verzeiht mir, gnaediger Gebieter! Nicht will ich Unmut Euch bereiten, aufheitern Euch und verschoenern gern das Leben! Doch erhoeret, Herr, auch meine Bitte: Gebt unserem Bund die Weihe, die gewaehrt ist dem aermsten Paar von Euren Unterthanen!" Eine Falte zeigte sich in des Fuersten Stirne und Unmut auf den zur Antwort leicht geoeffneten Lippen. Doch ehe Wolf Dietrich Antwort gab auf die flehentliche Bitte des schoenen Maedchens, kam der Kaemmerling heran, der unter einer tiefen Verbeugung meldete, dass der Dechant von Werfen Seiner Hochfuerstlichen Gnaden unterthaenigste Aufwartung zu machen erschienen sei und im Audienzzimmer harre des gnaedigen Empfanges. "Soll warten! Ich komme alsbald!" erwiderte der Fuerst, und geleitete Salome in die Burg. Erst vertauschte Wolf Dietrich unter Beihilfe des Kammerdieners Mathias das Hausgewand mit der spanischen Ritterstracht, doch nahm der junge Gebieter den stolzen Federhut nicht mit, als er dann unter Vorantritt von Pagen und dem Kaemmerer sich in das Audienzgemach begab. Der harrende Dechant war eine hagere, mittelgrosse Gestalt mit strengen Zuegen im scharfgeschnittenen Gesicht, grauen Augen, kurz geschorenem Haupthaar, ein Mann von Gemessenheit, erfuellt vom Gedanken an priesterliche Wuerde und Pflichttreue; dabei schien die ganze hagere Gestalt die Verkoerperung eines eisenstarken Willens, einer Unbeugsamkeit in allen Dingen zu sein. Beim Eintritt des Fuersten und Erzbischofs wich in des Pfarrherrn Auge die Eiseskaelte und Starrheit, die Lippen oeffneten sich, ohne einen Laut durchzulassen, grenzenlose Ueberraschung bekundete die vorgebeugte Haltung des Koerpers und die ausgespreizten Finger beider Haende. Einen Kirchenfuersten in spanischer, weltlicher Rittertracht hat der Dechant noch nicht gesehen und eher des Himmels Einsturz erwartet, als Salzburgs Erzbischof in solcher Gewandung zu erblicken. So stand der Pfarrer fassungslos und schluckte, er brachte nur das "salve" heraus, alles andere der lateinischen Ansprache blieb im Halse stecken. Die gute Laune Wolf Dietrichs, der ungemein empfindlich in Etiketteangelegenheit und rasch verletzt in seinem Herrschergefuehle war, wich augenblicklich bei solch' respektloser Haltung eines Unterthanen, der ganze Hochmut kam zum Ausdruck, als der Fuerst hoehnend, ja aetzend scharf rief: "Kaemmerling, bring' Er dem Bauerpfarrer hoefische Sitte bei und lehr' Er ihm, dass man den gnaedigsten Landesherrn nicht mit 'salve' begruesst, den Fuersten auch nicht angafft!" Die verletzend scharfe Lektion hatte bei dem aeltlichen Pfarrer keineswegs die erwartete Wirkung; statt etwa vor dem Landesherrn und hoechsten kirchlichen Vorgesetzten huldigend das Knie zu beugen, richtete sich der asketische Dechant auf und blickte fest auf den zornigen, kleinen Fuersten. Kalt sprach der Pfarrherr: "Mit gnaediger Verlaubnis! Einer Lektion von Hoeflingen bedarf es nicht, ein Priester Roms weiss Ehrerbietung und schuldigen Gehorsam zu bekunden seinem hochwuerdigsten Erzbischof!" Wolf Dietrich stutzte unwillkuerlich, die Gemessenheit wie Kuehnheit dieser Ansprache liess ihn ahnen, dass dieser Pfarrer doch anders geartet sein duerfte, als es sonst um jene Zeit der Landklerus war; ein Niederschmettern schien hier nicht opportun zu sein, wiewohl das aufbrausende Temperament des Fuersten hierzu treiben wollte. Immerhin kehrte Wolf Dietrich die hochfahrende Seite heraus in der Erwiderung: "Es wird sich zeigen, was Er weiss und wie es bestellt--mit dem schuldigen Gehorsam!" Zugleich winkte der Fuerst den Begleitern, sich zu entfernen. Auge in Auge standen sich Erzbischof und Pfarrer gegenueber; letzterer an Haltung, Antlitz und Kleidung sofort als Priester erkennbar. Wolf Dietrich stuetzte die Linke auf den Degenknauf, waehrend seine Rechte das Schnurrbaertchen aufzuzwirbeln begann. Ungeduldig klang sein "Nun?" "Euer erzbischoefliche Gnaden...." "Man tituliert mich: Hochfuerstliche Gnaden!" "Euer erzbischoefliche Gnaden wollen meiner Ueberraschung, ja Verblueffung zu Gute halten, dass mir die schuldige ehrerbietige Ansprache stecken blieb in der Kehle! Den hochwuerdigsten Erzbischof glaubt' ich im kirchlichen Ornat erblicken und erwarten zu duerfen...." "Ich kleide mich nach meiner Wahl und kann der Meinung Untergebener und Unterthanen allezeit entbehren! Was will Er?" "Euer erzbischoeflichen Gnaden wollt' schuldige Aufwartung ich erstatten, wasmassen Hochdieselben Aufenthalt genommen in meinem Pfarrsprengel." "Das ist Seine Pflicht und Schuldigkeit und haette vor Tagen schon geschehen koennen. Ihm fehlt es wohl nicht an Zeit, dafuer an Verstaendnis hoefischer Sitte wie an schuldiger Unterwuerfigkeit! Merk' Er sich solche Lehre! Und nun bericht' Er ueber Stand und Verhaeltnis seiner Pfarre!" "Es ist viel des Ueblen dem hochwuerdigsten Oberhirten zu referieren, wenig des Guten! Auch in diesseitigem Pfarrsprengel tauchen Kalixtiner[4] immer wieder auf, so streng auch dagegen eingeschritten wurde." "Das wird in specie noch zu regeln sein! Wie steht es mit dem Klerus?" "In einigen exemplis kann ich guter Antwort sein. In loco ist ein gehorsamb Volk, meine Gsellpriester (Hilfsgeistliche) fleissig, einer davon de sacramentis omnino pie sentit, de vita nulla hic est querela. Mein benachbarter Amtsbruder predigt fleissig von der Mess', hat ein frumb Voelkel, braucht katholische Buecher, auch in der Fasten Nachmittag, hat so lang er Priester ist, keine Koechin, haust mit seiner Schwester. Auch einige andere Thalpfarrer leben ohne Konkubinen. Aber schlimmer ist's im Gebirg, die Expositi und Kuraten wollen nicht ablassen, besonders der Kurat von Skt. Jodok in der Einoede ist renitent, reif zum davonjagen cum infamia, conjugatus est...." "Wer ist das?" "Der Kurat von Skt. Jodok in der Einoede, an die 70 Jahre alt und verheiratet, horribile dictu. Eine himmelschreiende Schande fuer meinen Sprengel! Ich aber leid' es laenger nicht und muesst' ich nochmal Gewalt gebrauchen! Verjagt hab' ich des Frevlers laesterliches Weib, hinausgepruegelt aus dem Widum! Und bei der letzten Visitation, die unvermutet ich vorgenommen, fand ich das alte Kebsweib wieder vor! Herr Erzbischof, werdet hart, gebt was der Kirche ist und fahret mit strengem Arm dazwischen, reiniget, fegt sie hinaus, die schaenden unsern Stand! Vernichtet und vertilgt die Frevler gegen Coelibat und sonstige Vorschrift! Greift ein, fest und bald, beseitigt die Quelle und Ursache der geistlichen Entartung unserer schrecklichen Zeit, so da ist die scientivische Unfaehigkeit der Gsellpriester und Einoedkuraten! Die Unwissenheit schreit zum Himmel! Wir haben Priester, die nicht angeben koennen die Zahl der Sakramente, die Schriften haben von den schrecklichen Luther, Zwingli, Melanchthon und Brenz, darin kuemmerlich lesen und gar nicht erkennen die Gefahr! Fluch ihnen! Pech und Schwefel soll sich ergiessen ueber solche Suender! O, helft mit beim Rettungswerke, zur Purifikation der verderbten Sittenzustaende im Erzstift, die zum Himmel schreien!" Der Dechant hatte sich in eine Erregung geschrien, die ihn noetigte innezuhalten und Atem zu schoepfen. Kuehl sprach Wolf Dietrich unter Ignorierung der donnernden Philippika des Asketen: "Also jener Kurat hochbetagt ist conjugatus, verheiratet! Den Mann will ich sprechen!" "So wollt Ihr, gnaediger, hochwuerdigster Herr und Erzbischof, statuieren ein Exemplum?!" "Das wird sich zeigen! Bestell' er mir das Paar auf naechsten Freitag, das ist also uebermorgen Vormittag zehn Uhr!" "Das Paar?" fragte gedehnt, seinen Ohren nicht trauend, der Dechant. "Den Kuraten und sein Weib, jawohl! Ich will das Paar sehen und meine Meinung fassen ueber Mann und Weib!" "Und wann darf ich erhoffen ein Mandat, die Purifikation meines Sprengels?" "Das wird sich alles finden! Erst muss gepruefet werden! Davongejagt sind sie schnell, fraglich bleibt, wo bessere wir finden. Doch soll es an wirksamer Reinigung des Klerus nicht fehlen! Ich danke Euch fuer diese Relation! Verweilt noch etwas auf der Burg, erlustieret Euch im Garten, nicht mehr ferne ist die Zeit, da wir zum Mahle schreiten, und ich lade Euch hiezu als Gast!" "Euer erzbischoeflichen Gnaden danke ich submissest und werde auf Zeichen und Geheiss mich rechtzeitig einfinden!" Wolf Dietrich reichte dem Pfarrer die Rechte zum Handkuss und gehorsam unterthaenig drueckte der Dechant die stoppelreichen Lippen auf die Hand des Fuersterzbischofes. Damit hatte die Audienz ihr Ende. Der Pfarrer begab sich in das Burggaertchen, Wolf Dietrich in sein Gemach, worin er dann nachdenklich in sich versunken eine Weile blieb und mehrmals fluesterte: "Conjugatus est!" Der Ueberraschung zweiter Teil sollte dem Landpfarrer die fuerstliche Hoftafel bringen, die gemaess dem eigenhaendig entworfenen Ceremoniell Wolf Dietrichs nach hoefischer und foermlicher Weise auch in der einsamen Burg Hohenwerfen abzuhalten war. Zwei der Kaemmerer waren mit, ebenso einige der Edelknaben, der Stebelmeister und ein ziemlich zahlreiches Gefolge zur Betreuung von Kueche, Keller und Marstall. Im Bankettsaal harrte der hagere Pfarrer, welchem der gleichfalls zu Tisch befohlene Hofmarschalk und Chef der fuerstlichen Hofhaltung Gesellschaft leistete, bis das Zeichen der Ankunft des Fuersten gegeben wurde. Zwei Edelknaben, ein Fourier, der Kaemmerer vom Dienst und der Stebelmeister schritten feierlich herein, ihnen folgte Wolf Dietrich, der am Arm die schoene Salome fuehrte und durch das Spalier der sich tief verneigenden Hofbeamten und sonstiger Dienerschaft geleitete. Waehrend Salome beim Anblick des fremden geistlichen Gastes aus Scham ueber ihre Stellung und illegitime Beziehung zum Fuersten erroetete, fixierte Wolf Dietrich den asketischen Pfarrer, dem vor Ueberraschung und Schrecken ueber den unerwarteten Anblick die Augen aus den Hoehlen quollen und der Mund weit offen stand. Mit tiefen Verbeugungen hatte sich der Hofmarschalk dem Paare genaehert und hoefischer Sitte entsprechend der Dame Honneurs erwiesen, so dass der Pfarrer allein, verlassen, in hilfloser Verlegenheit stand, bis ihm der rettende Gedanke durch den Kopf schoss, dass die Dame moeglicherweise doch die Schwester des Erzbischofes sei. Wolf Dietrich mochte dem Pfarrer solchen Gedanken von der Stirne abgelesen haben, vielleicht machte ihm ein bisschen Quaelen Spass, er geleitete zum Cercle seine Dame am Arm einige Schritte weiter und sprach den verbluefften Pfarrer an: "Eh' wir zu Tische gehen, sei Ihm die Gnade gewaehret, zu huldigen der--Fuerstin!" "I--ich--!" schluckte der Pfarrer und wuergte, ohne den beabsichtigten Satz: "Ich glaub's gleich?!" herauszubringen. Boshaft wiederholte Wolf Dietrich: "Ihre Hochfuerstliche Gnaden Fuerstin Salome, meines Lebens Sonne und Glueck!" Salome drueckte den Arm des Fuersten und fluesterte flehentliche Worte, doch dieser Qual und beschaemenden Scene ein rasches Ende zu bereiten. Der Pfarrer aber stotterte: "Fuerstin? Ergo conjugatus est archiepiscopus?" Wolf Dietrich nickte vergnuegt und weidete sich an dem Gesichtsausdruck des Pfarrers, an der grenzenlosen Verblueffung. Doch ploetzlich veraenderte sich das Bild: der Pfarrer hatte die Herrschaft ueber sein Denken und Fuehlen wiedergewonnen und damit die Kraft flammender Rede. Hochaufgerichtet, im Brustton heiliger Ueberzeugung, durchglueht von fanatischem Feuer, rief er: "Haltet ein, Herr, Fuerst und Erzbischof! Verdorren soll mir der Fuss, ehe ich ihn setze zum Schritt an Euren Tisch! Euch ruf' ich zu die Worte des grossen Papstes Gregor VII.: Non liberari potest ecclesia a servitute laicorum, nisi liberantur clerici ab uxoribus! Dies grosse Wort gilt heilig fuer alle Zeiten und auch dem Salzburger Erzbischof! Roms Priester ruft Euch zu: Bangt Euch nicht vor der schweren Suende wider der Kirche heiliges Gebot? Koennet Ihr vor Gottes Richterstuhl verantworten der Suende Bund? Welch' Beispiel gebt Ihr uns Priestern, Ihr der Hoechste ueber uns nach des Papstes Heiligkeit?! Wie soll der Klerus gereinigt werden, gelaeutert, befreit von der Suende Banden, wenn solches Beispiel von der hoechsten Seite sinnverwirrend, frevlich wird gegeben?! Suende allum, vereinsamt steht die Tugend, allein der Gerechte! Straft mich um meiner Worte willen, begrabt mich lebend in den Kerkern Eurer Trutzburg, mordet mich: Fest bleib' ich und halte hoch der Kirche Gebot, der Himmel ist mit mir, Euch aber droht Verdammnis und----" Kaemmerer und der Hofmarschalk wollten sich auf den Rasenden werfen; Salome erlag einem Ohnmachtsanfall, Wolf Dietrich umfing sie mit rasch geoeffneten Armen, in seiner Sorge und Angst um die Geliebte rief er um Hilfe und befahl, man solle den Medikus und die Kammerfrau holen. "Gottesstrafe vollzieht sich zur Stunde!" rief gellend der fanatische Pfarrer, den die Hofbeamten nun ergriffen und eiligst aus der Burg fuehrten. Die Tafel unterblieb. In banger Sorge harrte Wolf Dietrich des aerztlichen Bescheides, still ward es in der Burg. Nach einer Stunde etwa konnte dem Fuersten gemeldet werden, dass der Anfall vorueber und keine Gefahr vorhanden sei, doch beduerfe die Gnaedige der Ruhe und Schonung. Beruhigt ob dieses Berichtes konnte sich Wolf Dietrich seinen Regierungsgeschaeften widmen und wie er sich anschickte, die vom Kanzler ausgefertigten Edikte zu unterzeichnen, kam ihm erst der vom Werfener Pfarrer heraufbeschworene Auftritt wieder ins Gedaechtnis und damit der Zorn ueber die unerhoerte Sprache eines Untergebenen, ein Zorn, der den Koerper erbeben machte und nach Rache lechzte. Doch ward eben vom Kaemmerling neuer Besuch gemeldet, und Wolf Dietrich hiess barsch, jedermann abzuweisen. "Es ist Domkapitular Graf Lamberg!" wagte der Kaemmerer schuechtern einzuwenden. "Wie? Graf Lamberg! Mein Freund, ja, der kommt zur rechten Stunde! Fuehr' ihn sogleich zu mir!" Wolf Dietrich fuhr mit der Rechten ueber die Stirne, als wollte er die unangenehmen Gedanken wegstreichen, doch gelang es ihm nicht, die Erregung zu bannen. Es erschien die aristokratische Gestalt des Kapitulars Johann Grafen von Lamberg in der Thuer und erwies dem Fuersten tiefste Reverenz. "Willkommen, Freund, auf Hohenwerfen! Salve!" rief Wolf Dietrich und schritt dem Kapitular entgegen. "Euer Hochfuerstliche Gnaden wollen die Stoerung permittieren, ich komme in dringlicher Angelegenheit!" "Nochmals willkommen, Freund! Und gleich sei beigefueget, dass Lamberg kommt mir sehr gelegen!" Nach herzlicher Begruessung, die auf vertraute Freundschaft schliessen liess, wenngleich der Kapitular die hoefisch zeremoniellen Formen, besonders in der Titulatur streng beobachtete, nahmen beide Herren im Erker Platz, wohin der Fuerst Erfrischungen fuer seinen Gast schaffen liess. Nach dem Willkommstrunk sprach Wolf Dietrich: "Lamberg, du kommst wie gerufen und sollst ein traulich Wort mir sagen, ehe ich zum Strafgericht schreite ueber einen Vermessenen!" Der Kapitular blickte auf, sein forschender Blick suchte im unruhig flackernden Auge des fuerstlichen Freundes zu lesen. Rasch erzaehlte Wolf Dietrich den Auftritt, wobei sein Antlitz sich umduesterte und die Stimme grollte wie der Donner in schwueler Gewitternacht. "Ein Affront, den ich zu raechen wissen werde! Der tiefste Kerker sei zu gut fuer den Vermessenen, sein Leben sei verwirkt!" Tiefernst war Lambergs Gesichtsausdruck geworden. Fuer einen Augenblick herrschte beklemmendes Schweigen im hohen Gemache. Dann legte der Kapitular seine Hand auf die Rechte des Fuersten, wie wenn er damit beruhigen wollte, und erwiderte: "Hochfuerstliche Gnaden wollen in dem tiefbedauerlichen Falle absehen von der Beleidigung der Person des Fuersten und den Auftritt nur betrachten vom Standpunkt des hochwuerdigsten Erzbischofs!" "Wie? Was willst du damit sagen? Ist deiner Rede Absicht, einem Bauernpfarrer das Recht zu vindizieren, seinen Bischof zurecht zu weisen?!" "Mit nichten, Hochfuerstliche Gnaden, keineswegs! Es giebt kein solches Recht, es kann ergo auch nicht vindiziert werden. Immerhin besteht die Moeglichkeit, sie ist durch den beklagenswerten Vorfall ja erwiesen, dass in Ekstase ein Priester Worte des Tadels richtet an seinen hoechsten Vorgesetzten, in Ekstase, im Glauben, Recht zu thun, so er Suende erblickt im Wandel seines Bischofs." "Du, mein Freund, ein Lamberg sagt dergleichen mir?" rief vorwurfsvoll der Fuerst. "Mit nichten ist es meine Absicht, des gnaedigsten Fuersten Thun und Wandel irgend einer Kritik zu unterziehen. Was ich aber in schuldiger Ehrfurcht unterlasse, thun andere mit desto groesserem Freimut. Der Werfener Pfarrer wird niemals zu exkulpieren sein; was er sprach, war nicht an den Fuersten, war an den Bischof gerichtet, und nach dieser Rechtslage duerfte der Fall zu erledigen sein." "So soll ich mir als Archiepiscopus dergleichen Infamien gefallen lassen? Lamberg, du kennst einen Raittenau schlecht, sehr schlecht!" "Ich kenne meinen gnaedigsten Herrn seit manchem Jahr, aus Zeiten froehlicher Jugend wie noch her vom ewigen Rom. Wollen mir Euer Hochfuerstliche Gnaden verwarten, sprech' ich offen aus in memoriam juventutis: Ein Presbyter von tadellosem Lebenswandel, korrekt nach Pflicht und Vorschrift amtierend, dazu vielleicht ein Fanatiker, kann vergessen die Kluft, so bestehet zwischen Erzbischof und Landpfarrer, kann in Ekstase eine Coelibatsverletzung fuer ein Verbrechen halten, dessen Groesse den Verstand verwirrt. Getruebten Sinnes, doch ehrlichen Herzens dabei, laesst sich der Fanatiker hinreissen, am hoechsten Vorgesetzten das zu tadeln, was am Amtsbruder er fuer die gleiche Suende, fuer Verbrechen wider die Kirche haelt!" "Bedenke, Freund, der Tollgewordene schrie das vor versammeltem Hof, in meiner Gegenwart, er schrie es in Salomens Ohren!" "Gnaedigster Herr! Uebet Milde! Ein Bauernpfarrer im Gebirge weiss nichts von hoefischen Sitten, auch fehlt zumeist Gefuehl und Takt. Der Mann meinte es ehrlich, sprach es grob, beleidigte zarte Ohren und holde Weiblichkeit. Den Fuersten kann er nicht beleidigen...." "Und den Erzbischof?" "Auch den nicht! Will der gnaedigste Herr aber strafen den Vermessenen, so moege eine Erwaegung Platz greifen: Einwandfrei ist die Anwesenheit einer Herzensdame nicht im Hause eines Kirchenfuersten!" "So missbilligt ein Lamberg meine Wahl....?" "Ich habe nichts zu genehmigen, nichts zu missbilligen. Ich bitte nur, jener Erwaegung eine kleine Beachtung zu goennen, sie wird wohlthaetig wirken beim Ausmass der Strafe!" Wolf Dietrich hatte sich beruhigt; er schwieg eine Weile und blickte durchs Fenster hinaus in die Thalung. Dann sprach er: "Ja, so spricht ein wahrer, trauter Freund und Edelmann! Den Vermessenen laufen zu lassen, faellt mir schwer, doch will ich ihm die Strafe schenken, wasmassen ich Salome behalte, und wenn der ganze Klerus dagegen geifert." "So ist es unerschuetterlicher Wille?" "Ja! Und--Dir will ich's anvertrauen--erst heute wieder bat meines Herzens Koenigin, zu festigen den Lebensbund auf legitime Weise!" "Nunquam!" "Wie?" "Niemals! Ich bitte Euer Hochfuerstliche Gnaden, diesen Schritt niemals zu thun!" "Perche?" "Darf ich ehrlich, offen meiner Meinung Ausdruck geben?" "Ich bitte dich darum, mein Freund!" "Lebt mit Salome, gnaediger Herr, stellt die Dame an die Spitze Eures Hofes, erhebt sie zur Fuerstin, wie Ihr wollt, nur weist den Gedanken an eine kirchliche Trauung weit von Euch und immer!" Stolz erwiderte Wolf Dietrich: "Ich bin der Fuerst und Herr des Landes! Weit und maechtig sind meine Beziehungen zu Rom! Der Papst, von meinem Ohm gebeten, wird Dispens wohl ad hoc erteilen! Gross ist die exceptio, ich geb' es willig zu, die Welt hat solche Ausnahme noch nicht erlebt! Bin ich aber nicht ein Fuerst, dem man eine Ausnahme und sei es die groesste, kann gestatten?" "Ein Fuerst zum Glueck und Wohl des Landes, ein Fuerst, um den Salzburg man beneiden kann! Gleichwohl rat' ich Euch, ich fleh' Euch an: Verzichtet auf das ehlich Band!" "Du kennst sie nicht, die suesse, herrliche Salome! Mir schneidet ins Herz ihr demuetig Bitten um Legitimitaet des Bundes! Der letzte Kurat in weltverschlagener Einoed' hat ein Weib, und Rom ist darob nicht zu Grund gegangen, die Welt steht noch und an der Spitze der Christenheit der Papst--sollt' mir verwehrt sein, was dem Geringsten meiner Untergebenen verstattet ist--?" "Verstattet ist es Keinem, und Rom missbilligt jede Priesterehe! Waeren nicht so tief gesunken die Sitten, verderbt die Zeiten, verwahrlost der Priesterstand unserer Tage, es gaebe keine Coelibatsverletzung, wie sie beklagenswert ist eingerissen auch in Salzburgs Klerus. Wenn Rom, uneroertert bleiben die Motive, duldet solche offenbare Verletzung kirchlicher und paepstlicher Gebote, so kommt solche Duldung niemals gleich einer Genehmigung, man darf selbst von Toleranz nicht sprechen! Aufgabe der Kirchenfuersten unserer Zeit ist Purifikation des Priesterstandes, die restauratio religionis! Auch Euch, gnaedigster Herr, obliegt solche Aufgabe! Wie wollt Ihr sie loesen, wenn eine Ehe wider paepstliches Gebot Euch die Haende bindet, Euch notgedrungen in den Verdacht des Luthertumes bringet?!" "Bist du nicht paepstlicher denn der Papst, Lamberg?" "Nein, gnaediger Herr und Fuerst! Lebt nach Gefallen mit Salome, die Mitwelt wird zu entschuldigen wissen diesen Schritt ob der unvergleichlichen Schoenheit Eurer Dame; lebt gleich wie im kirchlich eingesegneten Bund, doch bleibt ledig! Hoeret nicht auf Weiberbitten, achtet nicht der Thraenen! Der Kirchenfuerst hat hoehere Pflichten! Denkt an Bayern, Kaiser und Papst!" Wieder ward Wolf Dietrich nachdenklich, die beredten Worte des vertrauten Freundes schienen auf ihn Eindruck zu machen. Doch reizte ihn der Hinweis auf Bayern und den Kaiser zu einer Erwiderung: "Was kuemmert mich der Bayer, was der Kaiser!" "Nicht viel, ich geb' es willig zu! Doch Nachbar bleibt der Bayer, und ein gut Einvernehmen ist zu preisen, solang' es eben geht! An Friktionen, mein' ich unterthaenigst, wird es niemals fehlen! Und ueber des Kaisers Kopf hinweg wird auch der stolzeste Fuerst nicht schreiten koennen!" "Du wirst kuehn, Freund! Ein Notar des Kaisers kann kaum anders reden!" "Verzeiht das ehrlich off'ne Wort, gnaediger Fuerst und Herr! Ich sprach als Freund, der zu sein mich hoch beglueckt, und Freundespflicht ist es, zu gegebener Zeit ein offen Wort zu reden!" "Gut denn! Es sollen deine Worte Beachtung finden, so ich kann! Was aber sag' ich nur Salome, so sie wieder fleht in ruehrend suesser Weise?" "Vertroestet auf eine bessere Zeit, verweist auf Rom und die Schwierigkeit der Dispenserlangung! Zeit gewonnen, alles gewonnen!" "Du kennst Salome nicht und ihr suesses Bitten!" "Wie kaem' der Unterthan zu solchem Gluecke!" "Ja, ein irdisch Glueck ist mir geworden, ein traumhaft Glueck! Und manchmal will der Gedanke mich beschleichen, als sollt' ich dereinst buessen fuer die Wonne des profanen Lebens!" "Noch lebt mein gnaediger Herr im Glueck und in der Bluete! Sorgen genug wird bringen das Alter! Alles zu seiner Zeit!--Doch wenn Hochfuerstliche Gnaden verstatten, moecht' ich erwaehnen der Angelegenheit, die mich veranlasst hat, so schnell es ging, zum gnaedigen Fuersten zu eilen!" "Was soll es sein?" "Dr. Lueger, in Steuersachen Rat bei fuerstlicher Hofkammer, bat mich, die Meldung fuer ihn, den Vielbeschaeftigten, zu uebernehmen, dass Salzburgs Buergerschaft revoltieren will ob der neuen Steuer auf jeglichen Wein!" "Sollen dankbar sein, dass ich den Saufteufel ihnen fasse!" "Und dann ist Dr. Lueger der Meinung, es werde die neue Besteuerung des Adels wie des hoeheren Klerus und der Kloester sich nicht durchfuehren lassen. Es regne Proteste in die Hofkammer, man wisse sich nimmer zu helfen." "Lueger soll nur fest bleiben, ich will die neue Steuer durchgefuehrt sehen, sie sollen nur zahlen! Auf das Gekreisch geb' ich nichts! Wer zahlen soll, schreit immer!--Doch genug von solchen Dingen. Behagt es dir, liebwerter Freund, so nimm Quartier auf Hohenwerfen, und zum Abendbrot sehen wir uns wieder." Launig fuegte Wolf Dietrich bei: "Graf Lamberg wird sich wohl nicht wie der Werfener Pfarrer scheuen, an meinem Tisch zu sitzen und Reverenz zu erweisen meiner--Fuerstin?" "Euer Hochfuerstlichen Gnaden sag' ich submissesten Dank fuer sothane Einladung und werd' mich gluecklich preisen, der gnaedigen Gebieterin die Honneur bezeigen zu duerfen!" "Das klingt fuerwahr anders als die Werfener Melodei, ich danke dir, Lamberg, und nun auf Wiedersehen! Ich will Salome von deiner Ankunft verstaendigen!" Nach kraeftigem Handschlag verliess Wolf Dietrich das Gemach, und alsbald holte der Kaemmerer den Kapitular ab, um ihm sein Zimmer in der stolzen Burg anzuweisen. Puenktlich zur festgesetzten Stunde erschien auf Hohenwerfen der alte Kurat mit seinem Weibe von Skt. Jodok in der Einoede. Ein Greisenpaar, die duennen Kopfhaare weiss, muede, abgehaermte Gestalten, gebrechlich, hinfaellig. Der alte Kurat trug ein langes, verschabtes Gewand, einer Kutte aehnlich, das im Laufe der Jahre die Farbe voellig verloren hatte und schier fuchsig, verschossen geworden war. Und verwildert sah auch der Kopf des Einoedgeistlichen aus, Wangen und Kinn umwuchert von weissem Bart, die Augenbrauen buschig und selbst aus den Nasenloechern hingen Haarbuescheln hervor. Sanft und liebreich dagegen war des alten Priesters Blick, fromme Kinderaugen, und mild die Stimme, als der Einoeder dem Burgvogt sagte, der Jodoker Kurat sei um diese Stunde befohlen vom hochwuerdigsten Erzbischof. Zweifelnd besah der Kastellan diese, eher an einen Bettler denn einen Geistlichen gemahnende Gestalt. "Ich weiss, dass der Jodoker Kurat zur Audienz befohlen ist. Was aber will Er denn hier auf Hohenwerfen?" Vor Muedigkeit, ermattet vom beschwerlichen Marsche aus dem Gebirge herab, bat der alte Mann, sich setzen zu duerfen. "Das fehlte noch! Im Burghof dulden wir keine Bettler, das Almosen wird unten im Dorf gereicht!" rief grob der Vogt. "Mit Verlaubnis, Herr! Ich bin ja der Kurat von Skt. Jodok und hier ist mein braves Weib, das der gnaedige Herr gleich mir zu sehen wuenscht!" "Haha! Das glaube, wer will! So ein Hungerleider will geistlich sein und hat in seiner Not gar noch ein Weib! Flink auf und hinunter, oder ich mache Euch Beine!" Unter dem Thorbogen der Burg erschien Salome, in ein kostbar Gewand gekleidet, das Blondhaar offen tragend ueber die Schultern gleich einem Strahlenkranz von hellem Golde. Salome hatte die rauhe Aufforderung gehoert, und Mitleid erfasste sie beim Anblick des gebrechlichen Paares, insonders fuehlte Salome Erbarmen fuer die Greisin, die den aengstlichen Blick auf den Vogt gerichtet und wie zum Schutz die knoecherige Hand auf das Haupt des Gatten gelegt hatte. Mit heller Stimme rief Salome: "Vogt! Sind die Leute von Skt. Jodok, so fuehrt sie herein in die Erkerstube; der gnaedige Herr hat Mann und Weib befohlen!" Wie umgewandelt zeigte sich der Burgvogt, hoeflich verbeugte er sich und erwiderte unterwuerfig: "Der Mann sagt wohl, er waer der Jodoker Kurat, sein Aussehen straft seine Rede Luegen! Mich will beduenken, in dem Verzug darf niemand vor dem gnaedigen Herrn erscheinen!" Salome war naeher getreten und richtete an die Greisin liebreich und mild die Frage: "Seid Ihr das Kuratenpaar von Skt. Jodok?" Vor Freude bewegt meinte das runzelige, kleine Weiblein: "I freilich, schoenes Fraeulein! An die vierzig Jahre hausen wir schon oben in der Einoed', der Welt voellig entfremdet und doch zufrieden! Was nur der Herr Erzbischof von uns will?" "Das wird der gnaedige Herr Euch schon selber sagen! Kommt nur mit, und vor dem Empfang soll eine Kanne Weines und ein Bissen Brot Euch noch erquicken!" "I, ist das schoene Fraeulein aber gut und lieb! Der Himmel soll's Euch lohnen dereinst an Euren Kindern!" "Pst, pst!" mahnte der Kurat. "I, freilich! Solche Schoenheit wird nicht lange ledig bleiben! Oder seid Ihr gar schon Ehefrau, gern will ich's glauben! Hab' meiner Lebtag' so schoenes Haar und Gesicht nicht gesehen und ich leb' schon lang! Freilich, viel herumgekommen bin ich nicht, allweil oben in der Einoed' und um meinen Brummbaeren besorgt, der ist aber die gute Stund' selber und mit dem Beissen hatt' es nie Gefahr!" Silberhell lachte Salome auf und geleitete das zappelnde, frohbewegte Paar ins Innere der Burg. Rasch besorgte ein Diener Wein und Brot; Salome goss die Becher voll und hiess die Leutchen trinken. Der Kurat stellte den erhaltenen Becher vor sich auf den Tisch und murmelte erst ein Gebet, eh' er zugriff; dann sprach er: "Gott vergelt' Euch den Willkomm und die frohe Spende! Der Labtrunk ist den Mueden und Durstigen eine Wohlthat, die wir ehrlich Euch verdanken! Gott zu Ehr' und Preis und auf Eure Gesundheit, Glueck und Wohlergehen hienieden!" "Vergelt' Gott Euch alles Gute auf der Erden!" lispelte die Greisin und nippte dann vom goldigklaren Wein. "Dank' Euch fuer die frumben Wuensche! In der Einoed' habt Froemmigkeit Ihr nicht verloren und die Gottesfurcht, das will ich loben!" sprach Salome, der es ein wohlig Beduerfnis war, mit den schlichten Leuten aus dem Volk zu sprechen. Zufaellig richtete Salome den Blick durch das Erkerfenster in den Burggarten, durch welchen Wolf Dietrich in Begleitung des Domkapitulars Lamberg eben schritt. Diese Wahrnehmung veranlasst Salome, dem Greisenpaar zu sagen, dass der Empfang nun wohl in wenigen Augenblicken werde stattfinden, es moege sich das Paar daher fertig machen. "O," meinte die Greisin, "fertig sind wir allzeit, da giebt's kein Putzen mehr und keinen Tand! Was wir am alten Leibe tragen ist Festgewand und Alltagskleid zugleich! Doch sagt: Er ist wohl ein gestrenger Herr, der Erzbischof? Schlimm wie der Dechant von Werfen? O, das ist ein boeser Herr, hart und streng, ein Weiberfeind gar wohl!" "Nun, das ist unser gnaediger Herr gerade nicht!" laechelte Salome. Ein Edelknabe riss die Thuere zur Erkerstube auf und trat dann zur Seite, um den Fuersten und seinen hinterdrein schreitenden Begleiter einzulassen. Wolf Dietrichs rascher Blick nahm sofort Salome und das Paar wahr und verwundert sprach der Fuerst: "Ei, Salome und in Gesellschaft?" "Verzeiht mir, gnaediger Herr! Das Kuratenpaar von Jodok, muede vom beschwerlichen Marsch wollt' rasch staerken ich mit einem Labetrunk, eh' vor Euer Gnaden die Leute wollt empfangen! In der Eil' sind in diese Stube wir geraten!" "Ein Samariterwerk, das zieret Euer warmfuehlig zartes Herz! Nun gut, so wollen wir Audienz erteilen gleich in dieser Stub'!" Graf Lamberg wollte sich zurueckziehen, ebenso Salome, doch Wolf Dietrich bat, anwesend zu bleiben. Er winkte lediglich dem Edelknaben, der sogleich verschwand. Leutselig und herablassend, wohlwollend wandte sich der Fuerst an den ehrerbietig und demutsvoll vor ihm stehenden Kuraten: "Wie lang seid Ihr schon Priester?" "Hochwuerdigste Gnaden, Primiz feierte ich als Juengling mit zweiundzwanzig Jahren. Lang ist die Zeit seither und um Johanni werd' ich wohl etliche vierzig Jahre Kurat sein in der Einoed'. Auf der Jaehrlein eines oder zwei weiss ich's genau nicht mehr." "Vierzig Jahre in der Einoed'!" sprach mit besonderer Betonung Wolf Dietrich und nickte Salome zu. Voreilig meinte die Greisin: "In steter Arbeit, Treu' und Lieb rinnen die Jaehrlein wie der Bergbach geschwind!" Abwehrend dem Redefluss sprach der Kurat: "Verzeihet, Hochwuerdigste Gnaden! Es ist mein Weib und eilig ist des Weibleins Zunge! Ich bitt', nehmt's nicht ungut, ist halt Weiberart!" "Sein Weib! Er sagt das ruhig und gelassen; weiss der Kurat nichts von Coelibat und paepstlicher Verordnung?" Der alte Leutpriester liess das Haupt sinken und stand demuetig, zerknirscht vor dem Erzbischof. Leise nur wagte er zu stammeln, dass damals, vor reichlich vierzig Jahren der Vorgaenger des jetzigen Dechanten ihn getraut habe, wie es Brauch ist, und keinen Anstoss genommen habe an der Priesterehe. "Beklagenswerte Zustaende im Landklerus!" sprach Kapitular Graf Lamberg. Zitternd blickte der Kurat zum Fuersten auf, in dem das Mitgefuehl sich regte und den wohl auch der Gedanke an sein eigenes Verhaeltnis zu Salome bewegen mochte. Und ehe Wolf Dietrich noch den Mund geoeffnet, wagte Salome zu sagen: "Ein von der Kirche gesegneter Bund trotz Vorschrift und paepstlichem Gebot! Getraut das Paar, gluecklich das Eheweib trotz Kummer und Sorgen in langen Jahren! In Armut und Not, wie ausgestossen von der Menschheit hoch droben in der Einoede, und doch ein gluecklich Weib, getraut von Priesters Hand!" Ein Seufzer begleitete diese Worte. Das Weiblein plapperte eilig: "I freilich, schoene Frau! Zufrieden und gluecklich lebten wir in fleissiger Arbeit, haben gedarbt und Gott gepriesen alle Zeit, dass er uns hat zusammengegeben! Gluecklich waren wir, bis der schlimme Pfarrherr uns brachte den Unfried in unsere Huette! O Gott! Was hab' ich da gelitten! Verjagt bin ich worden wie ein raeudiger Hund, ausgetrieben und verflucht, ein Amtsbruder meines Gatten hatt' nur Fluch und Verdammnis fuer mich, der Dechant, der doch auch Gottes Wort predigen und den Leuten ein gutes Beispiel von der Naechstenliebe geben soll! Ein harter Herr! Gott sei's geklagt! Und bin ich nach seinem Abzug wieder heimgeschlichen, wohin ich gehoere als treues Eheweib, zum Gatten, der jeglicher Pflege bedarf,--kein Stuendlein bin ich sicher und sie jagen mich wieder fort und in den Tod! Sagt, schoene Frau, muss ein Eheweib nicht ausharren durch alle Not des Lebens beim Manne, den uns Gott gegeben vor dem heiligen Altar?" Wolf Dietrich nahm das Wort: "Das paepstliche Gebot bestand, es ist ein Konzilsbeschluss, und fuer den Kuraten gab's keine exceptio! Geschlossen ist der Bund, der Mensch kann ihn nicht trennen, und wie es ist, gehoert zum Mann das Weib! Doch seh' ich selbst: Zeit ist's zu schaffen Zucht und Ordnung, das Erzstift muss purifizieret werden!" Angstvoll rief Salome: "Gnaediger Herr!" Der Fuerst verstand den Sinn des Angstrufes gar wohl und erwiderte: "Beruhige dich, Salome! Nicht will ich grausam trennen ein gottergeben greises Paar, wenngleich nur schlimm kann wirken solches Beispiel! Ich gedenk' in dieser Stunde wohl der Macht der Liebe, die alles ueberwindet! Bleibt in Ehren ein christlich Ehepaar und dankt der besten Fuersprecherin, die ihr gefunden in Salome!" Graf Lamberg wollte mahnen: "Exempla trahunt!" Lebhafter werdend rief Wolf Dietrich: "Das mag im allgemeinen gelten, und ich verschliesse mich nicht der Wahrheit dieses Satzes! Doch will mich beduenken: In jener unwirtlich schaurigen Einoed' wird die Gefahr der Verfuehrung junger Kleriker nicht werden uebergross. Bleibt der Alte in seinem Bergnest wie zuvor, soll leben er in Gottesnamen mit seinem ehelich angetrautem Weibe. Ein nunqam aber allen andern! So kehret heim mit Gott, ihr alten Leute! Und der Hitzkopf im Widum zu Werfen soll lassen Euch in Ruhe!" Glueckstrahlend haschte das Weiblein nach Salomens Haenden und dankte in innigster Herzlichkeit, indes der alte Kurat den Kuss der Ehrfurcht auf die Rechte des Erzbischofs drueckte und seinen Dank stammelte. Zu Salome gewendet, sprach Wolf Dietrich laechelnd: "Hab' ich's nach Wunsch gethan? Nun aber sorg' fuer Atzung, schick' das Paar zum Kuechenmeister!" "O, heissen Dank, gnaediger Herr und Gebieter!" lispelte ergluehend Salome und verliess, gefolgt von den alten, glueckseligen Leuten die Erkerstube. Der Fuerst nahm Platz auf einer Truhe im Erker und lud durch eine Handbewegung den Kapitular ein, dasselbe zu thun und ihm Gesellschaft zu leisten. "Nun, Freund Lamberg? Was sagt jetzund der Kapitelherr von Salzburgs Stift und Dom?" "So der gnaedige Fuerst und Herr gesprochen, hat der Unterthan nichts zu sagen, zu schweigen und zu gehorchen!" "Ja, du, Lamberg, bist die treue, einzige Stuetze, die ich habe im Kapitel! Allzeit ergeben, gefuegig stets dem Willen des Fuersten! Dennoch moecht' deine Meinung hoeren ich ad hoc! Dass nach Salomens Sinn ich hab' gehandelt, dess' bin ich mir nicht im Zweifel. Die Gute ist beglueckt von meinem Spruch und Entscheid zu Gunsten des alten Paares! Was aber sagt mein Freund?" "Ich fuerchte, gnaediger Herr, es ist Zwietracht gesaeet in diesem Falle!" "Nicht Unglueck kraechzen, Lamberg! Du weisst, ich hoer' derlei nicht gern. Hab' ich gefehlt nach deiner Meinung?" "Kaum haett' ich anders mich erklaeret; zu ruehrend ist der Bund, die Lieb' und Treu des alten Paares! Und dennoch! Es darf das Herz nicht laenger dominieren, zu arg ist eingerissen all' der Unfug! Es geht nicht laenger so, und eingreifen muss des Herrschers Hand kraftvoll und hart, soll Ordnung werden im Erzstift!" "Ich fuehl' es selber und kann nicht laenger mich verschliessen solcher Einsicht!" "Je frueher, gnaediger Herr, desto besser! Und wenn Hochfuerstliche Gnaden ein Wort noch wollen mir verstatten, sei es die Bitte: Bleibet fest auch gegen...." "Du meinst Salome!" sprach hastig Wolf Dietrich. "Du bist klug und weit reicht dein Blick voraus! Meine suesse, liebe Salome! Im Widerstreit stehet mir Kopf und Herz! Leicht zu erraten ist, dass Salomens kluger Sinn wird die Konsequenz zu finden wissen. Was ich dem alten Paar verstattet, soll verweigern ich dem Liebsten, was ich hab' auf Erden! Ich soll mir selbst nicht erlauben, wessen ein armes, altes Weib seit einem Menschenalter sich erfreut: der Legitimitaet des Bundes!" "Nur das nicht, gnaediger Herr! Gedenket allzeit meiner Warnung! Mag paradox es klingen: Die Trauung wird zum Unheil werden meinem gnaedigen Fuersten! Drum meidet sie, solang' Ihr atmet!" Den Blick in die Ferne gerichtet, verstummte Wolf Dietrich und ueberliess sich voellig tiefem Sinnen. Still sass ihm gegenueber Graf Lamberg, hoffend auf Erkenntnis der schwierigen Lage seines Gebieters, vertrauend auf die Klugheit des genial veranlagten Fuersten, und doch wieder bangend vor dem Einfluss der schoenen Salome. IV. In der Bischofstadt gaerte es im milden Lenz aerger, denn in den Tagen, da der junge Fuerst ein Reformationsedikt erlassen, welches die bedeutendsten und reichsten Kaufleute zwang, Salzburg zu verlassen. Im Kapitel waren wohl Stimmen laut geworden, Mahnungen, just diese steuerkraeftigen Leute im Lande zu behalten, ihren Handel eher zu beguenstigen, denn zu schaedigen, und Salzburg vor einem unausbleiblichen finanziellen Ruin zu bewahren. Allein Wolf Dietrich stiess sich am Ton dieser Stimmen, er erblickte eine Auflehnung seines Kapitels wider die Fuerstengewalt und ausserdem brauchte er Geld. Vielleicht waere der Fuerst den Mahnungen zugaenglicher gewesen, wenn nicht der bischoefliche Fiskal bald nach der Erwaehlung Wolf Dietrichs in den Buechern die Entdeckung gemacht haette, dass die Ausgaben des Erzstiftes dessen Einnahmen ueberstiegen. Die Thatsache einer Unterbilanz konnte den Fuersten nur veranlassen, auf neue Einnahmequellen zu sinnen und die Hofkammer zu beauftragen, Steuermandate zu konzipieren. Die Weinbesteuerung hatten die Salzburger zu einem Teile selbst heraufbeschworen durch massenhaften Verbrauch und die Klagen des Buergermeisters ueber den "Saufteufel". Es konnte Wolf Dietrich also ganz berechtigt spotten, dass die Unterthanen nur dankbar sein sollten, wenn er ihnen den Weinteufel abfasse. Wie die Steuer aber zur Einfuehrung gebracht wurde, das bekundete ein hervorragendes Verstaendnis fuer finanzielle Ertraegnisse, denn das Mandat fasste die wohlhabenden Klassen und zog dann auch alle jene zur Besteuerung heran, die bei einer direkten Steuer der Anlage entgangen waeren. Alle Arten von Wein, gleichviel ob diese im Lande selbst gebaut[5] oder von auswaerts eingefuehrt waren, wurden steuerpflichtig erklaert; von allem ausgeschenkten Wein musste der zehnte Teil, von dem im eigenen Hause verbrauchten der zwanzigste Teil des Wertes in Barzahlung jeden Monat, bei Grosskonsumenten oder Haendlern jedes Quartal an die Hofkammer abgeliefert werden. Diese Verfuegung wurmte die Salzburger, die Ankuendigung aber, dass die Weinsteuer "fuer ewige Zeiten" Geltung haben solle, brachte das Blut auch der Sanftmuetigen in Wallung. Die hohe Steuer sollte aber nicht nur Buerger und Kaufleute, sondern auch die Geistlichkeit und den Adel treffen, und das machte die Landschaft rebellisch. Es regnete Proteste in die Hofkammer, wie das schon Dr. Lueger durch den Domkapitular Grafen Lamberg dem Fuersten melden liess. Zugleich aber war eine Erhoehung der Mauten und Zoelle fuer Kaufmannswaren verordnet worden, die auch auf die von Mauten bisher befreiten Kaufleute der Stadt Salzburg in der Absicht ausgedehnt wurde, den durch ihre Haende gehenden partiellen venetianischen Handel zu treffen. So musste es denn kommen, dass Buerger- und Kaufmannschaft, Adel und Geistlichkeit sich gegen die neuen Mandate auflehnten und den Beschwerdeweg beschritten. Dr. Lueger wusste sich gegen dieses Anstuermen nicht anders zu helfen als durch Berichterstattung an den Fuersten, und seine Meldung veranlasste Wolf Dietrich, den Hofstaat schleunigst von Hohenwerfen nach Salzburg zu verlegen, wohin auch kurze Zeit spaeter Salome wieder uebersiedelte. Zunaechst hoerte der Fuerst den Vortrag Luegers mit Aufmerksamkeit und Ausdauer und notierte sich die wichtigsten Punkte. Bezueglich der zu treffenden Massnahmen und Verbescheidung der Beschwerdeschriften jedoch berief Wolf Dietrich den treubewaehrten klugen Freund Lamberg zu gemeinsamer Beratung im Arbeitsgemache des Keutschachhofes, wohin die Aktenstuecke verbracht wurden, ueber welchen nun Wolf Dietrich stundenlang sass und studierte trotz aller Bitten Salomens, sich doch einige Erholung zu goennen. Liebreich doch bestimmt wies der Fuerst auf die Notwendigkeit eines raschen Eingreifens hin, ansonsten in Salzburg ein allgemeiner Aufruhr losbreche, worauf Salome sich in ihre Gemaecher zurueckzog. Inmitten eifrigsten Studiums ward Graf Lamberg gemeldet und sogleich vorgelassen. Wolf Dietrich hatte eben die Beschwerde des Salzburger Stadtrates in Haenden und rief dem Freunde zu: "Komm nur schnell heran, setze dich zu mir an den Sorgentisch, hoere und dann gieb deine Meinung kund. Hier habe ich die Beschwernis des Stadtrates ueber Verletzung alter Freiheiten! Sie wollen die neuen Mauten und Zoelle nicht zahlen und beklagen sich in einem Tone, in einer Sprache, die ich nicht anders bezeichnen kann, denn aufzueglich, undeutlich und bar der schuldigen Ehrfurcht!" Vorsichtig fragte der kluge Edelmann und Kapitular: "Auf welche Privilegien beruft man sich?" "Die Freiheiten gehen um einige Saekula zurueck!" "Dann ist mit Sicherheit anzunehmen, dass sothane Privilegia unter den frueheren durchlauchtigsten Fuersten ihre Kraft und Wirksamkeit laengst eingebuesst haben." "Das scheinet auch mir zweifellos, auch fehlet es an Zeit, all' das im Archiv feststellen zu lassen. Ich bin nicht gewillt, auch nur eine von den Errungenschaften aus frueheren Zeiten, so sie die jeweiligen Fuersten gewonnen und sich erstritten haben, aufzugeben. Und ein nunquam gegen eine Erneuerung alter, laengst erloschener Rechte!" Lamberg antwortete lediglich durch eine Verbeugung. "Mich deucht, aus dem Handel mit Venedig koennen die Kaufleute Salzburgs nur Nutzen gezogen haben; ein Gegenteil wuerde die klugen Kraemer sicherlich veranlasst haben, die Beziehungen mit Venedig abzubrechen. Ist der Nutzen also erwiesen, und mich deucht, der Gewinn ist perpetuell,--so muss es vollkommen berechtigt erscheinen, die Zollsteigerung auch auf die Salzburger Kaufmannschaft auszudehnen." "Euer Hochfuerstliche Gnaden argumentieren voellig richtig!" Seinem Temperament entsprechend rief hastig und laut Wolf Dietrich: "So werd' ich den Querulanten zu wissen thun, dass es verbleibt beim Mandat der Mauten und Zoelle!" Lamberg blieb stumm, sein Antlitz zeigte Falten, die den Fuersten, als er eben auf den Freund einen Blick richtete, veranlassten zu fragen: "Du hast Bedenken? Sprich, Lamberg!" "Schwer ist es in heiklen Dingen, eine Meinung zu aeussern, zumal bemeldte Angelegenheiten sich voellig entziehen meinem gewohnten Wirkungskreise." "Keine Ausfluechte, Lamberg! Du siehst klar, hast ein trefflich Urteil! Sag' deine Meinung mir als treubewaehrter Freund!" Zoegernd begann der Kapitular zu sprechen: "Die Zeit ist schlimm, die Erregung gross in vielen Kreisen. Der Mandate von einschneidender Wirkung sind zu viel in kurzer Zeit erflossen; es gaert allenthalben, und weder Adel noch Geistlichkeit sind eine feste Stuetze fuer den gnaedigen Fuersten...." "Herr bin ich und stark genug, jeglichem Widerstand zu trotzen!" "Gewiss, Euer Hochfuerstliche Gnaden! Ein starker Herr und weiser Fuerst! Doch aller Stuetzen kann fueglich nur der Allmaechtige ueber alle entraten! Was ist ein Thron, wenn Buerger, Adel und Geistlichkeit ihn stuerzen wollen und zum Wanken bringen?!" "So greif' ich zum Schwert und werfe mit bewaffneten Scharen die Rebellen in den Sand!" "Verzeiht mir, gnaediger Fuerst und Herr! Ich bin zu weit abgekommen vom Thema, das zu eroertern ich sollte beflissen sein. Darf ich als treuergebener Unterthan raten, so moechte ich submissest bitten, in bemeldter Zollangelegenheit nicht zu scharf vorgehen zu wollen." "Wie soll ich die Grenze finden? Wohlwollen an Unwuerdige verschwendet, ist Dummheit! Auch kann ich dir, dem treuen Freunde nicht verhehlen: wir brauchen Geld!" "Trotzdem moecht' ich um Milde bitten der Kaufmannschaft gegenueber! Ein partieller Nachlass der geplanten Steuer wuerde als Wohlwollen dankbarst empfunden werden, und sothanes Wohlwollen koennte zum Beispiel immer noch gut ein Dritteil Zollertraegnis in die Hofkammer liefern." "Lamberg! Ich werde dich zum Chef des Steuerdepartements ernennen! Der Rat an sich will gut mich beduenken, doch zu gross scheint mir sothanes Wohlwollen! Wo ich alles fordern kann, ist Begnuegung mit dem Dritteil nicht am Platze! Jeder Steuerpflichtige jammert vor dem Zahlen!" "Hochfuerstliche Gnaden werden hinfuero solches Wohlwollen in mehrfacher Hinsicht von Segen begleitet finden." "Wie meinst du das, Freund Lamberg?" "Ein Nachgeben just jetzt daempft die Erregung, macht den Staendeausschuss gefuegig fuer die Weinsteuer, und die Ermaessigung der Zoll- und Mautgebuehren koennte zur Sicherung des immerhin noch stattlichen Ertrages durch Bestimmungen fixiert werden. Auch meine ich submissest und unmassgeblichst, dass beregtes Wohlwollen manchen Kaufherrn abhaelt vor--Auswanderung!" Wolf Dietrich stutzte. Was Lamberg da andeutete, haben Stimmen im Kapitel auch schon betont, nur nicht so diplomatisch klug und ganz und gar nicht ehrerbietig. Nach kurzer Ueberlegung sprach der Fuerst: "Niemals ist es meine Absicht gewesen, Leute zum Verlassen des Erzstiftes zu zwingen. Auswanderung ohne Genehmigung werde ich zu strafen wissen!" "Ein Edikt kann desgleichen verhueten! Ermaessigung der Mauten und Zollgebuehren waere eine Gnade, deren Missbrauch mit Aufhebung der Beguenstigung geahndet werden kann. Ebenso waere Erlass einer Instruktion zur Durchfuehrung der Weinsteuer empfehlenswert." "Erst muss ich ja das Votum der Landschaft haben!" warf Wolf Dietrich ein, und grollend klangen seine weiteren Worte: "Traurig genug, dass der regierende Fuerst das Volk um Zustimmung angehen muss! Ging' es nach meinem Kopf, ich schickte die Staende heim fuer immer!" "Das koennen Hochfuerstliche Gnaden bei naechster Gelegenheit thun im Wege einer harmlosen Entlassung. Nimmer aber koennte ich ob der Folgen zu einer Aufloesung raten!" "Ein kluger Rat fuerwahr! Entlassung fuer immer! Auf die Wiederberufung koennen sie warten bis--in Salzburg nichts Neues mehr zu bauen ist!" Ueberrascht fragte Lamberg: "Hochfuerstliche Gnaden beabsichtigen groessere Bauten?" "Will ich, ja, habe aber jetzt dazu kein Geld! Wird sich hoffentlich spaeter finden! Muss ja fuer Salome ein ihrer Schoenheit wuerdiges Heim schaffen! Roma parva! Und kein Geld! Meine Weihsteuer[6] hab' ich auch noch einzufordern--!" "Darf ich hiezu ein Wort in schuldiger Ehrfurcht mir verstatten?" fragte Graf Lamberg, welcher die Gefahr dieser Steuereinhebung nur zu genau kannte. "Sprich, Freund!" "Submissest wuerde ich bitten, jetzt und auch fuer das naechste Jahr in Gnaden abzusehen von einer Eintreibung der Weihsteuer, die, nebenbei bemerkt, auch fuer den hochseligen Erzbischof und Fuersten Georg von Kueenburg noch nicht bezahlt ist...." "Nun also! Die Grundholden machen Schulden ueber Schulden, und der Fuerst muss darben!--Warum widerratet Lamberg einer Einhebung der vollauf berechtigten Weihsteuer?" "Gnaedigster Fuerst! Das vergangene Jahr brachte dem Erzstift das Glueck Eurer Erwaehlung zum Gebieter und Landesherrn. Leider ward dieses allseitig tiefempfundene Glueck getruebt durch Misswachs, die Unterthanen, an sich nicht reich, sind andurch schwer geschaedigt und kaum im stande, neue Steuern zu tragen. Die Eintreibung der restierenden Weihsteuer muesste vielen, grossen Schwierigkeiten begegnen, muesste den neuen Herrn und Gebieter im Lichte der Hartherzigkeit dem armen Volk gegenueber erscheinen lassen, und unseren erhabenen Herrn moechte ich geliebt wissen allenthalben!" Weichgestimmt reichte Wolf Dietrich dem Freunde die Hand und dankte fuer das ehrlich offene Wort. "Gut denn! Es soll nach deinem Rat geschehen! Will Freund Lamberg zu Tisch verbleiben? Salome wird sich freuen, dich begruessen zu koennen!" Ausweichend erwiderte Lamberg: "Wenn Hochfuerstliche Gnaden verstatten, moechte ich jetzund einige Herren des Landschaftsausschusses aussuchen, um eine Zustimmung zur Weinsteuer zu propagieren!" "Das hat wohl Zeit bis morgen! Wir wollen vergnuegt zusammen speisen und haben solche Erquickung vollauf verdient nach schwerer Beratung. Dieweilen ich die Hauptpunkte noch rasch fixiere, soll Graf Lamberg meiner Salome Gesellschaft leisten!" Dies sprechend gab der Fuerst ein Klingelzeichen und gebot dem eintretenden Kaemmerer, den Domkapitular der Fuerstin anzumelden und dorthin zu geleiten. "Auf Wiedersehen, Graf, bei Tisch!" Unter genauester Beobachtung des Hofceremoniells verliess Lamberg das fuerstliche Arbeitsgemach und folgte den Kaemmerer in die Apartements der Favoritin, auf welchem Wege der Graf sowohl in reichgeschmueckten Zimmern als auch an den Korridorwaenden viele neue Gemaelde erblickte, die Wolf Dietrich wohl erst vor kurzem musste angeschafft haben und welche vielfach Darstellungen poetischer Fabeln, idealisierter Frauengestalten aus der Mythologie enthielten und dem Geschmack des Fuersten alle Ehre machten. Vor einer Venus hielt Lamberg einen Augenblick inne und widmete dem Bild eine fluechtige Betrachtung, das eine treffliche Kopie eines vom Kapitular im Palast des Kardinals Marx Sittich zu Rom gesehenen Originals zu sein schien. Dienstbereit glaubte der Kaemmerer sagen zu sollen, dass dieses Bild erst vor wenigen Tagen aus Rom fuer den gnaedigen Fuersten angekommen sei. Lamberg erwiderte kuehl: "Ich kenne das Original zu Rom!" "Das waere etwas fuer die Salzburger, welche glauben, im Palazzo eines Erzbischofes duerfen nur Heiligenbilder sein!" meinte der Kaemmerling. "Es wird ausschliesslich eigene Angelegenheit des durchlauchtigen Fuersten sein, den Palast nach Gutduenken auszuschmuecken!" sprach abwehrend Graf Lamberg und schritt weiter, um sodann in einem luxurioes ausgeschmueckten Gemache des Bescheides zum Empfang zu harren, indes der Kaemmerling sich behufs Meldung zur Kammerfrau Salomes begab. Lamberg, der viel in Rom gewesen und in vornehmen Haeusern verkehrt hatte, wunderte sich ueber die kostbare Ausstattung der fuerstlichen Gemaecher keineswegs, da selbe welschem Geschmack und italienischer Prachtliebe entsprach; aber der Kapitular brachte den Luxus in Zusammenhang mit der eben gehoerten Klage des Fuersten ueber den herrschenden Geldmangel, und in diesem Sinne war die Ursache der Kassenleere unschwer zu erraten. Lambergs Gedanken bewegten sich denn auch in dieser Richtung und fuehrten zu Bedenken schwerer Art fuer die Zukunft. So kurze Zeit der Fuerst regiert, er ist bereits auf gefaehrlichem Wege, und seine Liaison mit der Kaufmannstochter wird sicher noch zu den aergerlichsten Folgen fuehren. Dass Rom daran noch keinen Anstoss genommen, vermag sich Lamberg nur aus der kurzen Spanne Zeit seit Entrierung dieses Verhaeltnisses sowie aus dem Umstand zu erklaeren, dass der Nuntius bislang nicht in Salzburg gewesen ist. Einen guten Ausgang kann aber diese Liaison nimmer nehmen, darueber ist sich Lamberg klar und deshalb entschlossen, nach Moeglichkeit wenigstens eine wirkliche Ehe zu verhindern und damit den drohenden baldigen Sturz des Freundes. In diesen Gedanken versunken war Lamberg tiefernst geworden und schreckte fast zusammen, als der Kaemmerling meldete, dass die Gebieterin bereit sei, den Grafen zu empfangen. Lamberg zwang sich zu hoefischen Formen und scheuchte die ernsten Gedanken hinweg. Ganz Hoefling und mit laechelnder Miene trat er in das mit fuerstlichem Prunk ausgestattete Empfangsgemach, in welchem Salome auf einem goldgestickten Tabouret mit einer Perlenarbeit beschaeftigt sass. In blaue Seide gekleidet, sah die Favoritin im Goldschmuck ihres blonden Haares wahrhaft entzueckend aus, und Lamberg musste den Fuersten in diesem Augenblick wirklich entschuldigen. Salome hatte den eintretenden Kapitular mit schnellem, forschendem Blick gemustert, dann aber sprach sie laechelnd: "Willkommen, Graf, in meinem Reich!" und lud durch eine Geste den Besucher ein, an ihrer Seite Platz zu nehmen. Nach tiefer Reverenzerweisung folgte Lamberg dieser Einladung und erwiderte: "Seine Hochfuerstliche Gnaden haben mich zur Tafel befohlen und mir aufgetragen, vorher in diesen Raeumen meine submisseste Aufwartung zu machen!" Salome hatte augenblicklich die Situation erfasst und schnell sprach sie: "So kommt Graf Lamberg nicht freiwillig, gehorcht lediglich einem Befehl des gnaedigen Fuersten?!" "Gewiss!" klang es trocken, doch fuegte der Kapitular sogleich hinzu: "Wie sollte auch ein schlichter Unterthan zur hohen Gnade eines Empfanges ohne Befehl gelangen!" "Graf Lamberg darf doch wohl stets freundlichen Empfanges gewaertig sein!" Sich dankend verbeugend sprach der Kapitular: "Ich kann nur heissen Dank fuer die wohlwollende Gesinnung zu Fuessen legen der ebenso schoenen als guten gnaedigen Frau!" "Frau?! Ihr wisst so gut wie ich, dass keinen Anspruch ich geniesse auf dieses Ehrenwort, und offen sei's gesagt: Ich leide schwer unter sothanem Mangel der Legitimitaet!" "Gnaedige Gebieterin leiden zu wissen, beruehrt schmerzlich Dero unterthaenigsten Diener!" "Wenn Ihr heget Mitgefuehl, so leiht Euren Arm, weihet mir Eures Geistes Kraft, helft mir erreichen das ersehnte Ziel!" "Ihr ueberschaetzet wohl im heissen Drange meine schwache Kraft, gnaedige Gebieterin! Wie sollt' ein Unterthan vermoegen des hohen Herrn Plaene zu beeinflussen?!" "Graf Lamberg ist des Fuersten Freund und gewichtig jedes Wort! Warum nur will Graf Lamberg nicht sein auch meines Wesens warmfuehlender Freund?" Der Kapitular richtete blitzschnell einen forschenden Blick auf Salome, senkte dann wieder die Lider und sprach leise: "Was koennt' meine Freundschaft Euch auch nuetzen?!" "Mein Ohr vernimmt das 'Nein', so warm auch klingt der Ton der leise abwehrenden Rede!" "Nicht doch, gnaedige Gebieterin!" Salome richtete sich auf, fest im Ton sprach sie: "Ihr wollet nicht, ich ahnt' es laengst! Mir sagt mein Herz, Graf Lamberg ist der Feind des legitimen Bundes!" Jetzt gab auch der Kapitular in der Erkenntnis, durchschaut zu sein, das Spiel mit Ausfluechten auf, trocken erwiderte er: "Streng und scharf umzogen ist der Bereich meines Wirkens! Spraech' ich im Amte, missbilligen muesst' ich jeglichen Bund im Sinne kirchlicher Gesetze. Unmoeglich ist jedoch die Legitimitaet, die Strafe Roms wird folgen rasch solch verhaengnisvollem Schritt!" Hoehnisch klangen der Favoritin Worte: "Die Strafe Roms! Wie straft Rom wohl einen Marx Sittich und sein unkirchlich Leben?" Erstaunt, voellig ueberrascht rief Lamberg: "Ihr wisst davon?!" "Jawohl! Warum nahm des Papstes Heiligkeit keinen Anstoss an der Ehe des verwandten Kardinals? Entspricht der tolle Lebenswandel seines Sohnes Robert und der Tochter Althaea den Gesetzen, die auch fuer einen Kardinal gelten muessen?" "Marx Sittich ward Vater, ehe der Kardinalspurpur ihn bekleidete! Und Rom ist nicht Salzburg!" "Ausfluechte, weiter nichts! Was bei dem einen nicht strafbar ist, kann beim anderen zum mindesten geduldet werden! Und Wolf Dietrich kann das pater noster lateinisch beten! Kann das der Kardinal auch?" "Das wisst Ihr auch?" stammelte in massloser Ueberraschung ueber solche intime Kenntnis roemischer Verhaeltnisse Graf Lamberg. "Nimmt Euch das Wunder?" "Wenn ich denke an das Unmoegliche: ja!" "Was soll unmoeglich sein?" "Unmoeglich ist, dass der gnaedige Fuerst solche Informationen selbst gegeben!" "Meint Ihr?! Schlimm waere es, saehe der Fuerst in mir nicht auch die vertraute Freundin, mit der man alles bespricht. In diesem Teile hat eingeloest der Fuerst sein Wort: zu teilen Thron und Leben mit mir!--Ihr moeget viel von Politik mit dem Gebieter reden und geben manchen Ratschlag, eine Instanz steht dennoch ueber Eurer Plaene feingesponnenes Gewebe...." "So existieret das Faktum eines Konseils in Seidenrocken?! Das wusst' ich wahrlich nicht!" "Nun wisset Ihr's! Und Eure Wissenschaft will ergaenzen ich: Seid Ihr fuerder nicht fuer mich und den ersehnten legitimen Bund, so seid Ihr nicht Freund, seid Ihr ein Feind, und gegen Feinde werd' ich mich zu wehren wissen!" "Ich bin nichts weiter als der treuergebene Diener meines gnaedigen Herrn und habe dessen hoechstes Wohl und dessen Thrones Sicherheit zu foerdern bis zu meinem dereinstigen Ende!" "Fuer des Fuersten Wohl lasst mich nur sorgen! Und seines Thrones Sicherheit weiss Wolf Dietrich wahrlich selbst zu schuetzen!" Jetzt zuckte Lamberg die Achseln und spoettisch sagte er: "In diesen Zeiten drohender Rebellion im Erzstift wird Frauenpolitik kaum Ruhe schaffen!" Ein diskretes Klopfen an der Thuere veranlasste die sofortige Unterbrechung des Gespraeches, die auf Geheiss Salomes eintretende Kammerfrau meldete das Nahen des Fuersten und zog sich dann diskret zurueck. Leise sprach Salome: "Wie will Graf Lamberg es nun halten?" und erhob sich von dem Sitze. Gewandt, aalglatt erwiderte der Kapitular: "Die gnaedige Gebieterin wolle verfuegen ueber mich!" "Gut denn, kommt des oefteren als Freund!" Der Eintritt Wolf Dietrichs ueberhob Lamberg einer Antwort. Man plauderte noch ein Weilchen, dann reichte der Fuerst Salome den Arm und geleitete die Dame seines Herzens, gefolgt von Lamberg, in den Speisesaal, in welchem Hoeflinge und einige zur Tafel geladene Patrizier bereits harrten. V. Der Hausfaktor im Kaufhause Wilhelm Alts trat schluerfenden Schrittes, aengstlich besorgt, jeglichen Laerm zu vermeiden, in das Gemach, in welchem der Handelsherr auf seinem Lager ruhte, und meldete, als Alt den faltenreichen Kopf nach dem Eintretenden drehte, mit halblauten Worten, dass der Ratsherr Puchner zu Besuch gekommen sei. Das vergraemte Antlitz des Kaufherrn erhellte sich fuer einen Augenblick, doch Alts Stimme klang wie immer hart, als der Unbeugsame, welcher infolge der aufregenden Flucht der vielgeliebten Tochter kraenkelte, dem Faktor zurief: "Lass ihn herein und hindere jegliche Stoerung!" In Erwartung des Besuches blieb Alt halbaufgerichtet im Bette sitzen, ein Sonnenstrahl verirrte sich ins Gemach und huschte ueber Alts Gestalt, um rasch wieder zu verschwinden. Leise trat Peter Puchner ein und drueckte die Thuer sanft ins Schloss. "Ei, Freund Puchner! Nur nicht so aengstlich! So schlimm steht es noch nicht um mich, dass ein kleines Geraeusch mich schon von dannen bringen mag! Willkommen, Puchner!" "Gott zum Gruss, Freund Alt!" "Nimm einen Stuhl und setz' dich zu mir ans Lager! Ich kann nicht auf, zu schwach sind geworden die Fuesse! Der Alt ist alt geworden bass, ich kann's nicht laenger leugnen!" Puchner sass an der Bettlade und wehrte ab: "Sag' doch dergleichen nicht! Freund Willem, die trutzige Wetterfichte, die trotzt noch manchem Sturm!" "Nein, nein! Hab' an dem einen Sturm just genug! Doch davon soll die Red' nicht sein! Was ist dein Begehr, Puchner? Kommst du in Heimgart oder hast ein Geschaeft im Aug'?" "Nicht von Geschaeft soll die Rede sein, wasmassen ja alles darnieder liegt in dieser trostlosen Zeit, die uns das Wasser wird gar schwer auch noch versteuern. Nein, Willem! Nachschauen bei dir wollt' ich und fragen, wie es dir ergeht; hab' dich seit Monden nicht gesehen. Ist nimmer allzufrueh, dass der Freund kommt fragen!" "Hab' Dank, Puchner! Es muss ertragen werden! Komm' ich nur wieder auf die Fuesse, mit dem Saldo raeum' ich auf!" "Bist immer unversoehnlich noch, Freund Alt?" Ein schrilles Lachen kam von des Kaufherrn hoehnisch aufgezogenen Lippen: "Unversoehnlich? Ja! Niemals kann verzeihen ich den Schritt, der die Ehr', mein Leben hat geschaendet und vergiftet! Rache will ich haben, Rache, das ist meines Lebens einziges Ziel!" "Bleib' ruhig, Freund! Und nehm's nicht gar zu schwer!" "Ha! Du redest wie der Blinde von der Farb'! Waerst du in meiner Lage, ich denk', Taubenblut floess' nicht in deinen Adern und dein alter Kopf wuerd' sinnen auf Rache und Vergeltung!" Puchner seufzte und schwieg. "Nichts weiter davon! Kommen wird der Tag und getreulich will als Kaufmann ich die Rechnung stellen! Genug!--Was ist in der Landschaft wohl des Neuen verhandelt worden?" "Heut war Sitzung, die stuermisch arg verlaufen. Die Stifter wie die Gestrengen aus der Adelssippe, die wetterten nicht wenig, dass zahlen sie sollen gleich dem Buergersmann." "Das will ich gerne glauben! Was der Fuerst bis jetzt gethan, dies Steuermandat ist das einzig', was der Gerechtigkeit entspricht!" "Dem Erzbischof wird's Kampf genug noch kosten!" "Warum soll der nicht auch den Ernst des Lebens spueren!" "Er spuert das, glaub' ich, laengst; doch versteht er's wahrlich, nicht uebergross werden zu lassen die Last der Sorgen.--Die Landschaft hat zugestimmt." "Wirklich? Wie ist mir doch? Ich vermeine, es hiess, die Steuer sollte gelten 'fuer ewige Zeiten'? Hat solche Fussangel keiner gesehen, die Schlinge um den Hals nicht gefuehlt?" "Doch! Mehr als einer sprach sein Bedenken aus; aber es fehlte nicht an Stimmen, die zur Annahme rieten, weil mehr und Hoeheres zu gewinnen sei, so man jetzund ist dem Fuersten zu Willen." "Mit dem Strick um den Hals kann man nicht Koenig werden!" "Das ist wohl richtig. Aber des Fuersten Freund, der Domherr Graf von Lamberg, hat vertraulich wichtige Kunde werden lassen dem Ausschuss!" "Trau einer diesem list'gen Fuchs!" "An gutem Willen mag es dem Domherrn wohl nicht fehlen. Lamberg liess uns wissen, dass die Annahme des Hauptmandates mit sich bringe den Nachlass der Handelssteuer um ein Dritteil." "Und das habt Ihr frischweg geglaubt?" "Die Kaufmannschaft stimmte zu, der Vorteil ist handgreiflich." "O Einfalt! Einem Wolf Dietrich trauen, es ist unsaeglich dumm!" "So schlimm, als man ihn ausschreit, ist er nicht; gar manchen schoenen Zug erzaehlt man sich von ihm. Wird er erst aelter sein, gereifter, er wird noch gut und recht fuer unser Land, es steckt Gutes in ihm, ich glaub' es selber!" "Puchner, mir bangt um dich!" "Aus dir spricht nur der Hass und Zorn. Hast ueberwunden einmal die bittere Zeit, wirst auch Lobenswertes finden du am Fuersten, der Grosses will und Edelmann ist jeder Zoll." "So kann's nicht fehlen: Lobt der Buerger den Edelmann, hat der Adel das Recht, den Dummen die Haut ueber den Kopf zu ziehen." "Derweil will fuer dumm ich gelten, ich hab' gute Hoffnung auf den Fuersten! Bin ich recht berichtet, will erklaerlich mir erscheinen die Hast in den Mandaten." "Wie meint Freund Puchner?" "Der Fuerst ist schlecht bei Cassa!" "Bravo, Alter! Erst sinnlos wirtschaften, das Geld mit vollen Haenden wegwerfen, prunken und prassen, und nun die Kassen leer, presst der Schlemmer das Volk aus wie Limonien, und eines Volkes weise Landschaft findet das in schoenster Ordnung. Puchner, ich rate dir, melde dich beim Kaiser, der macht dich zum Reichspfennigmeister. Zacharias Geizkofler ist zwar erst jung im Amt und tuechtig, hat sein Geschaeft gut erlernt bei den Fuggern zu Augsburg, du aber bist selbst diesem Manne ueber. Wenn der Kaiser kein Geld hat, lobt ihn der Puchner und findet erklaerlich jedes Geld erpressende Mandat! Alle Achtung, Puchner!" "Spott' nur zu, Willem! Wer auf dem Geldsack sitzt, hat leicht Sparsamkeit predigen. Des Lebens Not hat Willem Alt nie gelernet kennen. Was weisst du, wie zu Mute sein mag einem Fuersten ohne Mittel?!" "Dann haett' er sich nicht lassen sollen waehlen!" "Du bist verbittert, Alt, der grimme Zorn truebet dir den Sinn. Und zu streiten bin wahrlich ich nicht gekommen. Geplaudert ist genug, ich wuensch' dir baldige Genesung und den Frieden im Gemuet...." "Den find' ich auf Erden nimmer!--Hab' Dank fuer deinen Besuch, Puchner, und komm' bald wieder!" Puchner reichte dem Kaufherrn die Hand zum Abschied und erschauerte; Alts Rechte war abgemagert, nur Haut und Knochen, und eiskalt. Auf dem Heimweg war Puchner dessen froh, dass er dem kranken, rachegluehenden Handelsherrn nicht alles aus der Landschaft erzaehlte, was Alts Zustand jedenfalls noch staerker wuerde erregt haben, als es ohnedies schon der Fall gewesen. Welch' grimmige Bemerkungen sind im Ausschuss doch gefallen ueber die Prunksucht des geldgierigen Fuersten, ueber die Verschwendung, ueber das Leben Salomens am fuerstlichen Hofe, deren Aufwand, und manches Wort, wenn auch geradezu widersinnig, ward gesprochen im Hinblick auf Wilhelm Alt, dem man sothane Bescherung zu Salzburg zu verdanken habe. Als wenn der in seiner Ehre so empfindlich getroffene, der Tochter beraubte Handelsherr auch nur den leisesten Anteil an der Gestaltung der hoefischen Verhaeltnisse haette! Und wie wuerde der gebrochene Mann mit Aufgebot der letzten Willenskraft gewettert haben, haette er erfahren, dass die Landschaft nicht nur die einmalige Einhebung der bevorstehenden Tuerkensteuer, sondern auch die Bezahlung fuer die naechstfolgenden Jahre bewilligte, alles in der Hoffnung, auf dem Gebieter auf einen einigermassen ertraeglichen modus vivendi zu kommen. VI. Salzburgs Berge trugen blinkenden Neuschnee, weiss waren die Fluren in weiter Thalung, der Fruehwinter zog ins stiftische Land. Daempften die wirbelnden Flocken den Aufruhr in der Natur, legten sich die Stuerme, es ward auch ruhiger im Buergerleben der Bischofsstadt, nachdem seitens der Landschaftsmitglieder den Buergern auseinandergesetzt worden, dass man nur der Not gehorchte, indem die Zustimmung zu den Steuermandaten des Fuersten erteilt wurde. Loderte mancher Hitzkopf in der Ratsstube der bei Wein oder Bier in der Trinkstube auf und donnerte gegen die Misswirtschaft, so hielten verstaendigere Leute entgegen, dass die Hauptsache sei, mit dem hochfahrenden Fuersten zunaechst ein Auskommen zu finden, ansonsten es weit schlimmer werden muesste. Was jetzt gefordert werde, koenne der Salzburger zahlen, eigentlich sogar ein Erkleckliches mehr, man habe in der Landschaft gejammert genug und sich endlich zufrieden gegeben. Dafuer muesse aber Ruhe werden. Maehlich wirkte solche Beschwichtigung, und der reichliche Schneefall schlaeferte das Leben ein. Besondere Ereignisse gab es nicht, selbst bei Hof ging es ruhig, ohne Prunktafeln oder sonstiges Schaugepraenge zu; Salzburg trug mit dem Schnee auf den Daechern eine gewaltige Schlafmuetze auf dem Kopf. Ein stilles Schaffen in den Schreibstuben der Handelsherren wie auch in den Kanzleien der Behoerden; lauter ward es in den Arbeitsstaetten der Wagner und Schmiede, bei letzteren geht die Hufbeschlagsarbeit und Wagenbereifung ja das ganze Jahr ueber nicht aus. Der Winter liess sich ehrlich an, wie es Brauch ist im Gebirg. Es schneite etliche Tage ununterbrochen, dann setzte Frost ein, der die Schneeschicht rasch erhaertete, so dass die Kaerrner nach den Kufen griffen und die Lasten auf Schlitten verfrachtet wurden. Haar und Bart weissbereift zogen die Knechte neben den gleichfalls an Kopf und Schwanz bereiften Pferden schneewatend die Strasse vom Pass Lueg ueber Hallein gen Salzburg und die Schlitten verursachten im harstigen Schnee ein knisternd singendes, pfeifendes Geraeusch. Vom Staufen her wirft die zur Rueste gegangene Sonne leuchtende Strahlenbuendel zum Untersberg und hinein in den grauen Himmel. In der Richtung des Gaisberges wogt nebliger roetlichblauer Dunst, der sich rasch ueber die gurgelnde Salzach verbreitet, die Thalung bis zu den Felstuermchen der Salinenstadt erfuellt. Die Kaerrner wandern peitschenknallend durch die Daemmerung und fluchen ueber die Verspaetung, das langsame Vorwaertskommen durch den tiefen Schnee. Der Hochthron des Untersberges erglueht im letzten Sonnengold, ein purpurn Aufleuchten bis hinueber zum Goehl und den vereisten Zinnen des Tennengebirges, dann steigt kalter Nebel aus der Thalung auf, immer rascher sich hebend, bis erst ein feiner Dunst das Firmament verschleiert, durch den die Sterne funkeln, bis sich der Nebelschleier stark verdichtet. Die Kaerrner wussten wohl, warum sie ihre Rosse immer wieder antrieben und die Fahrt beschleunigen wollten. Folgte ihnen doch auf Entfernung eines Halbtages ein Trupp "Gartbrueder"[7], denen ein uebler Ruf vorauslief. Der Trupp, so hiess es, komme von der ungarischen Grenze und ziehe gen Salzburg, weil auf Gebot des Erzbischofes in Kaernten den gartierenden Knechten nichts verabreicht werden duerfte, ja weil ein Punkt der Verordnung ausdruecklich besagte, dass ein Gartbruder in Widerlichkeit totgeschlagen, der Thaeter aber nicht zur Strafe gezogen werden duerfe. Die Kaerntner machten sich diese Erlaubnis gerne zu nutze und vertrieben diese Landplage rasch, weshalb den mit vielem Gesindel vermischten Gartbruedern nichts anderes uebrig blieb, als dem Urheber ihrer Verjagung einen Besuch abzustatten und die "Ritterzehrung" vom Erzbischof zu erbitten. Mit solchem Gesindel im Ruecken wird jeder Fuhrmann eilig, und schneller, als man es bei Frachtfuhrwerken moeglich halten sollte, erreichten die Kaerrner die schuetzende Stadtmauer von Salzburg, und ehe noch voellig ausgeschirrt war, flog die Alarmkunde von dem Anruecken der Gartbrueder durch die Stadt, ueberall Aufregung und Schrecken erzeugend. Im Keutschachhofe, der fuerstlichen Residenz, erfuhr man davon auch, und den Thuerstehern schien die Kunde wichtig genug, sie den Kaemmerern zu ueberbringen, auf dass der Landesherr verstaendigt werde. Wolf Dietrich verbrachte aber den Winterabend in den wohlig erwaermten, behaglichen Raeumen Salomens, wo er nicht von Aussendingen behelligt werden will. Das Licht einer venetianischen Ampel bestrahlte mild das reichgeschmueckte Gemach und liess Salomes Blondhaar in zauberhaftem Goldton erscheinen. Bleich waren der Gesponsin Wangen, muede der Blick der sonst so lebfrischen Augen; Salome schien kraenklich, die fruehere Munterkeit, das schalkhafte Wesen, der spruehende Witz ist verflogen, die nimmermueden Haende ruhen unthaetig im Schoss, die Perlenarbeit ist unvollendet geblieben. Dem scharfen Auge Wolf Dietrichs blieb diese Veraenderung nicht verborgen, von Sorge erfuellt trat er naeher und fragte in liebreichen, milden Worten, ob er den Medikus senden duerfe. Den lieblichen Blondkopf schuettelnd erwidere Salome: "Nein, mein gnaediger Fuerst und Herr! Ich danke Euch inniglich fuer sothane gnaedige Fuersorge. Doch der Medikus ist hiezu nicht noetig!" Der Ton machte den jungen Gebieter stutzig und wieder besah er das holde Frauenbild an seiner Seite. "Salome, was ist dir?" Da neigte Salome das Koepfchen und fluesterte ergluehend dem geliebten Gebieter ein zart Geheimnis ins Ohr. "Sonne meines Lebens, holdes, herrliches Weib! Wie soll ich dirs danken!" rief Wolf Dietrich beseligt, sank ins Knie und ueberdeckte Salomes zusammengefasste Haende mit heissen Kuessen. "Welches Glueck gewaehrt mir mein suesses, holdes Weib!" Ein Schatten flog ueber Salomes Antlitz, geisterhafte Blaesse machte die bleichen Wangen schier durchsichtig, bebenden Tones sprach Salome: "Glueck? Meinem gnaedigen Herrn mag es frohe Botschaft sein! Mir nagt die Sorge am Herzen!" "Sorgen, du--?" rief Wolf Dietrich und erhob sich. "Ich dachte, fern gehalten sei des Lebens jegliche Alltagssorge von dir, und sicher betreuet dein Walten an meiner Seite! Was zu erwarten bringt wohl Sorgen, die gleich sind im Palazzo wie in der Armut Huetten! Koeniginnen und Bettlerinnen teilen eins mit dem andern gleich die Bestimmung des Weibes!" "Nicht das, geliebter Herr und Fuerst, erfuellt mein dankbar Frauenherz mit banger Sorge--der Blick in der Zukunft Tage ist trueb, will sich nicht klaeren--" "Nicht vermag erfassen ich den Sinn der dunklen Worte!" "Ein Wort von Euch, geliebter Herr, und Sonnenschein erleuchtet mir den Weg bis zur schweren Stunde!" Jetzt wusste Wolf Dietrich die Sehnsucht der Favoritin zu deuten, und nun flog ein Schatten des Unmutes ueber sein Antlitz, und ein Zucken lief durch seinen schmaechtigen Koerper. Hastig sprach der Fuerst: "Verzeih', Salome! Schon einmal musst' um Geduld ich bitten dich und anjetzo wiederhol' ich solche Bitte. Der Zeitenlauf stellt uebel sich zu diesem Plane! Restaurieren soll ich, den Priesterstand purifizieren. Ich kann nicht in dieser Zeit ein verderblich Beispiel geben, das hundertfach Nachahmung wuerde finden und mich bringen in Konflikt mit Rom." Salome brach in Thraenen aus und schluchzte bitterlich. "Gebeut der Zaehren, mein holdes, suesses Weib! Mein fuerstlich Wort, ich geb' es dir wie einst, da wir den Lebensbund geschlossen, doch jetzund vermag ich's nicht, die Zeit ist staerker als mein eigner Wille, und stoeren wuerde die Legitimitaet die Plaene Roms...." Salome blickte thraenenerfuellten Auges fragend auf. "Ja, Geliebte! Ich habe sichere Kunde, dass lohnen will Rom meine Dienste mit dem roten Hut--" "So wird Kardinal mein gnaediger Herr?" fragte zitternd die Favoritin. Wolf nickte. "Mein Oheim Hohenems gab Kunde mir durch vertrauten Boten, doch liess er zugleich wissen mir, dass Bayerns Herzog feindlich sich stelle gegen meine Promotion." "Wer kann Feind sein meinem gnaedigen Herrn!" "Salome, meines Herzens Glueck und Wonne freilich nicht und das dank' ich dir aus ganzem Herzen. Doch anders ist es in der Politik, und Bayern wuehlt, seit gekuendigt ich aus guten Gruenden den Landsberger Bund. Schier fuercht' ich, es werden erwachsen stuermische Zeiten noch aus dieser Sache, fuer Salzburg ist Salz ein wichtig und gar strittig Ding. Genug davon, in holder Damen Naehe sei verpoent die Politik. So viel nur sei gesagt und nur fuer deine Ohren: Bestrebt muss ich sein, Bauern zu gewinnen oder doch des Herzogs Neutralitaet erreichen in der Frage meines Kardinalates. Drum bitt' ich dich, Geliebte meines Herzens, hab' Geduld! Fuerstin bist du an meiner Seite, stehest an der Spitze des Hofes gleich mir, bist Gattin mir und--" "--Mutter!" hauchte Salome, "Mutter eines Kindes, das ehrlicher Geburt sich nicht wird zu erfreuen haben!" "Nicht doch, Salome! Als Fuerst geb' ich dem Sproessling meinen Namen, mit Fug und Recht, mit der Macht des Stiftsherrn nenn' einen Raittenau ich, so ein Knab' mir wird gegeben aus deinem Schoss!" Ueber Wolf Dietrich war jene Unruhe gekommen, deren Beute der heissbluetige Fuerst immer ward in unangenehmen Dingen. Hastig brach er die Zwiesprache ab, kuesste Salomes schmale Hand, versprach ein baldig Wiedersehen und verliess das traute Gemach, in welchem die Favoritin leise schluchzend zurueckblieb. Im Arbeitskabinett, das von Dienern inzwischen hell erleuchtet worden war, erhielt der Fuerst nun die Meldung, dass ein Haufen Landsknechte, Gartbrueder von der ungarischen Grenze und aus Kaernten verwiesen, vor den Thoren stuenden und vom gnaedigen Herrn die Ritterzehrung erbitten moechten. Das vom Vater ererbte Soldatenblut regte sich im Fuersten, der durchaus nicht etwa besorgt, im Gegenteil amuesiert rief: "Ha, Landsknechte! Das bringt kriegerisch Leben in unsere Stadt! Ich brauche Leute auf Hohensalzburg wie auf Hohenwerfen, und laengst schon wartet des Kaisers Majestaet auf Salzburgs Tuerkenfaehndlein!" Der Hofmarschalk erhielt Auftrag, die Landsknechte einzuladen und fuer deren Unterkunft auf Kosten des Fuersten zu sorgen. So zog denn ein Haufe von etwa 500 Mann im wuchtigen Taktschritt spaet abends durch die Steingasse ein, und den Trommelschlag begleitete nach Landsknechtart der charakteristische Ruf: "Huet' dich, Bauer, ich komm'!" Es nuetzte im Geviert der engeren Stadt nicht viel, dass die Buerger ihre Haeuser aengstlich verschlossen hielten, die Einquartierung auf fuerstlichen Befehl musste vollzogen werden, doch brachte man den groessten Teil der Soldateska in bischoeflichen Gebaeulichkeiten unter, und so namentlich die Weiber, Maegde, Buben, Marketender und Haendler, die wie immer den Beschluss des letzten Haufens bildeten. Die Noblesse des Fuersten, fuer die obdachlose Soldateska zu sorgen, wurde von den Landsknechten fuers erste dankbar anerkannt, bei reichlicher Mahlzeit und gespendetem Bier und Wein proklamierten die Kerle jubelnd den kriegerischen Bischof als ihren "Patron". Die Kunde von solch' guter Aufnahme in Salzburg und der fuerstlichen Munificenz lief aber rasch hinaus ins Land, auch nach Bayern, und hatte zur Folge, dass noch mehr versorgungslustige Landsknechte zustroemten, mit ihnen Abenteurer aller Art in Haufen, die alle der noblen "Ritterzehrung" teilhaft werden wollten und alsbald die Salzburger wegen mancherlei Uebelthaten zum Klagen brachten. Beschwerden ueber Beschwerden wurden laut, sie drangen auch zum Ohr des Fuersten, der schliesslich gebot, es solle Gericht gehalten und der aergste Uebelthaeter zur Abschreckung der anderen bestraft werden nach Landsknechtbrauch. Das gab denn eine Augenweide fuer die Salzburger, welche manchen erlittenen Schaden aufwog. Das "Recht der langen Spiesse" sollte in Wirklichkeit zum Vollzug kommen, und zwar an einem Gartbruder, der schimpflich gestohlen, geraubt und dabei wehrlose Weiber aufs Blut geschlagen hatte. An einem kalten Morgen wurde auf einem freien Platz vor der Stadtmauer von allen Landsknechten ein Kreis gebildet und der Profoss, umgeben von fuerstlichen Trabanten, trat mit dem Angeschuldigten in diesen Kreis. Halb Salzburg besah sich das Schauspiel, wo immer ein Platz zu erobern war. Feierlich erklang die Ansprache des gefuerchteten Profossen. "Guten Morgen, Ihr lieben, ehrlichen Landsknechte, Edel und Unedel, wie uns Gott zueinander gebracht hat! Ihr traget alle Wissen, wie wir anfaenglich geschworen haben, gut Regiment zu fuehren, dem Armen wie dem Reichen, dem Reichen wie dem Armen, alle Ungerechtigkeit zu strafen, darauf ich, liebe Landsknechte, auf heutigen Tag ein Mehr[8] begehre, mir helfen solches Uebel zu strafen, dass wir es verantworten koennen bei dem gnaedigen Fuersten!" Kreideweiss ward des Delinquenten Gesicht. Nun erhob der Feldwebel seine rauhe Stimme: "Ihr habet des Profossen Wort verstanden; welchem es lieb ist, dass wir demselben nachkommen, der hebe seine Hand auf!" Im Banne des Augenblickes streckten wohl fast alle Knechte die Haende auf. Der Profoss erhob die Anklage, nach welcher der anwesende Gartierer unter Missbrauch von Landsknechterecht und Gastfreundschaft Diebstahl, Raub und Schlaegerei veruebet, sich also eines schweren Verbrechens schuldig gemacht habe und auf fuerstlichen Befehl gepoent werden muesse. Auf bemeldtem Verbrechen stehe das Recht der langen Spiesse. Auf den Vorhalt, ob der Angeklagte seine Unthat verantworten koenne, brachte der Gartierer, dem trotz der Winterkaelte der Angstschweiss von der Stirne lief, kein Wort hervor. Dreimal und unmittelbar hintereinander wurde die Klage wiederholt und ebenso oft zur Verantwortung aufgerufen. Der Gartierer wimmerte zum Schluss um Gnade. Die zwei anwesenden Faehnriche thaten ihre Fahnen zu, steckten sie mit dem Eisen in den schneeigen Boden, und einer derselben sprach fest und laut: "Liebe, ehrliche Landsknechte! Ihr habet des Profossen schwere Klage wohl vernommen, darauf wir unser Faehnlein zuthun, und es in das Erdreich kehren und wollen es nimmer fliegen lassen, bis ueber solche Klage ein Urteil ergeht, auf das unser Regiment ehrlich sei. Wir bitten Euch alle insgemein, Ihr wollet im Rat unparteiisch sein, soweit eines jeden Verstand ausreicht. Wann das geschieht, wollen wir unser Faehnlein wieder lassen fliegen und bei Euch thun, wie ehrlichen Faehnrichen zusteht." In der Erwartung des bevorstehenden Schuldspruches fuehlte niemand den beissenden Frost, der Haar und Bart der Soldateska wie der Buerger weissbekrustete. "Es trete ein Knecht vor und in den Ring, zu faellen das Urteil!" rief der Feldwebel. Einer der Landsknechte trat wohl vor, erklaerte aber, des Urteils allein sich nicht gewachsen zu fuehlen, weshalb er bitte, ihm noch vierzig Knechte zur Beratung beizugeben. "Dem geschehe nach Brauch und Wunsch!" verkuendete der Weibel und bezeichnete vierzig Landsknechte, die aus dem Ring traten und abseit Besprechung untereinander pflogen. Das dauerte eine Weile, dann kehrte die Schar zurueck, worauf nochmals einundvierzig Mann zur Beratung abkommandiert wurden. Beide Abteilungen wurden nun gefragt, ob sie das Urteil fertig haetten. Auf ihr schallendes "Ja!" wandte sich der Weibel an den gesamten, wieder geschlossenen Ring und verkuendete den Beschluss der zweiundachtzig Mann, der auf "schuldig" lautete. "Ist das Regiment gewillet, sobemeldtes "Schuldig" zu bestaetigen?" fragte er mit droehnender Stimme die Soldateska, "so erhebe jeglicher Knecht, Mann und Faehnrich, die rechte Hand!" Vielhundertfach flogen die Haende auf, die Schar schien ernstlichen Willens, die Missethat zu ahnden, um dadurch bei Fuerst und Volk wieder zu einigem Ansehen zu gelangen. Der Weibel verkuendete: "Das Regiment hat gesprochen, der Uebelthaeter ist schuldig. Man fuehre ihn zum Beichtiger! Derweilen nehme das Wort ein Faehnrich nach Brauch!" Das geschah in der Weise, dass einer der Faehnriche sich bedankte fuer die Willigkeit, gut Regiment zuhalten. Hierauf hoben beide Faehnriche die Fahnen wieder auf und entrollten sie im frischen Morgenwind. Der Profoss uebernahm jetzt den Befehl zur Exekution des Schuldspruches und liess eine Gasse bilden, deren eine Oeffnung die Faehnriche mit nach innen gefaellter Fahne verschlossen. Unter Trommelwirbel wurde der Verurteilte, dem ein herbeigeholter Priester die Beichte abgenommen, an den oberen Eingang der Gasse gebracht; die Knechte senkten ihre Spiesse, so dass die Gasse ein eisenstarrender Engpass wurde, aus dem es kein Entrinnen mehr giebt und der den sicheren Tod bringen muss. "Hierher mit dem 'armen Mann'!" befahl der Profoss, der nun den Delinquenten mit drei Schwertstreichen auf die Schulter im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes zum Todeslaufe weihte und dann der Soldateska verkuendete, dass der Knecht, welcher den Verurteilten ausbrechen liesse, gleichfalls ins Eisen laufen muesse. Zum Todgeweihten gewendet, rief der Profoss: "Nun auf! Lauf flink und fest ins Eisen, dann bist schneller erloeset! Marsch!" Ein Zoegern, ein letzter Blick voll Todesangst auf die starrenden Spiesse, ein Stoss von der Faust des unerbittlichen Profossen, dann sprang der Aermste los und rannte in die spitzen Eisen, dass es aus der Brust rot aufging. Ein Schrei--ein Roecheln--der Sterbende liegt im Schnee, ein Halbdutzend Spiesse stecken in der blutenden, zuckenden Brust, bis das Leben entflohen ist. "Die Spiesse auf! Zum Gebet!" befahl der Weibel. Die Soldateska kniete nieder und betete fuer die Seele des Vermiedenen. Und schluchzend beteten die Zuschauer aus der Buergerschaft mit, von tiefstem Mitleid fuer den Gerichteten ergriffen. Wieder ertoente ein Kommando, in dessen Befolgung die Knechte dreimal Umzug um den Leichnam hielten und die Hakenschuetzen dreimal ihre Buechsen abschossen. Damit hatte das blutige Schauspiel ein Ende. VII. Streng ward der Winter, der fruehzeitig mit Kaelte begonnen hatte. Die Folgen des Misswachses vom letzten Jahr bekamen die Salzburger zu fuehlen, es trat Teuerung, Kornmangel ein, und die Armen ueberliefen die Ratsherren, bestuermten den Buergermeister, auf dass dieser Hilfe schaffe. Ludwig Alt hatte ein Herz fuer die Notleidenden, er gab willig aus eigenen Mitteln, beriet sich mit den Mitgliedern des engeren Rates, sprach wohl auch mit dem Stadtkastner, aber mit den geringen Mitteln aus der Stadtkasse konnte der Kalamitaet in keiner Weise begegnet werden. So musste von selbst der Gedanke entstehen, den Landesherrn um Hilfe anzugehen, Wolf Dietrich zu bitten, einzugreifen. In einer Ratssitzung ward dieser Gedanke ausgesprochen und sogleich mit epischer Breite debattiert, wobei an verschiedenen Massnahmen des Fuersten bitterboese Kritik geuebt wurde. Sagte ein Ratsherr offen, dass die Verabreichung der Ritterzehrung an fremde Landsknechte ein Frevel sei, indessen die eigenen Unterthanen Not litten, ein anderer Senator beklagte mit leidenschaftlich erregten Worten die schwere Schaedigung des Handels durch die ruecksichtslos eingetriebenen Steuern und donnerte gegen den Langmut der Salzburger, die sich vom verschwenderischen Landesherrn voellig auspressen liessen. Vergeblich wehrte der Buergermeister solchen scharfen Worten durch die Glocke, die Redner liessen sich nicht beirren, auch nicht, als Ludwig Alt durch Zwischenbemerkungen auf die Gefahr aufmerksam machte, die entstaende, wenn der Fuerst von solchen boesen Worten Kenntnis erlange. Buerger, die nicht stimmberechtigt in der Landschaft waren, machten ihrem Unwillen Luft, dass der Ausschuss stets Ja und Amen zu den unertraeglichen Steuermandaten sage und sogar mehr bewillige, als der Fuerst gefordert, wie das bei der Tuerkensteuer der Fall gewesen sei. Bei einem so ueberaus klugen, scharfsehenden Herrn muesse die Ueberzeugung kommen, dass die Buergerschaft noch mehr geschroepft werden koenne, und es werde nicht lange mehr dauern, so habe man eine neue Bescherung auf dem Hals: die Landsknechtsteuer. Schwitzend vor Angst rief der Buergermeister dem Redner ein "Haltet ein!" zu, doch unentwegt polterte dieser weiter und fuehrte aus, dass es hoechste Zeit sei, dem Fuersten klar zu machen: Weiter gehe es nicht mehr! Wolle der Erzbischof das Landsknechtgesindel nobel verpflegen, so solle er das aus eigenem Saeckel bestreiten. Stundenlang waehrte die scharfe Debatte, bis sich die Redewut erschoepfte und der Buergermeister die Sitzung schliessen konnte, die nach der praktischen Seite hin nicht das geringste Ergebnis aufwies. Ludwig Alt ueberlegte in seiner Amtsstube lange, was zu beginnen sei, um Wolf Dietrich zum Eingreifen zu bewegen. Die Entsendung einer staedtischen Deputation erschien aus dem Grunde sehr bedenklich, weil der Fuerst moeglicherweise von den abfaelligen Reden Kenntnis haben oder aus unvorsichtigen Bemerkungen mutmassen koennte, dass scharfe Kritik im Stadthause geuebt worden sei. Ludwig Alt hatte seine eigene Unvorsichtigkeit beim damaligen Bankett nicht vergessen und sich hinterdrein selbst die bittersten Vorwuerfe ueber die seinerzeitige Schwatzhaftigkeit gemacht, wenngleich es an sich wahrscheinlich gewesen war, dass der in Steuerangelegenheiten so ueberaus findige Landesherr auch auf die Weinbelastung gekommen waere. Nach den gefaehrlich scharfen Reden einzelner Ratsherren dem Fuersten persoenlich die Bitte um Hilfe aus Landesmitteln zu unterbreiten, wagte der Buergermeister nicht; zwei seiner intimsten Vertrauten, die bei ihm in der Amtsstube sassen, sprachen sich auf Befragen auch dahin aus, dass der schriftliche Weg sicherer und weniger gefaehrlich sei. Und so liess denn der Buergermeister eine Bittschrift in beweglichen Worten vom Syndikus saeuberlich schreiben, die dann mit den noetigen Unterschriften versehen und an den Erzbischof in die Residenz geschickt wurde. Grosse Erwartungen hegte der Buergermeister nicht, so sehr er fuer die Armen baldige Hilfe wuenschte. Zum grossen Erstaunen Ludwig Alts erschien schon am naechsten Tage ein Beamter im fuerstlichen Auftrage und vermeldete dem Stadtoberhaupt, dass der Landesherr mit Betruebnis von der Bittschrift Kenntnis genommen und Befehl erteilt habe, es solle an die vom Buergermeister zu bezeichnenden Armen Korn in hinreichender Menge aus der stiftischen Kornkammer unentgeltlich verabreicht werden. Bestuende sonst noch Bedarf in Kreisen, die einigermassen ueber Geldmittel verfuegen koennen, so sollten diese Sippen Korn zu ermaessigtem Preise erhalten. Der Beamte fuegte dem bei: "Hochfuerstliche Gnaden versehen sich bei diesem Gnadenakte keinerlei Dankes, Hochdieselben wollen damit nur beweisen, dass das Herz des Landesherrn allzeit schlage fuer die Unterthanen." Der Buergermeister in massloser Ueberraschung empfand das missliche Schlingen und Wuergen im Hals, das ihm schon einigemal so ueberaus fatal geworden ist und immer just dann, wenn Alt schnell und doch wohlgesetzt sprechen sollte. Jetzt heisst es den tiefgefuehlten Dank der Stadt in passende Worte kleiden. Rede einer aber gut und schoen in einer Ueberraschung, die jeglichen Gedanken laehmt! Ludwig Alt aechzte, er kaempfte um Worte und gegen Willen und Absicht kam es ueber die zuckenden Lippen: "Die unterthaenige Stadt dankt Seiner Hochfuerstlichen Gnaden, sie haett' es nicht geglaubt...." "Wie meint der Herr Buergermeister?" fragte erstaunt der Beamte. "Ich haett's nicht geglaubt!" "Was?" "Die Hilf' vom gnaedigen Fuersten, nein, will sagen, ich glaub's eigentlich nicht, sieht ihm nicht gleich...." Die Augen des fuerstlichen Beamten wurden immer groesser. "Mit Vergunst! Mir nimmt die freudige Ueberraschung die Gab' der Rede! Auf die boesen Reden doch die Hilf', schier kann ich's nicht glauben...." stammelte in hoechster Verwirrung der Buergermeister. "Eurer Rede Sinn will mir nicht klar erscheinen, drum bitt' ich Euch, deutlicher zu werden, auf dass Bericht ich kann erstatten dem gnaedigsten Herrn!" "Das ging mir just noch ab! Nein, nein, verzeiht, vieledler Herr--den schuldigen Dank will schriftlich ich erstatten, das geht leichter und derweil legt sich alles. Ist's Euch genehm, wollen wir gleich vornehmen die Verteilung! Nicht laenger mehr sollen die Armen hungern! Dank, Dank dem gnaedigen Fuersten! Er hat halt doch das Herz am rechten Fleck und Mitgefuehl fuer die notleidende Menschheit!" "Das haben Hochfuerstliche Gnaden noch jederzeit erklecklich bekundet, daher will befremden mich der Ton Eurer Rede!" "Mit Vergunst, mit nichten! Achtet nicht auf Ton und Wort, mir ist die Gab' der Rede nicht beschieden!" Der fuerstliche Hofbeamte schuettelte verwundert den Kopf und erklaerte sich bereit, die Kornkammer oeffnen zu lassen. Der Vereinfachung halber liess der Buergermeister ausschellen, dass binnen einer Stunde die Armen der Stadt an der fuerstlichen Kornkammer erscheinen und die Kornspende des Landesherrn in Empfang nehmen sollten. Das gab eine freudige Bewegung in der Stadt; mit Zeggern, Buetten, Tonnen, was eben den Leuten in die Haende kam, ward ausgezogen, im Sturmlauf ging's der Kornkammer zu, und ungestuem draengte die Menge, wobei es Pueffe regnete und wohl auch die Kornverteiler mit Ellbogen und Faeusten der armen Leute Bekanntschaft machten. Der Akt solcher Wohlthaetigkeit brachte einen voelligen Umschwung in der Stimmung der Salzburger hervor, er zeitigte innige Dankbarkeit, der nur die besser situierten Kreise, die Kaufherrensippe und Gilden kuehl gegenueber blieben. Wolf Dietrich ward als guter Landesvater gepriesen von den Armen. Ludwig Alt konnte es nun wagen, persoenlich in der Residenz zur Dankeserstattung erscheinen. Er meldete sich zur Audienz und wurde gleich vorgelassen. Mit gewinnender Liebenswuerdigkeit, huldvoll und leutselig ging Wolf Dietrich dem Buergermeister einige Schritte im hohen Empfangssaale entgegen und begruesste ihn mit herzlichen Worten. Wieder empfand Ludwig Alt das fatale Wuergen im Halse, doch energisch raffte der Stadtvater sich auf und sprach langsam, doch deutlich und ohne Stottern: "Hochfuerstliche Gnaden! Ich komme schuldbeladen, nein, ich komme nicht...!" "Wie meint der Buergermeister?" "Meinen thaet' ich's schon recht, aber recht sagen kann ich's nicht! Mein Gott, der Unterschied ist halt zu gross: Da der gnaedigste Herr und Fuerst, der hochwuerdigste Erzbischof und ich, der einfache Buerger und Stadtvater, der nix zu sagen hat als den unterthaenigsten Dank der Armen fuer die gnaedige Hilf' mit Korn in dieser Zeit der Not und Bedraengnis!" "Recht so, mein lieber Buergermeister! Es ist ganz gut, so er des Unterschiedes sich bewusst bleibet und den Sippenstolz zu Hause lasset. Den Dank der Armen begehr' ich nicht; es ist mir ein Beduerfnis, in solcher Not zu helfen nach Kraeften. Ich danke Ihm fuer seine Meldung, in der Vertrauen ich erblicke zum Landesherrn. Wo Vertrauen, findet sich der richtige Weg, das Volk soll immer Vertrauen zu seinem Fuersten haben. Zur rechten Zeit solche Meldung ueber Vorgaenge lob' ich; nur will ich nicht ueberlaufen werden!" "Ganz richtig! Draeng' dich nicht an deinen Fuerst', so du nicht gerufen wirst!" plapperte Alt heraus. Im Feuerauge Wolf Dietrichs blitzte es zornig auf und unmutig sprach der Fuerst: "Lass Er solch' Gerede! Dafuer sage Er mir, wer ist nach seiner Meinung schuld an bemeldter Teuerung?" "Allweil der Misswachs, dann halt die Kornwucherer und zuletzt die Baecker, die immer hoeher hinauffahren mit den Preisen!" "Fuer den Misswachs koennen wir alle miteinander nichts. Den Kornwucher hoff' ich noch zu stuerzen. Wer billig kaufen will, soll Korn von mir erhalten, solang der Vorrat reicht. Die Baecker aber werd' ich Mores lehren." "Hochfuerstliche Gnaden! Das koennt' nicht schaden, wird aber die Baecker rebellisch machen!" "Rebellen mehr und minder seid Ihr alle, so Euch was nicht in den Alltagskram passet. Ich werde nachforschen lassen nach der letzten Verkaufsordnung fuer die Baecker, und darnach Entschliessung erlassen." Im Buergermeister daemmerte eine Ahnung auf, dass eine solche Massregel das Uebel nur verschlimmern muesse, weil ganz unzeitgemaess. Ludwig Alt fand ploetzlich die Gewalt ueber Gedankengang und Sprache wieder und setzte dem Gebieter klar auseinander, dass Wiederaufrichtung einer veralteten Ordnung nicht nur bei den Baeckern, sondern auch im Volke selbst Unwillen hervorrufen muesse. Es liege im Zug der Zeit, dass alle Lebensmittel teurer werden, es lasse sich daher ein Preis aus frueherer Zeit nicht erzwingen ohne Gewichtsverringerung. "Ich werde solche Verringerung bestrafen!" "Dann wandern uns auch noch die Baecker aus!" Wolf Dietrich horchte auf; das Wort der Auswanderung machte ihn nach den letzten Erfahrungen stutzig, erregte stets seinen Unwillen. "Genug davon! Ihr werdet das weitere noch vernehmen! Vermeldet meinen Gruss den Unterthanen!" Damit war der Buergermeister entlassen. Bald darauf fand im Arbeitskabinett eine Beratung statt, zu welcher einige Hofraete und der in Steuerangelegenheiten massgebende Dr. Lueger befohlen waren. Zu Graf Lamberg war gleichfalls geschickt worden, doch der Kapitular weilte auswaerts. Folgenschwer gestaltete sich diese Beratung in ihren Ergebnissen, da niemand der Herren es wagte, dem hitzigen Fuersten zu widersprechen. Wolf Dietrich dekretierte den zehnten Pfennig von aller liegenden und fahrenden Habe fuer jene Salzburger, die ihre Heimat verlassen, ferner ward auf Grund eines Referates der Brotverkauf nach der alten Ordnung vom Jahre 1480 befohlen. Besonders verhaengnisvoll ward der Vortrag Dr. Luegers ueber die abermalige schlechte Finanzlage und die hohen Kosten, welche die Ritterzehrung verursache. Wolf Dietrich hatte solchem Referat aufmerksam zugehoert und blieb eine Weile schweigend im Stuhle sitzen. Dann verkuendete er den Raeten, dass eine Landsknechtsteuer eingehoben werden solle, und zwar von je hundert Gulden vierundzwanzig Kreuzer. Fr. Lueger wagte einzuwenden, dass in dieser Zeit der Teuerung die Einhebung auf Schwierigkeiten stossen werde; ueber die Ungeheuerlichkeit, neben der Tuerkensteuer, welche von je hundert Gulden jaehrlich sechs Schillinge nimmt, und all' den neueingefuehrten Steuern der letzten zwei Jahre auch noch eine Landsknechtsteuer zu erheben, sprach sich der Finanzgewaltige im Rate nicht aus. Wolf Dietrich erwiderte, gereizt schon durch den leisen Einwand, scharf: "Die Einhebung ist seine Sache! Kommt Er nicht durch, so mache Er's auf Augsburger Art. Jeder Unterthan hat unter leiblichem Eide genau sein Vermoegen anzugeben. Wer luegt, soll die ganze Schwere der Strafe empfinden, so da sein soll: confiscatio in toto!" Dr. Lueger guckte ueberrascht, verbeugte sich und murmelte: "Euer Hochfuerstliche Gnaden Befehl soll puenktlich befolget werden!" Nach Schluss dieser Sitzung in der Residenz und auf dem Weg zur Kanzlei war es dem Steuerrat Lueger doch nicht so recht wohl, er empfand ein dumpfes Gefuehl, dass die Augsburger Art einer Steuereinhebung im salzburgischen Lande kaum sich glatt durchfuehren lassen werde. Lueger wusste wohl durch Mitteilungen eines Amtsbruders in Innsbruck, dass diese Art nach Augsburger Muster auch fuer Tirol geplant sei, ebenso gut wusste er aber auch, wie schlimm es mit der Steuerkraft im Salzburgischen bestellt ist. Hinterdrein machte sich der Finanzgewaltige doch Vorwuerfe, den Fuersten nicht auf die thatsaechlich bestehende Schwaechung der Steuerkraft aufmerksam gemacht zu haben. Und eine Ahnung sagte Lueger, dass zum mindesten mit der Ausfuehrung des fuerstlichen Befehles etwas gewartet werden muesse. Immerhin konzipierte er den Befehl und legte das gefaehrliche Aktenstueck zur Seite, hoffend auf eine Ruecksprache mit dem einflussreichen Grafen Lamberg, dem vielleicht es doch gelingen koennte, eine Sinnesaenderung beim Fuersten herbeizufuehren. Allein schon die naechsten Tage brachten andere Verhaeltnisse. Der fuerstliche Kastner musste erklaeren, dass die Neuforderungen fuer Verpflegung der Landsknechte wegen Geldmangel nicht mehr befriedigt werden koennten, ja dass der Fuerst ihn habe wissen lassen, es muesse Geld in groesserer Menge bereit gehalten werden fuer wuerdigen Empfang einiger zu Besuch angesagten Herren, und ausserdem sei des Fuersten Almosenschatulle[9], beinahe leer. Da hatte Dr. Lueger nun die Bescherung. Nichts als Anforderungen an die Hofkammer, Zahlbefehle in Massen, dazu kein Geld in den Kassen, Steuerrestanten ueberall, die Steuerkraft geschwaecht, und eine neue Steuer in Sicht, vor deren Ausschreibung dem Finanzmanne allein schon graut. Viel Zeit zum sinnieren blieb ihm nicht, denn schon am naechsten Tage liess der Fuerst wissen, dass seine Armen ihr Almosen unter allen Umstaenden bekommen muessten, also Dr. Lueger Geld beschaffen muesse. Das "Wie" sei seine Sache. Gewisse Reserven hat nun wohl jeder Finanzkuenstler, Dr. Lueger hatte sie auch und schickte eine Summe Geldes an den Hofkastner. Zugleich aber und ohne auf Graf Lambergs Rueckkehr zu warten, ward das Mandat fertig gestellt und die Unterschrift des Fuersten eingeholt. Das neue Steuermandat trat in Kraft und wirkte bei der Bevoelkerung in hoechst aufregender Weise. Zuerst waren es die Staedter, die remonstrierten, den Eid zur Vermoegensangabe nicht leisten wollten. Die Kommission machte aber nicht viel Federlesens und erzwang den Eid. Als Dr. Lueger die schriftlichen Vermoegensangaben vorliegen hatte, fand er schon bei fluechtiger Durchsicht, dass die ihm nach Geschaeft und Vermoegen einigermassen bekannten Leute ihren Besitz viel zu gering, also faelschlich angegeben hatten. Wenn solche Faelschungen in der Residenzstadt schon vorkommen, wie muss es da erst im Lande draussen werden! Dr. Lueger nahm sich seinen Kollegen Riz zum Assistenten und beide gingen nun gemaess dem fuerstlichen Befehl mit aller Strenge an die Durchfuehrung des neuen Mandates, und zwar bei hoch und nieder. Bei einigen Salzburgern wurde schlankweg die Einziehung des Vermoegens als Strafe fuer die veruebte Falschmeldung verhaengt und weggenommen, was an Bargeld vorgefunden ward. Um Laerm und Protest kuemmerte sich die Kommission nicht weiter, die Leute sollen nur schimpfen, ihr Geld wanderte in die fuerstlichen Kassen, das war zunaechst die Hauptsache. Lueger befand sich im schoensten Fahrwasser und griff auch alsbald in die Rechte des Adels ein, indem er zu inventarisieren begann. Eines der wenigen Rechte, welche Erzbischof Johann Jakob dem Adel noch uebrig gelassen hatte, bestand darin, dass die Adeligen allein die Verlassenschaft ihrer Grundholden zu inventarisieren und darueber zu verfuegen hatten. Lueger und Riz nahm aber auch dieses Recht im Namen des Fuersten hinweg, was natuerlich den Adel erbittern musste. Die Hofkammer schickte dann die schaerfsten Befehle zu Inventarisierungen ins Land hinaus, besonders an die Pfleger des Pinzgaues, welcher Landesteil im Steuerzahlen immer etwas saeumig und in Bezug auf Religion mehr auf der lutherischen Seite war. Der erste eingelaufene Bericht liess erkennen, dass Faelschungen in den Vermoegensangaben in groesserem Umfange vorgekommen sein mussten, der Pfleger hatte dazugeschrieben, dass man amtlicherseits mit den Bergbauern nicht mehr auszukommen wisse und die Hofkammer gut thun wuerde, wenn sie die Inventarisierungen selbst vornehme. Sofort erstattete Lueger hierueber Meldung beim Fuersten und sprach den Verdacht aus, dass die Pfleger wohl nicht ohne Mitschuld an den Faelschungen sein duerften. Das heisse Blut Wolf Dietrichs wallte auf, sein zorniger Befehl lautete auf Untersuchung, Lueger und Riz wurden beauftragt in den Pinzgau zu reisen und mit ruecksichtsloser Schaerfe gegen die Betrueger vorzugehen. Dieser Befehl deckte die Kommissare und nahm von ihnen die Verantwortung, Lueger und Riz koennen schalten und walten nach Gutduenken, die Schuld faellt auf den Gebieter, falls die Kommissionsreise uebel ausgeht, die Bauern rebellieren sollten. * * * * * Dem alten Schlosse Kaprun, das den Ausgang des herbschoenen Kapruner Tauernthales beherrscht und einen entzueckenden Blick auf die Fluren und Berge Pinzgaus bietet, so ritt der greise Pfleger Kaspar Vogel von Zell auf einem derbknochigen Pinzgauer Rosse langsam, nachdenklich, wie betruebt. Der seit reichlich dreissig Jahren den salzburgischen Landesfuersten und Erzbischoefen dienende Beamte genoss bei der Bevoelkerung der Bergwelt des Pinzgaues grosses Vertrauen, und auch zu Salzburg wussten hoehere fuerstliche Beamte den pflichttreuen Pfleger zu schaetzen. Bei Hof kannte man den greisen Kaspar Vogel allerdings nicht, denn der Zeller Pfleger kam oft jahrelang nicht in die Bischofstadt, und wenn er je in dringlichen Amtsgeschaeften nach Salzburg musste, so ward der Dienst immer schnell erledigt und sogleich die Heimreise angetreten. Der wuerdige Greis fuehlte sich in Salzburgs engen Gassen und Mauern nicht wohl, er war zu sehr an die Bergwelt gewoehnt und nahm willig alle Entbehrungen hin, die ein staendiger Aufenthalt im Pinzgau mit sich bringt. Weib und Kinder haetten wohl manchmal Luft verspuert, all' die maerchenhaft gepriesenen Hoffeste zu Salzburg zu sehen, doch der alte Pfleger litt dergleichen Ausfluege nicht und erklaerte, dass ein Humpen guten Weines viel schoener und zutraeglicher sei, als salzburgisches Possenspiel. Ohne ein veritabler Trinker zu sein, hielt Vogel viel auf ein vollgeaicht Viertel Weines, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Mancher Ritt in Amtsangelegenheiten tief hinein in unwirtliche Thaeler zu Einoedbauern brachte ohnehin Abbruch am gewohnten Weingenuss, und solche Entbehrung that dem alten Pfleger weher denn etwa die koerperlichen Strapazen. Warm schien die Sonne an diesem Junitage herab, als Kaspar Vogel auf seinem Braunen ins Kapruner Thal einbog. Der erste Blick galt dem alten Gemaeuer der Burg, dann aber sah der Pfleger aufmerksam zum Dorfe Kaprun hinueber, und beim Anblick einer groesseren Menge von Bergbauern fluesterte Vogel: "Dacht' ich's doch! Also auch die Kapruner stehen auf wie die Mittersiller! Es wird ein Kreuz werden mit dieser Steuer!" Entschlossen wohl wie immer die Pflicht zu erfuellen, ritt der greise Pfleger nun in lebhafterer Gangart dem Schlosse zu, wo Amtstag abgehalten werden sollte. Sein Erscheinen musste bemerkt worden sein, denn die Bauern begannen zu laufen, der Haufen Leute bewegte sich schreiend dem Schlosse zu, das die Bauern gleichzeitig mit dem Reiter erreichten. Vogel rief den ungeduldigen Bauern zu: "Nur Zeit lassen, Maenner! Alles hat seine Zeit! Lasst mich nur mein Ross versorgen, und mir goennt einen Schluck vorher!" Ein staemmiger aelterer Gebirgler, Namens Rieder, trat vor, nahm den Hut ab und erwiderte: "Mit Vergunst, Pfleger, wohl wohl! Aber Eil' thut not!" "Wirst es wohl erwarten koennen, Rieder!" gab Vogel zur Antwort und stieg flinker, als man es dem alten Manne zutrauen mochte, vom Pferde. Ein Knecht vom Schlosse kam hinzu und fuehrte den Braunen in den Stall. Die Bauern wagten in Gegenwart des Pflegers nicht zu laermen, aber ihre Ungeduld und Erregung gab sich in einem Murmeln kund, das Vogel ganz richtig in Verbindung mit den aufregenden Nachrichten von dem scharfen Vorgehen der fuerstlichen Steuerkommission im Lande brachte. Die in ihrer ganzen Existenz schwer bedrohten, aufgeruettelte Leute in Angst und schwerer Sorge nun hinzuhalten, brachte der joviale alte Beamte nicht ueber das Herz, lieber verzichtet er auf den staerkenden Trunk und nimmt das Anliegen der Bauern vor. Zu dem Raedelsfuehrer gewendet, sprach der Pfleger: "Nun, Rieder, red'! Ich will Euch gleich hier im Burghof hoeren!" Die Bauern umringten den Beamten wie ihren Sprecher, Kopf an Kopf standen sie dicht im Kreise. Rieder begann sogleich: "Mit Verlaub! Es ist ein Teufel wie der ander, der Riz wie der Lueger, bei uns herinnen ist's der Riz, der die Bauern schindet und alles aufhocht (d.h. die Abgaben erhoeht). So viel wert ist kein Gehoeft und kein Grund, wir muessen verderben dabei, selle neu eingeschatzte Steuer koennen wir nicht erschwingen!" "So ist es!" riefen die erregten Bauern. Und Rieder sprach in grosser Beweglichkeit weiter: "Wir muessen supplizieren! Wir begehren einen Brief (eine Verbriefung der alten Rechte) ehnder (bevor) der Riz kommt und der Pfleger muss nun helfen, sonst ist's g'fehlt!" Tiefernst blickte Vogel, der die Gefahr der Bewegung im Bergvolk genau erkannte, und langsam sprach er: "Wegen dem Supplizieren kann ich Euch nichts sagen. Schon zu Zell sind die Buergermeister von den Landgemeinden bei mir gewesen und haben gleichfalls um Verbriefung gebeten. Das ist ja ganz in der Ordnung: Wer ein Anliegen hat, soll mit dem Pfleger reden. Ich kann aber, es thut mir selber leid, nichts in der Sache thun." Rieder unterbrach den Beamten: "Dann ist's g'fehlt! Wir supplizieren zum Fuersten!" Vogel erwiderte in seiner bedaechtigen Art: "Uebereilt nichts! Der Herr Riz wird demnaechst schon wegen der Urbarsbeschreibung gegen Mittersill, und wenn er daselbst gerichtet, alsdann in das Gericht Zell kommen. Vielleicht wird es doch nicht so schlimm, als Ihr befuerchtet!" Erregt schrie Rieder: "Wer da noch hofft, verliert die eigene Haut! Kommt der Riz und faengt er zu richten an, ist's g'fehlt und wir sind verloren! Soweit duerfen wir's nicht kommen lassen! Manner, ich hoff', es kommt was drunter, ich hoff', seller Steuerteufel findet den Weg nicht in unser Gericht!" Besorgt, erschreckt rief der Pfleger: "Leut', seid gescheit! Die Sach' ist gefaehrlich, sie kann Euch noch mehr als Hab' und Gut kosten! Gerichtet wird ueberall auf neue Weis', es wird bei uns, im Zeller Gericht keine Ausnahm' gemacht werden koennen!" "Ein schlechter Trost! Hilft uns der Pfleger nicht, so helfen wir uns selber! Den Teufel lassen wir gleich gar nicht herein, und mit uns supplizieren noch mehrere Gerichte! Sell' wird der Erzbischof schon dann merken!" Nochmals mahnte Vogel: "Nehmt Vernunft an, Leute! Ich rat' Euch nicht dazu, Ihr werdet schlechten Bescheid bekommen! Wie die Sachen liegen, wird die Supplikation fuer Rebellion angesehen, Ihr fuer rebellisch gehalten werden!" "Sell' sollen sie halten, wie sie wollen! Wir vom Volk haben ein Recht, den Landesherrn um Genade zu bitten, und selles Recht darf uns der Steuerteufel nicht verkuemmern!" In seiner Sorge rief Vogel, ohne viel zu ueberlegen: "So reicht das Gesuch ein, aber in aller Demut! Der Fuerst vertraegt kein ander Wort!" Die Bauern drangen nun in den Pfleger, auf dass er ihnen ein solches Gesuch aufsetze, und Rieder versicherte auf das bestimmteste, dass noch andere Gerichte sich zum Anschluss an die Zeller Bittschrift bereit erklaert haetten. Der Pfleger verlor die Ruhe, ihm schwante Unheil, da er die Auffassung der Hofkammer wie der Steuerkommission aus dem schriftlichen Verkehr sehr wohl kannte und wusste, wie schlimm die kleinste Weigerung, der leiseste Versuch einer Renitenz schon kriminell beahndet zu werden pflegte. In seiner Bestuerzung rief Vogel den rabiaten Bauern zu: "Ich will Euch wohl helfen, Ihr duerft aber nichts sagen, dass ich euch zur demuetigen Supplikation geraten!" Aus der Menge groehlte ein besonders Unzufriedener: "Selle Demut nutzt uns nixen und die Supplikatur auch nixen! Hauen wir selle Kommission durchs Landl aussi, sie vergisst aftn (hernach) schon das Wiederkommen!" Dieser Meinung schienen noch mehr Bauern zu sein, die den Hetzer lebhaft akklamierten und bruellten: "Z'ammhauen, totschlagen die Bauernschinder!" Vergeblich suchte der Pfleger mit seiner Stimme im Gewirr durchzudringen und zu beruhigen. Die Mehrzahl tobte und zeterte, ja es fielen Worte, die sogar den alten, ehrlichen Beamten verdaechtigten der Mitschuld an der Bauernvernichtung und des Einverstaendnisses mit der Steuerkommission. Rieder forderte Ruhe, und den Moment eintretender Stille benuetzte Pfleger Vogel, um mit tiefbewegter Stimme zu rufen: "Habt Ihr das Vertrauen zum alten Pfleger verloren, der Euren Vaetern schon Freund und Helfer gewesen, gut, schlagt mich nur gleich nieder! Der trete vor und steh' Aug' in Aug' zu mir, der mich unehrlich nennen kann! Als Pfleger muss ich Ordnung schaffen und halten, der Fuerst und Erzbischof ist mein Herr, seiner Regierung Befehle muss ich, der Pfleger, vollziehen. Bis zu dieser Stund' bin ich dabei doch der Freund und Helfer der Bauern gewesen! So weh mir ist, der Kommission kann und darf ich mich nicht widersetzen, und die Bauern auch nicht! Der Fuerst hat befohlen, er ist unser Herr!" Rieder schrie dazwischen: "Der kann auch zum Teufel gejagt werden! Ein geldgieriger Verschwender ist er, der Woelfen Dieter! Derweil er mit Weibern das Geld verjubelt, muessen wir verhungern!" "Schlagt ihn tot! Nieder mit der ganzen Bande!" groehlten die Rabiaten. In tiefster Betruebnis liess Vogel das weisshaarige Haupt sinken; steht es so weit, dann ist an offener Rebellion nicht mehr zu zweifeln. Wehe dem Volk, wenn die Kommission von solcher Stimmung und dem Hasse Kenntnis erhaelt. Die wilderregten Bauern begannen abzuziehen, groehlend schritten sie durch den Burghof den Weg zum Dorf hinab. Nur Rieder blieb noch einen Augenblick beim Pfleger stehen und fragte, wenn er die Schrift haben koenne. Wehmuetig sprach Vogel: "Das nuetzt nun alles nichts mehr! Der Stein ist im Rollen, das Unglueck nimmt seinen Lauf!" "So steht Ihr um in der Stunde der groessten Gefahr? Das sollt Ihr buessen, Pfleger! Gehen wir zu Grund, Ihr muesst mit! Aber erst sollen die Teufeln Pinzgauer Faeuste kennen lernen!" Und weg schritt Rieder, der sonst besonnene Mann, schimpfend und fluchend. Aechzend vor Weh und Sorge trat Vogel ins Schloss und nahm in dem Gemach, das er auf Dienstreisen stets bewohnte, Aufenthalt. Lange sann der Pfleger nach, was in dieser schlimmen, gefaehrlichen Zeit zu thun sei. Dass der am Leben schwer bedrohten Kommission eine Warnung vor dem Betreten des Zeller Gerichtes zugemittelt werden muesse, erachtete Vogel als notwendig, doch ist auch solche Warnung gefaehrlich, weil moeglicherweise die Kommissionsherren sie falsch auffassen koennten, gewissermassen als Mittel zur Abschreckung, andernteils aber ein Bote von den Rebellen aufgefangen werden koennte, was dem Pfleger wie dem Boten das Leben kosten kann. Je mehr der treue Beamte nachdachte, desto mehr reifte der Entschluss, das Wagnis selbst zu vollbringen, zur Kommission, die mutmasslich in Tagesrittnaehe sein duerfte, zu eilen und den Rat Riz zu warnen. Vogel nahm schnell einen Schluck Weines und liess den Braunen satteln. Von einer Amtshandlung nach altem Brauch kann keine Rede mehr sein, die Bauern hoeren ja nicht mehr auf die Behoerde, jegliche Autoritaet ist vernichtet, die Rebellion herrscht im Pinzgau. In der Meinung, die Herren der schwer bedrohten Kommission in Mittersill zu treffen, ritt Vogel am Abend das Salzachthal aufwaerts und erreichte diesen Ort zur Nachtzeit. Die gesuchten Herren waren nicht in Mittersill. Am scheuen, misstrauischen Verhalten konnte der greise Beamte erkennen, dass der Geist des Aufruhrs auch hier schon um sich gegriffen hat. Vogel uebernachtete im Schloss zu Mittersill und ritt am naechsten Vormittag wieder nach Kaprun, in dessen Burg er zu seiner groessten Ueberraschung fuerstliche Landsknechte unter dem Befehl eines Leutnants Kaiser vorfand. Kaum aus dem Sattel gestiegen, kuendigte der herbeigeholte Offizier dem Pfleger die Verhaftung an, und Vogel ward im altgewohnten Gemach gefangen gesetzt. Aus dem Munde des Offiziers erhielt Vogel die Mitteilung, dass die Kommission vom Aufruhr der Pinzgauer Bauern rechtzeitig Kenntnis bekommen und Hilfe vom Fuersten verlangt habe. An 150 Mann Landsknechte und bewehrte Buerger seien unter Fuehrung des Obersten Walter zu Waltersweil in Eilmaerschen ueber Werfen in den Pinzgau gerueckt. Der Leutnant habe in Bruck den Befehl zur Sistierung des Zeller Pflegers erhalten und unterwegs von dessen Aufenthalt im Schloss Kaprun erfahren. Weitere Auskunft wusste der Offizier nicht zu geben, auch nicht zu sagen, weshalb die Verhaftung erfolgt sei und wie lange die Haft dauern werde. Sorge wegen seines Schicksals empfand der Pfleger nicht, aber der Gedanke an die Bauern und ihr Geschick unter den Haenden der Soldateska erfuellte ihn mit Angst. In Zell am See, dem stillen Ort, sollte sich das Drama der Bauernrebellion und des Einschreitens bewaffneter Macht abspielen. Obrist Waltersweil hatte vom erbitterten Fuersten den Befehl zur ruecksichtslosen Niederwerfung der Rebellion empfangen, und der Soldatenfuehrer ging dementsprechend vor. Trabanten und Landsknechte begannen eine Menschenjagd und fingen die fluechtigen Bauern gleich Hunden ein. Ein Befehl des Obristen zitierte die gesamte maennliche Bevoelkerung auf den Marktplatz vor dem Pfleggericht in Zell, wohin alle Maenner, so sie nicht freiwillig erschienen, zwangsweise geschleppt und von der Soldateska dicht umringt wurden. Ein Entweichen machte der Wald von Spiessen im Kreise zur Unmoeglichkeit. Der Obrist zu Ross hielt an die eingefangene Rebellenmenge eine grimmige Anrede, hielt den Bauern ihr schaendlich Verhalten vor und kuendigte schwere Strafe an Leib und Leben an, so die Leute nicht allsogleich dem gnaedigen Fuersten Treu und Glauben schwoeren und unterm Eid geloben, fortan ihres unbefugten Vorhabens abzustehen, gehorsam die auferlegten Steuern zu bezahlen und jegliche Wehr und Waffen abzuliefern, wasmassen schon der Besitz von Waffen mit fuenfzig Gulden pro Kopf gepoent werde. Wer im Geheimb offenbare, dass ein anderer ein Wehr und Waffe verhalte, dem solle eine Belohnung von achtzig Gulden versprochen sein. In der Angst vor der Hinrichtung durch das Schwert leistete Mann fuer Mann der gefangenen Bauern den verlangten Eid, die neue Huldigung erfolgte unter solchem militaerischen Zwang, worauf der Obrist befahl, die Bauernkerle und unverbesserlichen Rebellen mit Stricken zu binden und nach Salzburg zur Aburteilung zu treiben. Schreie der Angst, der Wut ertoenten; Weiber, Muetter und Toechter zeterten. Ruecksichtslos trieben die Spiessknechte das Volk von dannen. Die Bauern wurden gefesselt und truppweise, ohne Verpflegung, auf der Strasse ueber Werfen, Hallein nach Salzburg transportiert. Wer von Salzburgs Bevoelkerung diese kriegsmaessige Exkursion mitgemacht, hatte pro Mann drei Gulden bar und ganze Verpflegung bekommen. Die Waffen mussten nach erfolgter Heimkehr wieder an das fuerstliche Zeughaus abgeliefert werden. Die Rebellen wurden in der Veste interniert und alsdann prozessiert. Der groesste Teil wurde wieder entlassen, nur sieben der Raedelsfuehrer blieben fuer lange Zeit im Gefaengnis, drei der obersten Rebellen fanden den Tod durch das Schwert. Nach Kaprun war der Befehl ergangen, es solle der Pfleger Vogel sich auf Ehrenwort in Salzburg zur Vernehmung stellen. Demgemaess liess der Leutnant seinen Haeftling frei, der sogleich gehorsam in die Hauptstadt sich begab und beim Vizekanzler meldete. Nach drei Tagen erfolgte die zwangsweise Ueberfuehrung Vogels durch den Profossen und zwei Schuetzen in die Festung Hohensalzburg. Die weiteren Erlebnisse des Pflegers Vogel schildert dieser selbst in einem teilweise erhalten gebliebenen Tagebuche[10] folgendermassen: "Mittwoch, Donnerstag und Freitag, 28. 29. 30. Juni, auch Samstag 1. Juli ist besonderes nichts vorgekommen. Am Sonntag nach Petri und Pauli den 2. Juli sind die ins Gebuerg Verordnete sammt den Gefangenen zu Morgens um 9 Uhr auf dem Schlosse ankommen. Am Donnerstag den 13. Juli bin ich und die andern Gefangenen examinirt worden und ich bin des Abends da ich vorher 16 Tage im Caplan-Zimmer zu brachte, das bei Tag nicht versperrt gewesen, ins Hausperger-Zimmer geschafft worden. Gott schicke es bald zur Erledigung. Ist an dato 16. Juli der 25. Tag, dass ich von zu hause fort bin, darunter im Schlosse gefangen 19 Tage, habe ausser des letzten alle Tage 1 Viertel Wein gehabt, thuet 18 Viertel. Montag 17. Juli leider 1 Viertel, 18. detto mehr 1 Viertel, 19. keinen Wein, 20. 1 Mass Wein, 21. 1 Halbe, 22. Juli 1 Mass Wein, 23. detto 1 Mass Wein, ist die Flaschen nicht viel mehr als halbvoll Wein gewest. Donnerstag 27. Juli 1 Mass Wein, diesen Tag ist auf Befehl Ihrer hochfuerstl. Gnaden durch die Herren Commissarii mir anzeigt worden, dass Ihr hochfuerstl. Gnaden genuegsamen Bericht habe, dass ich nicht allein der Unterthanen Vorhaben durch den Guthundt erinnert worden, sondern den Unterthanen zum Suppliciren selbst gerathen: Sie muessten nur mehr Gerichte an sich ziehen, sonst wuerde es kein Ansehen haben. Ihre hochfuerstl. Gnaden haetten Ursach auf voriges Verlaeugnen der Schaerfe nach zu verfahren. Und dann Gott behuethe einen jeden frommen Menschen. Se. Gnaden wollen aber meines Alters verschonen, solle demnach, wie es sich Alles verloffen und was mir dieser Sachen halber bewusst sei, selbst beschreiben und die Wahrheit anzeigen, solches den Herrn Commissaeren zustellen, sei die Gnade noch unverschlossen, wo nicht, so wollen mich Ihr hochfuerstl. Gnaden mein Leben lang auf dem Schloss sitzen lassen und meinen Kindern Gerhaben[11] verordnen. Ich solle gegen die Unterthanen vermeldet haben, sie sollen nicht sagen, dass ich Ihnen gerathen, da ich nichts gestehen wuerde. Also ist Ihrer hochfuerstl. Gnaden Bericht. Freitag den 28. Juli keinen Wein. Samstag 29. Juli 1 Mass Wein, Sonntag 30. detto 1 Viertel Wein, bisher gefangen 33 Tage. Gott schicke es zum Ende. Mittwoch 9. August l Mass. An diesem Tage den Herrn Commissarien meine Schrift ueberschickt. Ist diese Nacht, da ich doch zuvor das Wenigste nichts gehoert, in meinem Zimmer ungestuem gewesen, hat einen ungewoehnlichen Fall bei meinem Bett gethan, Gott verleihe mir Gnade. Am Donnerstag ist St. Lorenztag den 10. August 1 Viertel. Freitag 1 Mass. An diesem Tag haben mir die Herren Commissarii aus Ihr hochfuerstl. Gnaden Zimmer Bethschnuere[12] heruntergeschickt, welche ich Ihnen den 12. dieses wieder zurueckstellen lassen. Freitag 18. dieses 1 Mass, fast betruebt. Mein Pathe, der Jacob Riedl schickt mir 2 Viertel Wein. Sonntag den 20. dieses keinen Wein. Montag 21. dieses keinen Wein, ist die Schwalbe, so hinvor zwei Sitz im Zimmer gehabt, ausblieben. Freitag 1 Mass Muskateller und gute Vertroestung baldiger Erledigung. Gott schicke es, dass mit Glueck erfolge. Sonntag den 27. dieses 1 Viertel, ist meine Schwalbe wieder ausgeblieben. Donnerstag 31. August bin ich abermals examinirt worden. Kann mich nicht erinnern, dass ich die Unterthanen zum Suppliciren angewiesen und angelernt, wie sie es sollen angreifen oder wegen meiner Urbargueter gethan haben sollen. 22 September 1 Mass Wein. Gott erbarme sich und wende meine Betruebniss. Des Abends bin ich in den Thurm gelegt worden, O Herr Gott hilf mir bald mit Glueck wieder daraus. (Es folgen Tag fuer Tag Notizen ueber erhaltenen Wein und Branntwein.) Donnerstag 12. October 1 Mass Wein, Keuchen[13] ausgekehrt. Montag 23., Dienstag den 24. October 1 Mass, diese beiden Tage bei der Strenge examinirt, habe bekannt, dass ich nicht allein der Unterthanen Suppliciren laengst zeitlich gewusst, dessen durch den Carl Rieder, Guthundt und andere, die mir abgefallen, bericht worden, sondern Ihnen darzu gerathen und dass sie andere Gericht, damit sie nicht fuer Aufwiegler gehalten worden, an sich nehmen sollen. Mittwoch in einem Krug Meth, als 1 Mass Wein. Mehr ein Mass Muskateller. Eodem die habe ich meine gestrige Aussag gethan, so mir wieder vorgehalten worden, unterschrieben. Donnerstag den 26. dieses 1/2 Maessl Branntwein, sonst keinen Wein. Freitag 1 Viertel Wein. Eodem die bin ich im Zimmer auf etliche, ich hatte ohngefehr fuenfundzwanzig, Artikel der angelegten Steuer und Urbarsbeschreibung examinirt worden. Sonntag 29. October 1/4 Wein, bin nun 38 1/2 Tage am Thurme gelegen und diesen Tag hat man mich in ein Stuebel im Pfaffenthurm gethan, Gott verleihe bald glueckselige Erledigung. Dienstag den 31. October bin ich mehr vor den Herren Commissaeren gewesen und was ich den 22. und 24. October ausgesagt, unterschrieben. Samstag den 4. November, diese Nacht ist der Hosprofoss im Zimmer gelegen. Dienstag den 7. November, daran ich das Hochwuerdige Sacrament empfangen." Des Pflegers Tagebuch endet mit diesem Tage. Wie dem Gefangenen zu Mut gewesen, wie scharf er die Situation durch das Erscheinen des Hosprofossen und dessen Naechtigung im gleichen Zimmer erfasste, geht aus den erhalten gebliebenen Abschiedsbriefen in erschuetternder Weise hervor. "Herr Ehinger. Freundlicher herzlieber Vater und Frau Mutter lasset Alles fleissig zahlen, man ist euch viel fuer mich schuldig und danke auch Gott aller Zuthaten. Befehle alle dem lieben Gott, bitte was ich wider euch gethan, durch Gottes Willen um Verzeihung und nehme hiemit herzlich Urlaub." "Lieber Herr Schwager Zechentuer, ich nehme hiemit von euch und euerer Hausfrau, meinen Kindern eurem Vater und sonst allen meniglich treulich Urlaub, habe ich was euch oder anderen zuwider gethan, bitte ich durch Gottes Willen um christliche Verzeihung, auch dass ihr euch die Holzwerkssachen und von dannen herruehrenden Rechnungen zu meiner Hausfrau und Kinder Besten wollet angelegen, auch in allen mein liebes Weib und Kinder besohlen sein lassen, Gott wird es vergelten, ich muss sterben, ich muss mich dazu richten, Gott verleihe mir ein gnaediges und geduldiges, und wie ich ohne Zweifel hoffe und glaube, am juengsten Tage mit allen christglaeubigen Seelen eine freudenreiche Auferstehung zum ewigen Leben. Amen. Amen. Amen." "Bitteres Scheiden von meinen lieben Weib und Kindern, auch eurer Hausfrau, Vater und andere meine liebe Herren und Freunde. Gott ist ein Erkenner aller Menschenherzen, der weiss, ob ich recht oder unrecht um das Leben gebracht werde, freundlicher lieber Herr Schwager Zehentner, mir, dann dem Stefan Guthundt und Hansen Keil ist gestern Abends, jeden absonderlich, dass wir morgen frueh mit dem Schwert ohne sonderlich Haltung einiges Rechts in der Stille und Geheimniss hingerichtet werden, verlesen worden. Ach Herr Gott verleihe uns Geduld, ein seliges Ende und das ewige Leben. Amen. Behuethe Gott meniglich vor solcher Gefahr, das ist der Lohn meines schier 40jaehrigen vielmehr bei Tag und Nacht ausgestandenen Dienst, Gott sei es geklagt, also beschlossen, die Zeit meines Lebens ist kurz, bin ich guter Hoffnung, es werde mir Niemand mit Grund nichts Unehrbares oder Unredliches nachreden koennen, wollet mich defendiren, noch einmal durch Gottes Willen bittend fuer mein liebes Weib und Kinder werdet die Belohnung bei Gott finden. Actum 7. November, bis auf welche Zeit ich 19 Wochen in grossen Banden und Bekuemmerniss gefangen gewesen und 2 Uhr Nachmittags ist meine letzte Schrift, will sterben wie ein frommer Christ, es kann oder mag nich anders sein. Nehmet von mir meniglich Urlaub, wider wenn ich gethan, bittet, dass mir dieselben verzeihen, ich verzeihe auch meniglich hier im Leben und nach meinem Tode." Das Ungeheuerliche geschah, der greise Pfleger Kaspar Vogel ward in aller Stille durch das Schwert hingerichtet. Sein Gestaendnis, den Bauern eine demuetige Bittschrift um Steuernachlass angeraten zu haben, ward von den Kommissaeren schon als crimen angesehen, das sich todeswuerdig erwies, da erhaertet wurde, dass der Ratschlag Vogels gelautet habe, es solle das Gericht Zell zugleich mit anderen Gerichtssprengeln zum Landesfuersten supplizieren. Dieses auf so schwachen Fuessen stehende Urteil fand die landesherrliche Bestaetigung. Wolf Dietrich wollte der Steuer-Rebellion im Gebirge ein gewaltsam rasches Ende bereiten und ein Exempel statuieren, das die Gemueter fuer immer im Bann halten solle. Die blutige Bestrafung des Aufstandes rief Entruestung und Wut hervor, zugleich aber auch Furcht vor dem unbeugsamen Fuersten, es ward im ganzen Lande still. Die Steuergewaltigen hatten den Sieg erzwungen und konnten nach Willkuer einschaetzen; die Furcht vor blutiger Strafe schuechterte gruendlich ein. Wie von der Hofkammer eingeschaetzt, die Steuern dekretiert wurden, zeigt die bittere Bemerkung des Chronisten Steinhauser: "Man hat auch keinem nichts mehr abgeschrieben, wenn er schon vermeldet hat, dass er aermer sei worden; aber wenn er reicher worden ist, so hat er solches allweg in der Steuerzeit anzeigen muessen, hat er anders gewollt, dass seine Verlassenschaft seinen Erben nach seinem Absterben bleibe. Denn man hat nach eines Abwerben alsbald (sein Haus) gesperrt und inventirt und das allerschlechteste und geringste geschaetzt und in einen Anschlag und Hauptsumma gebracht, welche fast viel gemacht hat." VIII. Von Hohen-Salzburg donnerten die grossen "Stuecke" und ihr maechtig Krachen brachte die ganze Bischofstadt auf die Beine. Die Buerger eilten durch die engen Gassen zum Domplatz, von dessen Freiung man freien Blick zur Veste hinauf hat, und guckten sich die Augen wund. Eine grosse Erregung lief durch das staedtische Volk, die Frage nach der Bedeutung des Geschuetzspieles setzte die Zungen in Bewegung. Schlauere Leute hatten den Weg zum Keutschachhof genommen und bestuermten Trabanten und Thuersteher mit Fragen, worauf ein maechtig langer Spiesstraeger stolz verkuendete, dass Seiner Hochfuerstlichen Gnaden ein Sohn geboren worden sei, das erste Kind! Fassungslos im ersten Augenblick stand der Menschenwall im Hofe der Residenz; doch rasch fanden die Leute die Sprache wieder, um das unglaubliche Ereignis zu discutieren, hitzig und mit Aufgebot aller Lungenkraft. Wirr genug schwirrten die Ausdruecke hoechster Ueberraschung durcheinander, und je nach der Gesinnung der einzelnen Buerger ward Stellung zu dem aufregenden Ereignis genommen. Da groehlte ein dicker Baecker wild, dass ein Erzbischof ueberhaupt nicht verheiratet, also auch nicht Vater sein koenne, und die "Stuecke" seien nicht dazu auf der Veste, um ein Kind anzudonnern. Eine Gruppe von Maurern, die im Brot des Fuersten standen und mit Korn bedacht worden, laermte und verteidigte den Gebieter, der ein guter Herr sei und das Recht habe, so viel Kinder zu bekommen wie ein Schullehrer. Und Angehoerige der Sippen und Zuenfte noergelten an dem Verhaeltnis Wolf Dietrichs zur schoenen Salome, schimpften weidlich ueber offenkundige Coelibatsverletzung und prophezeiten Unheil, wasmassen der Papst derlei Lebenswandel nicht dulden koenne, duerfe und werde. Immer hitziger wurden die Ausdruecke des Unwillens, die Leute verstiegen sich schliesslich zur Behauptung, dass solches Stueckspiel eine Schande fuer das Erzstift, der Bastard das Pulver nicht wert sei, das ohnehin wieder der Buergersmann zahlen muesse. Den Trabanten ward das Geschimpfe aber maehlich zu arg, sie jagten die Leute mit den Helebarden hinweg und raeumten den Hof. Laermend zogen die erregten Gruppen weiter, die Kunde von der Geburt eines fuerstlichen Sproesslings verbreitete sich schnell wie der Sturmwind durch die Stadt, ueberall Zwiespalt der Meinungen hervorrufend, schaerfste Kritik provozierend. All' der Unmut ueber das Verhaeltnis des Fuersten mit Salome, ihr Weilen und Residieren bei Hof brach mit elementarer Gewalt los, und wer es wagte, den Erzbischof zu verteidigen, musste sich grimmigen Schimpf an den Kopf werfen lassen, sodass die Reihen der dem Fuersten Gutgesinnten sich schnell lichteten, zumal die Menge jene Verteidiger Wolf Dietrichs schlankweg ketzerischer Gesinnung zeihte und sie verkappte Lutheraner nannte, wie nach der Volksmeinung auch der Fuerst selbst verdaechtig schien, zum mindesten ein halber Protestant zu sein. Am uebelsten kam in solchen wilden Eroerterungen die schoene Salome weg, die als Ausbund aller Lasterhaftigkeit hingestellt ward. Dagegen remonstrierten nun doch Angehoerige der Patrizierkreise, die eben nicht vergessen hatten, dass Salome Alt aus altangesehenem Geschlecht stammt und trotzalledem ihren Kreisen beizuzaehlen ist. Schliesslich verdichtete sich all' der Meinungsstreit zur Kardinalfrage, ob der Fuerst-Erzbischof mit Salome verheiratet sei oder nicht, und hierueber wusste niemand bestimmte Auskunft zu geben. In besseren Kreisen stritt man sich darueber, dass eine Gewissensehe vorliege, dass Wolf Dietrich sich eine compromessa cattolica zurecht gestutzt, eine eigene Theologie gebildet habe, wie das unter Kaiser Maximilian II. nicht eben selten war. Diese Auffassung fand lebhafte Unterstuetzung in geistlichen Kreisen, soweit solche noch nicht vom Arm des Gebieters getroffen worden waren. Gefragt ist niemand worden, niemand war Zeuge einer kirchlichen Trauung des Fuersten mit Salome, niemand weiss Bestimmtes. Kein Wunder, dass den Geruechten und Verleumdungen Thuer und Thor geoeffnet waren. So hoch die Wogen der Erregung im Volk gingen, um so stiller ging es zu in den Gemaechern der Woechnerin, wo auf Befehl des uebergluecklichen Gebieters in peinlichster Weise Ruhe gehalten werden musste. Wolf Dietrich, der Typus echter Ritterlichkeit, bekundete fuer eine Coeurdame eine zaertliche Fuersorge, die sich bis in die kleinsten Beduerfnisse erstreckte. Der Fuerst ging auf im Gedanken, fuer das Weib zu sorgen, das ihm einen Sprossen, noch dazu einen allerliebsten Knaben, geschenkt. So kam Wolf Dietrich auf den Zehen geschritten ins Gemach Salomes, um jegliches Geraeusch zu vermeiden, sein aengstlich besorgter Blick galt der ihm so teuren Frau, die mild laechelnd, bleich und schwach zu Bette lag, und dem Gebieter einen Gruss aus den sanften Augen zusandte. Der Fuerst trat an das Bett, kuesste die schmale Rechte Salomes und fluesterte in bewegten Worten seinen heissen Dank fuer diese herzerfreuende Gabe, die ihn gluecklich mache, so gluecklich, dass es fuer solche Seligkeit keinen Ausdruck gaebe. Ein Schimmer milder Wonne verklaerte Salomes Zuege, ihre Lippen fluesterten: "Gefaellt der Kleine meinem gnaedigen Herrn?" Wolf Dietrich wollte zur Wiege schreiten, da bat Salome flehentlich, das Knaeblein ja nicht auszuheben, es sei so leicht ein Beinchen weg. Da lachte der Fuerst herzlich auf: "So gebrechlich wird ein Raittenau nicht sein!" Ein gluecklich Laecheln flog auf die Lippen der Woechnerin, Salome sprach bewegt: "So traegt der Kleine den Namen des Vaters?!" "Gewiss, Geliebte! Er ist ein Raittenau und Wolf soll er getauft werden!" "O Dank, heissen Dank, gnaediger Herr!" "Ich muss danken dir, larissima! Fuer alles weitere lass sorgen mich, den Vater und Fuersten! Soll ein tuechtiger Bursch und Mann werden aus dem kleinen Woelflein, darauf geb' ich mein fuerstlich Wort!" "Habt Dank, gnaediger, guetiger Gebieter! Nun freu' ich meines Lebens wieder mich und will gern ertragen, was das Geschick mir beut!" In aufwallender Glueckseligkeit kuesste der Fuerst zaertlich Salomens Haende, hauchte einen Kuss auf die weisse Stirne, und bat besorgt, es moege die Teure sich nun schonen und pflegen lassen, wie es der Fuerstin ziemt. Ergebungsvoll liess Salome das bleiche Haupt in die Kissen fallen, mutig unterdrueckte sie den Seufzer, der ihrer Brust entsteigen wollte. Still verliess Wolf Dietrich das Gemach, und erst nachdem er die Flucht mehrer Raeume hinter sich hatte, trat er wieder fest auf nach seiner Gewohnheit, und der Hauch inniger Zaertlichkeit verschwand von seinen Zuegen. In seinen Wohngemaechern angelangt, wollte der Fuerst eben fragen, ob niemand aus der Stadt sich eingefunden, die Glueckwuensche auszusprechen zum erfreulichen Ereignis bei Hof, da ward Graf Lamberg gemeldet und sogleich vorgelassen. Das hoefische Ceremoniell Lambergs schnitt Wolf Dietrich sofort ab durch den Ruf: "Freund, du bist der erste Gratulant, nimm meinen und Salomens Dank dafuer! Herzlich willkommen!" "Es ist des treue Unterthanen Pflicht, dem gnaedigen Fuersten die Glueckwuensche zu Fuessen zu legen!" sprach Graf Lamberg ehrerbietig und verbeugte sich tief vor dem Gebieter. "Sei meines innigen Dankes ueberzeugt, Freund Lamberg! Mir ist's eine freudige Genugthuung, just dich bei mir zu sehen! Von Salzburgs Buergerschaft, vom Adel auch, hat niemand eingefunden sich, ich habe keine Meldung!" "Hochfuerstliche Gnaden wollen Geduld ueben! Die Kunde wird zu sehr ueberrascht haben die getreuen Unterthanen, sie fassen es nicht, es wird klar erst werden muessen in den Koepfen, dann wird wohl der Glueckwunsch kommen an den Hof." Ein forschender Blick flog zu Lamberg, gedehnt klang des Fuersten Frage: "Glaubt Lamberg wirklich?" Der Kapitular antwortete vorsichtig: "Es waere Pflicht nur und schuldige Dankbarkeit!" "Ha, Dank! Und mit den Pflichten wird genau es nicht genommen! Der Beispiele sind viele, die das Gegenteil beweisen! Sei's drum! Urkunden will ich in naechster Zeit, dass tragen soll der Spross den Namen Wolf Raittenau." Lamberg wagte nun seinerseits den forschenden Blick auf den Gebieter zu richten, sprach aber nichts. Mehr fuer sich entwickelte Wolf Dietrich in seiner hastigen Art hochfliegende Plaene, wie der kleine Wolf erzogen, herangebildet werden solle, auf dass er gebuehrend seinen Platz dereinst einnehme als ein Raittenau. Lamberg drueckte seine ergebene Zustimmung durch wiederholte Verbeugungen aus und behielt seine Gedanken fuer sich. Liebt doch der Fuerst nicht, unterbrochen zu werden, und Andeutungen, dass es anders werden koenne, als der temperamentvolle Gebieter glaubt, sind Wolf Dietrich alle Zeit verhasst. Der Fuerst sprach sich warm, kam vom Hundertsten ins Tausendste, und gelangte schliesslich zu seinem Lieblingsthema: bauen! Und einmal in diesem Fahrwasser ereiferte sich Wolf Dietrich fuer den Plan, seiner Salome ein wuerdig, fuerstlich Heim zu gruenden. Unzureichend sei der Keutschachhof nun, da einen jungen Raittenau er in sich birgt, die Residenz muesse verlegt werden. "Die ganze Residenz?" fragte ueberrascht Graf Lamberg. "Nicht doch, das hat Zeit, bis jenseit der Salzach ein Gebaeu erstanden ist, das 'Altenau' ich werde heissen. Zuvoerderst will meine Wohnung bei Hof ich veraendern, es stoeret vieler Laerm mich hier. Ein lautes Volk, meine Salzburger! Auch ist Botschaft mir geworden in den letzten Tagen, dass laut und im Uebermass es zugeht vielfach auf dem Lande wie in Salzburg. Den Weinteufel glaubte ich gestutzt durch Mandat und kraeft'ge Steuer, will scheinen, die Leute spueren wenig und saufen weiter. Werd' ein kraeftig Wort sprechen muessen! Dieweilen mir Unterthanen, arme Leut' hungern und entbehren des Noetigsten, herrscht Frass und Voellerei bei andern! Will mich beduenken, werd' examinieren lassen muessen auf dem Konsistorio und die Leut' befragen auf Herkommen und Glaubensbekenntnis. Wird nicht zu fruehe sein damit!" "Gewiss nicht! Euer Hochfuerstliche Gnaden werden den Dank Roms sich erwerben mit bemeldter restauratio. Nur moechte ich, sothanermassen der gnaedige Herr und Gebieter das Wort mir wollen verstatten, raten...." "Was?" "... raten, eine laengere Frist zu setzen gleich manchen Fuersten im Reich, auf dass die Leute sich werden schluessig zur Umkehr und Einschluss in die ecclesia cattolica oder zu gehen aus der Heimat. Bin richtig ich informiert, besteht im Reich die Frist von einem Jahr!" "Zu lang' waehrt solche Frist, auch hab' schon zu lang' ich gezoegert. Es ist mir lieb, dass kommt die Sprache zwischen uns auf solch' Kapitel. Es ist mein Wille, dass citieret werde Ludwig Alt und Salzburgs Stadtrat bald zu Hof, und ein Kommissarius soll die Leut' befragen auf das Trienter Bekenntnis, soll es beschwoeren lassen." Lamberg wagte den Hinweis, dass vielleicht doch jetzt in diesen Tagen ein solches Vorgehen nicht den gewuenschten Erfolg haben koennte. In seinem Ungestuem rief Wolf Dietrich: "Warum nicht jetzt? Wer kann mich hindern? Mein Wort hat Geltung allezeit und zu jeglicher Stunde! Ich will Farbe bekennen sehen! Und zugleich soll man die Leut' beschauen, so einer will zum Buerger aufgenommen werden in Salzburg. Soll mir keiner Buerger werden, er habe denn hundert Gulden im Vermoegen zum mindest!" Lamberg mochte wohl nicht naeher seine Meinung eroertern, da der Fuerst nicht selbst erkannte, dass die Geburt eines Sprossen wenig zur gewaltsamen Forderung eines Glaubensbekenntnis der Unterthanen passe; der Kapitular sprach daher nur sich dahin aus: "Es wird Euer Hochfuerstlichen Gnaden sicher eine gute Vorbetrachtung sein, zu mandatieren ueber Pruefung bei Aufnahmen von neuen Buergern und Mindestforderung eines festgesetzten Vermoegens." Wolf Dietrich beruhigte sich ob dieser Versicherung, nur schien es, als horche der Fuerst ab und zu auf, wie in Erwartung, dass Deputationen zur Gratulationscour erscheinen sollen. Da aber niemand sich melden liess, bemaechtigte sich des verletzten Gebieters eine gewisse Verdrossenheit, die den Kapitular veranlasste, um gnaedige Entlassung unter dem Vorgeben zu bitten, dass sogleich bezueglich der Citation die noetigen Ordnungen getroffen werden sollen. Der Reihe nach im Rang fanden sich die Hof- und Kapitelbeamten ein, um ihre ehrerbietigen Glueckwuensche zum erfreulichen Ereignis auszusprechen; die einen in ueberschwaenglicher Weise, andere wieder gelassen und trocken, alle aber auf hoeflichste Art, demuetig, wie es dem hochfahrenden Sinn des Fuersten entsprechen und gefallen musste. Wolf Dietrich entfaltete, hiervon angenehm beruehrt, all seine fascinierende Leutseligkeit und lud die Herren zu einem Festmahle ein, um seinem fuerstlichen Dank vollen Ausdruck zu verleihen. Hatte der kluge, diplomatisch geschulte Graf Lamberg die Absicht, mit der befohlenen Glaubensexaminierung zuzuwarten, um den Gemuetern der erregten Salzburger Zeit zu einer gewissen Beruhigung zu lassen, auf dass doch eine Restauration nicht unmittelbar auf die Geburt eines Kindes ohne gueltigen Ehebund folge,--der Fuerst, der das Warten nicht kannte, durchkreuzte solche feinfuehlige Absicht durch scharfes Monieren, und so musste denn der ad hoc bestellte Kommissar seine wenig angenehme Thaetigkeit entfalten. Der Kanzler aller geistlichen Sachen im Erzstift citierte den Buergermeister und die Stadtraete in den Palast, legte ihnen das Trienter Glaubensbekenntnis vor und verlangte dessen feierliche Beschwoerung. Die meisten leisteten den Eid ohne Zoegern, einige der Handelsherren aber verlangten eine Frist, um sich klar zu werden ueber den Stand ihres Glaubens, und deuteten an, dass die Citierung ebenso ueberraschend sei, wie ein gewisses Ereignis am fuerstlichen Hofe. So in eine fatale Notlage gebracht, musste der Kommissar den zoegernden Kaufherren doch wohl eine kurze Frist gewaehren. Dafuer aber wurde am naechsten Tage von den uebrigen Buergern Erscheinen und Beschwoerung verlangt, und zwar in einem schaerferen Tone und unter Androhung der zu gewaertigenden Strafen. Die Scheu vor dem strengen Fuersten, die Liebe zur Heimat und die Furcht vor Verarmung, all' dies uebte auf die Buerger einen Druck aus, unter welchem sie den geforderten Eid leisteten. Ueber zwanzig Buerger aber verweigerten das Jurament und verhielten sich ablehnend, auch als die Ausweisung angedroht wurde. Eine abermalige Gaerung in der Bevoelkerung griff um sich. Wolf Dietrich zeigte sich erbost und erliess nach kurzer Zeit eine besondere Verordnung "zu verhuetung mehreren unraths" ueber den Wegzug der ketzerisch Gebliebenen, derzufolge diese Ketzer sofort ein genaues Verzeichnis ihres Besitzstandes einreichen und eine hohe Gebuehr fuer die Erlaubnis zum Wegzug zahlen mussten. Wer diesem Befehl nicht nachkam, dessen Gut war dem Fiskus verfallen; ihre Gueter im Lande mussten an Personen, deren Tauglichkeit und Glaubenstreue vom Fuersten zu betaetigen ist, entweder schleunigst verkauft oder mit der ausdruecklichen Bedingung des baldigen Verkaufes verpachtet werden, widrigenfalls der Erzbischof ueber sie verfuegen wuerde. Die von dieser Verordnung Betroffenen waren grossenteils Kaufleute und Wirte, denen nicht nur alle Rechte und Freiheiten entzogen wurden, sondern auch bei Konfiskation der Waren aller Handel im Erzstift verboten ward. Da nun auch Muendel von diesem Mandat betroffen wurden, uebernahm die fuerstliche Regierung die Vormundschaften unter Beifuegung der Bestimmung, dass alle an ketzerischen Orten befindlichen Muendel sobald als moeglich nach Salzburg zurueckkehren muessen. Wer seine Geschaefte in Ordnung gebracht habe, solle innerhalb vierzehn Tagen die Stadt verlassen; der aeusserste Termin wurde auf vier Wochen gesetzt. Ein Weheruf ging durch das Land. Graf Lamberg fuehlte Erbarmen mit den Leuten, seinen Bemuehungen gelang es, dass der Fuerst die Frist um weitere vier Wochen verlaengerte. In dieser Zeit erfolgte unter dem furchtbaren Druck doch noch manche Unterwerfung, die aber, weil der Termin nicht rechtzeitig eingehalten, mit einer aeusserlich sichtbaren Strafe dahin belegt wurde, dass diese Saeumigen an Sonn- und Feiertagen im Dom mit brennenden Lichtern in der Hand Busse thun mussten. Darueber vergingen Monde, und allmaehlich verliefen sich die Wogen der Erregung, zumal ein Widerstand gegen die fuerstliche Macht und Gewalt ja doch aussichtslos erscheinen musste. Die Leute durften maehlich froh sein, wenn keine neuen Mandate erfliessen, die bei diesen Zeitlaeufen foermlich in der Luft hingen und dem Regen gleich herabprasseln koennen zu jeglicher Stunde. Wolf Dietrich oblag tiefer Andacht meist im Dom, und eines Tages ward der Erzbischof darin gestoert durch einen leichtfertigen Schuljungen, der auf den heiligen Ort gaenzlich vergass und den im andaechtigen Gebet knieenden Buergern Schnecken auf den Ruecken setzte, so dass die Kleider der Andaechtigen arg von dem Schneckenschleim beschmutzt wurden. Als Wolf Dietrich diesen Unfug gewahrte, erfasste ihn Zorn und Entruestung, der Erzbischof sprang auf, schritt auf den Schuljungen zu, fasste ihn schlankweg beim Schopf und fuehrte den auf den Tod erschrockenen Jungen aus der Kirche. Diener liefen herbei, denen Wolf Dietrich den kleinen Missethaeter zur Inhaftierung uebergab. Noch am selben Tage dekretierte der Fuerst die Strafe: Auspeitschung mit Ruten und ewige Landesverweisung, die sogleich am zeternden Jungen und trotz aller Bitten der inzwischen dazugekommenen Eltern vollzogen wurde. Dieses Ereignis sollte insofern weitere Folgen haben, als Wolf Dietrich nun gegen jegliches Laster ueberhaupt mit grosser Schaerfe vorging. Mord und Totschlag gab es viel, und mit der Sittlichkeit war es allerorten uebel bestellt. Ein Mandat forderte zur Umkehr und Besserung auf und drohte mit dem Malefizrichter. Ein kaum dem Knabenalter entwachsener Bursch Jakob Staudner[14] wurde von revierenden Schergen ertappt, als er ein kleines Maedchen Namens Susanna Pauser seinen Geluesten gefuegig machen wollte, und in den Turm geschleppt. Auf erstattete Anzeige befahl der im hoechsten Masse erzuernte Fuerst, es solle sogleich Gericht ueber den Missethaeter gehalten und die Todesstrafe ausgesprochen werden. Die Richter hatten somit das Urteil bereits vorgeschrieben; das Verhoer liess aber doch die Moeglichkeit offen, dass der Verhaftete die Unthat nicht begangen habe. Auch konnte eine "Beschaedigung" (Verletzung) des Maedchens nicht konstatiert werden. Als von solchem Sachverhalt der Fuerst verstaendigt ward, lautete die Antwort: Es solle gleichwohl durch den Freimann ein Exempel statuiert werden. Das Urteil lautete daher auf Hinrichtung durch das Schwert. Im Hof des Gerichtshauses waren alle Vorbereitungen getroffen. Der dem Tode geweihte Bursch wurde zum Schaffot geleitet, der Stab ueber ihm gebrochen; der Franziskaner-Pater, welcher dem Delinquenten den letzten Trost der Religion gereicht, betete die Sterbgebete, und der Scharfrichter riss dem Burschen das Wams vom Leibe. Brust und Hals waren nun unbedeckt, der wimmernde Delinquent harrte des Todesstreiches. Da kamen ploetzlich zwei Franziskaner in grosser Hast und Aufregung in den Hof gelaufen und riefen, es solle der Malefizrichter innehalten, der gnaedige Fuerst habe Pardon gegeben. Thatsaechlich hatte sich Wolf Dietrich von der beweglichen Fuerbitte der Franziskaner, denen er ein Kloster erbaut hatte, zu einem Gnadenakt bewegen lassen, jedoch nur unter der Bedingung, dass die Franziskaner den Burschen weiterhin in ihre Obhut nehmen muessten. Als dies gelobt worden, gab Wolf Dietrich den Delinquenten frei, und die Franziskaner kamen im letzten Augenblick, ein Menschenleben zu retten. Fuerder aber blieb der Fuerst in allen Mord- und sonstigen Lasterfaellen unerbittlich; im benachbarten Engendorf wurde kurz darauf ein Bauernknecht wegen Totschlages hingerichtet. Das wirkte heilsam; man wusste nun, dass jegliche Begnadigung ausgeschlossen sei, die Mandate fanden Beachtung. Der Vorfall in dem Dom zu Salzburg brachte den Fuersten auch auf den Gedanken, in den Schulen auf besseren Unterricht und Verhalten zu dringen, und es erfolgte eine strenge Schulordnung, nach welcher die Lehrer vor ihrer Anstellung examiniert, die Buecher der Lehrer wie der Schueler visitiert, der Katechismus nach P. Canisius wenigstens zweimal woechentlich gelehrt, den Kindern tuechtig eingepraegt werden solle. Die Lehrer wurden verhalten, Sorge fuer die oesterliche Beichte und Kommunion zu tragen, die Kinder schaerfstens zu ueberwachen, auch brave Knaben als Aufsicht zu bestellen, und die Schulstuben mit Wachholder auszuraeuchern. Ingleichen sollen die Kleinen vom Essen unreifen Obstes abgehalten werden. Ueber Mangel an fuerstlicher Initiative und Ueberraschungen durch die mannigfaltsten Mandate konnten sich die Salzburger also nicht beklagen. Eine eigenartige, unerhoerte Ueberraschung sollte aber die Fusswaschung der zwoelf armen Maenner, welche die Apostel darzustellen hatten, am Gruendonnerstag bringen. Im Dom begann diese uralte Ceremonie, welche der Fuerst-Erzbischof in eigener Person vornahm. Wie Christus beim letzten Abendmahl den Aposteln die Fuesse wusch, um ihnen sinnbildlich die Tugenden der Demut und der bruederlichen Liebe einzupraegen, ist in Domkirchen der Bischof gehalten, zur Erinnerung an diese Handlung Christi diese Ceremonie zu vollziehen. Nach abgelesenem Evangelium legte Wolf Dietrich den Mantel ab, liess sich ein Vortuch reichen, und begann den zwoelf Greisen die entbloessten Fuesse zu naessen und gleich darauf mit dem Handtuch abzutrocknen. Dann folgte der Apostelkuss, den Wolf Dietrich allerdings etwas rasch vornahm. Soweit ging alles nach uralter kirchlicher Vorschrift und haette nun die Geleitung des Erzbischofes zum Hochaltar erfolgen muessen. Die Domherren und Kleriker ordneten sich zum Zug dahin, aber Wolf Dietrich ignorierte dieses Arrangement, schritt ploetzlich wortlos quer durch das Kirchenschiff und stieg zur groessten Ueberraschung des Kapitels wie der massenhaft anwesenden Glaeubigen die Kanzeltreppe hinan. Ein Fluestern ging durch die weiten Hallen des Domes, von Mund zu Mund flog es, dass der Erzbischof gegen allen Brauch unerhoerterweise nun predigen werde. Richtig erschien Wolf Dietrich in der Kanzel und begann mit der ihm eigenen Gabe hinreissend schon nach wenigen Saetzen zu predigen. Alles hielt den Atem an, um kein Wort dieser ueberraschenden Kanzelrede zu verlieren, die also begann: "Am heutigen Tage folgen dem Beispiel Jesu der Papst und die Bischoefe, in den Klostern die Aebte und Vorsteher, haeufig auch christliche Kaiser, Koenige und Fuersten, und alle beweisen durch Fusswaschung, Bewirtung und sonstige Versorgung mehrerer Armen, dass die erhabene Wuerde, so sie als Erdenbeherrscher ueber die Unterthanen erhebet, sie nicht trennen duerfe von den Banden der christlichen Bruderliebe, durch die wir im katholischen Glauben alle Glieder _eines_ Leibes sind. Wir haben uns zu befleissigen, aufzunehmen in uns den Geist der Demut und Bruderliebe, zu beherzigen die Worte, die Jesus nach der Fusswaschung zu den Aposteln gesprochen: 'Ich habe euch ein Beispiel gegeben, dass ihr einander thuet, wie ich gethan habe. Wie ich, euer Herr und Lehrmeister, euch die Fuesse gewaschen habe, sollet auch ihr einander die Fuesse waschen.'--Kein Tag im ganzen Jahr mahnt mehr und besser zur Einkehr, zur Demut, und demuetigen muessen sich alle wahrhaft Glaeubigen vor Gott dem Herrn, demuetigen auch die Unterthanen vor ihrem Fuersten und Gebieter." Wolf Dietrich hatte damit den gewuenschten Uebergang gefunden, um den Zuhoerern ihre Pflichten der Ergebenheit darzulegen, und gewandt sprach der Kanzelredner zu Herzen, er spielte auf manche Ereignisse an, welche die schuldige Demut auch vor dem Fuersten und seinen Regierungsakten schwer vermissen liessen. Mit flammenden Worten ruegte der Redner solchen Mangel an Ehrfurcht und Demut, er geisselte Unbotmaessigkeit und Noergelsucht und fuehrte aus, dass jeder Fuerst ein Recht darauf habe, sich auch als Mensch zu fuehlen, und der Unterthan zu schweigen habe. Besser sei da ein menschlich Leben in weiser Beschraenkung als verhuellte Suende; besser, es haelt der Mann es mit einem einzig Weibe in Ehren, denn er fuehre ein ausschweifend Leben, wie beklagenswert anzutreffen sei an vielen Orten und leider auch in Priesterhaeusern und im Widum. Die Rede schloss mit einem Appell an den guten Sinn und demuetige Ergebenheit aller guten Unterthanen, die den Balken im eigenen Auge erkennen sollen. In hoechster Ueberraschung fluesterten die Zuhoerer wie die Kapitelherren, es kann kein Zweifel sein, dass Wolf Dietrich ueber sein Verhaeltnis zu Salome sich ausgesprochen, den Unterthanen eine Epistel vorgetragen habe. Ein unerhoertes Beginnen, ueberraschend, verblueffend, aber echt im Charakter des Fuersten, der so viel Unberechenbares in sich birgt. Gelassen stieg Wolf Dietrich die Kanzelstufen herab und begab sich zu seinem erhabenen Platz neben dem rechtseitigen Chorgestuehl des Kapitels. Zoegernd nur, ringend nach Fassung, begannen die Priester und Domherren die Funktionen wieder anzunehmen und durchzufuehren. Graf Lamberg sass wie zu Stein erstarrt an seinem Platz, auch er, der vertraute Freund des Erzbischofs, ist grenzenlos ueberrascht worden. Salzburgs Bevoelkerung hatte abermals eine Gelegenheit zu ausgiebigen Eroerterungen, die Predigt des Erzbischofs giebt Gespraechsstoff auf lange Zeit. Allein ein ebenfalls gaenzlich unerwartetes Ereignis lenkte die Aufmerksamkeit der Salzburger auf ein anderes Gebiet. Ueber Nacht war naemlich von Seite des Fuersten ein Krieg erklaert worden, und zwar den salzburgischen----Hunden. Wolf Dietrich hatte seine Privatwohnung in den Trakt gegen den Aschhof verlegt und schon in der ersten Nacht revoltierten Hunde dortselbst mit einem Laerm, dass von Schlaf keine Rede sein konnte. Und die rebellischen, bellenden Biester kuemmerten sich nicht im mindesten um die Zornesrufe des Landesfuersten, im Gegenteil ward ihr Geheul um so aerger, je kraeftiger Wolf Dietrich schimpfte. Es graute der Morgen kaum, da war der Krieg schon erklaert; ein Wachthuettlein musste im Hof aufgestellt und von einem Nachtwaechter bezogen werden, und der Hundschlager (Wasenmeister) erhielt Befehl, an allen Werktagen die salzburgischen Hunde auf allen Gassen einzufangen und abzuschlagen. Der Hundschlager verstand keinen Spass und begann sein Handwerk mit einer alle Hundefreunde mit Schrecken erfuellenden Gruendlichkeit. Vom fruehesten Morgen bis zur Daemmerung am Abend war der Hundemeuchler unterwegs und fing die Biester mit Stricken ein, erdrosselte sie gleich auf der Strasse, unbekuemmert um das Gezeter der Hundebesitzer. Der Schlager konnte ruecksichtslos vorgehen, denn der ihm gewordene Befehl lautete auf Vernichtung aller Hunde, so gefangen werden konnten. Wer seinen Hund lieb hatte, musste sehr acht geben auf den Schlager und durfte den Hund nicht aufsichtlos lassen. Die grausame Verfolgung merkten mit der Zeit die Biester selbst, die vor ihrem Todfeind ausrissen, wo immer es ging. Doch der Schlager erwies sich ueberaus findig, er warf lange Schlingen mit grosser Sicherheit aus und fing die Koeter mit unfehlbarer Sicherheit. Der Aschhof war auf diese Weise bald von vierfuessigen Nachtwandlern befreit, doch blieb der Befehl zu weiterer Vernichtung in Kraft, Salzburg hatte nach fuerstlicher Auffassung ueberhaupt zu viel Hunde. Dem Schlager erwuchs zu grosse Arbeit durch das Wegfuehren der Hundekadaver, er toetete jeden eingefangenen Hund, indem er ihn mit dem Kopf um die Erde oder Haeuserecken schlug, und liess die Kadaver einfach auf den Gassen liegen. Bei solcher Massenverfolgung und -Toetung konnten Fehlgriffe insofern nicht ausbleiben, als auch Tiere weggefangen und gemeuchelt wurden, die einflussreichen Leuten bei Hof gehoerten. Die Metzger beschwerten sich, dass einerseits der Viehtrieb ohne Hunde erschwert sei, und dass der Schlager die Hundekadaver als Bosheit vor den Fleischbaenken liegen lasse. Alte Jungfern beweinten den Tod ihrer vierbeinigen Lieblinge und inscenierten Auflaeufe. Kurz es schien, als sollte Salzburgs Bevoelkerung abermals rebellisch werden, und die Kunde davon kam auch dem Fuersten zu Ohren. Zu einer Revolution der Hunde wegen wollte Wolf Dietrich es nun aber doch nicht kommen lassen. Die Beschwerden wurden geprueft, fuer begruendet befunden, und nun erfolgte die Verhaftung des Schlagers. Die Aburteilung endete mit Entlassung "mit Spot und Schant". IX. An einem furchtbar heissen Augusttage wanderte ein Franziskaner-Frater auf Terminierung (Almosen-Sammlung) schwerbepackt einem Wirtshause zu, das am Fusse des dichtbewaldeten Geissberges bei Salzburg gelegen war. Der Bettelmoench keuchte unter der Last seines mit Getreide, Mehl und Speck gefuellten, maechtigen Sackes, und ausserdem trug der krank aussehende Frater statt eines Stockes einen kleineren Sack in der Hand, der eine lebende Spende irgend eines frommen Bauers enthalten mochte, denn bei jedem Schritt zappelte das Lebewesen im Sack. Und so oft der Bruder unwillig den Sack schuettelte, quieckste das Almosen aus Leibeskraeften, wasmassen die Spende ein Spanferkel war. Jener Aelpler in der Kuchler Gegend konnte dem terminierenden Klosterbruder Hartgeld nicht geben, weil er selbst keines besass, er spendete eben vom Ferkelueberfluss, der ihm geworden, in der Meinung, dass die Franziskaner zu Salzburg zur Abwechslung wohl gewiss gerne mal einen Ferkelbraten essen wuerden. Der Frater nahm das lebende Almosen dankend in einem Sack mit und schleppte sich schwerbepackt weiter gegen Salzburg. Unweit des Wirtshauses am Fusse des Geissberges aber ward die Muedigkeit zu gross, der Bruder zitterte am ganzen Leibe, kalter Schweiss trat ihm auf die Stirne trotz der uebermaessigen Hitze, stoehnend musste der Frater am Strassenrain sich setzen, es ging nicht mehr weiter. Das Spanferkel quieckste schrecklich und versuchte im Sack die Flucht. Angelockt von solchem Laerm erschien der Wirt der nahen Schenke vor der Schwelle und hielt Auslug. Kaum hatte der behaebige Zapfler den blassen, mueden Moench erblickt, da schritt er auf ihn auch schon zu, um helfend beizuspringen. "Was fehlt Euch, Bruder? Ihr sehet bass uebel aus!" Der Frater stoehnte, mit Muehe brachte er heraus, dass ihm eine unerklaerliche Krankheit angeflogen sein muesse. "Reichet mir barmherzig einen Schluck Weines, Gott wird Euch die Gutthat lohnen!" "Sollt Ihr haben! Kommt nur mit in die Stube! Lasst mich die Saecke tragen! Ihr habet wohl eine Spansau mit?" Der Klosterbruder nickte und bat, es moege der Wirt das Ferkel im Stall einstweilen einstellen und fuettern bis zur Abholung. "Gern soll das geschehen!" sprach der moenchefreundliche Wirt und trug den Sack mit dem Ferkel zum Stall. Auf Geheiss des Zapflers holte eine Dirn den andern grossen Sack, und so von der Traglast befreit, vermochte der Frater allein und ohne Hilfe die Gaststube zu erreichen, wo ihm ein Humpen Weines gereicht wurde. Ein Stuendlein Ruhe und der kraeftigende Wein halfen dem armen Bruder wieder auf die Beine, sodass er nach Erstattung herzlichen Dankes den Terminierungssack wieder auf die Schulter zu nehmen und gen Salzburg zu wandern vermochte. Das eingestellte Ferkel will er auf neuer Terminierung gelegentlich wieder holen. In der Hitze war es ein schlimmes Wandern; schon nach einer Stunde fuehlte sich der Klosterbruder abermals matt zum Sterben, und in der Meinung, es gehe zu Ende, setzte er sich an den Strassenrain und machte Reu' und Leid, die Sterbgebete fluesternd. Ein Baeuerlein kam des Weges mit einem Fuhrwerk und sprach den armen Bettelmoench mitleidig an, der todesbleich, ein mit dem Tode ringender Mensch, bat, es moege der Bauer ihn um Gottes Lohn ins Franziskanerkloster nach Salzburg bringen. Den Sack mit den Naturalien hatte der Bauer flink aufgeladen, schwieriger ward es mit dem Bruder, der die Gewalt ueber seine Gliedmassen bereits verloren hatte. So blieb dem barmherzigen Bauer nichts anderes uebrig, als den Frater gleich einem Getreidesack auf den Wagen zu legen. Dann ward in die Stadt gefahren, und am Steinthor angehalten, gab der Fuhrmann der Thorwache an, er habe einen kranken Franziskaner im Wagen benebst dessen Almosensack. Der Tuermer, ein vorsichtiger Mann, trug Bedenken, einen Kranken in die Stadt zu lassen, wasmassen allerlei beunruhigende Nachrichten umlaufen vom Herrschen der Pest in Hallein. Auf die Frage, was denn dem Klosterbruder fehle, konnte der Bauer nur versichern, dass er das nicht wisse, wahrscheinlich werde dem Frater die Gesundheit fehlen. Der Tuermer trat an den Wagen und fragte den Bruder, dessen Augen schon fast glasig geworden, ob der Frater wirklich ins Salzburger Kloster gehoere. "Freilich, das hat er mir ja selber gesagt!" beteuerte der Bauer, dem es pressierte, in die Stadt zu kommen. "Ja, wenn der Kranke nach Salzburg gehoert, muss er wohl eingelassen werden!" argumentierte der Waechter und gab die Einfahrt frei. Bis das Fuhrwerk die enge Steingasse durchfahren, die Salzach auf der Bruecke uebersetzt und die Klosterpforte erreicht hatte, war der Frater bereits verstorben, der Bauer konnte nur mehr einen toten Mann abliefern. Rasch trugen die Fraters den Toten ins Kloster, der Bauer folgte rasch mit dem Almosensack, aus welchem der ob der entsetzlichen Hitze weich gewordene Speck tropfte. Die Schreckenskunde, dass ein Frater vom Terminieren tot heimgekommen, alarmierte das Kloster, und ein heilkundiger Pater eilte sogleich herbei, um am Leichnam vielleicht ein Zeichen fuer die Todesart zu finden. Erschrocken prallte der kloesterliche Medikus zurueck und rief: "Grosser Gott! Ein Pestfall!" Das hoerte der Bauer, welcher bislang neugierig im Kloster und bei der Leiche geblieben war, und mit rasenden Saetzen fluechtete der Mann nun hinweg, sprang auf sein Gefaehrt und jagte das Ross unter Peitschenhieben dem Einstellhause zu. Die rasende Fahrt musste auffallen, zumal schon das Trabfahren in den engen Gassen verboten ist, und am Keutschachhofe fielen einige Trabanten dem Ross in die Zuegel und brachten es zum Stehen. "Auslassen, auslassen! Die Pest, die Pest!" zeterte der entsetzte Bauer, und scheu wichen die Trabanten von dem Gefaehrt hinweg. Mit Windeseile verbreitete sich die Kunde von dem eingeschleppten Pestfalle, ueberall Schrecken und Todesangst erzeugend. Waehrend man im Rathause noch nicht wusste, was beginnen, hatte Wolf Dietrich bereits mit seiner Energie eingegriffen. Ein Offizier mit zahlreicher Mannschaft rueckte im Eilmarsch vor das Franziskaner-Kloster und ueberbrachte den Befehl des Erzbischofes, wonach binnen einer Stunde alle Bewohner des Klosters, eingeschlossen den an der Pest verstorbenen Frater, das Haus verlassen und zu Schiff auf der Salzach wegfahren muessen. Wohl protestierte der Guardian, die Moenche baten, den Frater doch vorher beerdigen zu duerfen; allein der Offizier beharrte auf dem ihm gewordenen Befehl, und als die Moenche keinerlei Miene zum Abruecken machten, erklaerte der Offizier, nun Gewalt zu brauchen. Die Helebardiere, auch Musketiere darunter, drangen in die Klosterraeume, es ward bitterer Ernst. Wie die Moenche standen, mussten sie abziehen, nichts durfte mitgenommen werden von den kleinen, bescheidenen Habseligkeiten, nur den Toten mussten die Fraters auf der Bahre wegtragen. Von den Kriegsknechten eskortiert, wurden die Franziskaner im Eilmarsch zur Salzach getrieben, wo auf fuerstlichen Befehl ein Salzschiff zur Fahrt bereit stand. Leer blieb das Kloster, dessen Pforte verschlossen worden war. Der Transport erregte Erbitterung bei den moenchefreundlichen Buergern, doch hielt die Angst vor der Pest und Ansteckungsgefahr die Leute ab, sich einzumengen. Die Franziskaner jammerten, als sie gezwungen wurden, die Plaette zu besteigen, laut und beweglich, aber es nuetzte nichts. Die Schiffsknechte, wenig davon erbaut, einen an der Pest Verstorbenen an Bord zu haben, zogen das Laendseil ein, und stiessen ab. Von den Wellen erfasst, drehte sich das breite Schiff und glitt dann, gut gesteuert, schnell hinab. Die Moenche beteten laut.... Scharf griff der Fuerst weiter ein. Schergen fahndeten nach dem Bauer, der den toten Bettelmoench in die Stadt verbracht, und lieferten ihn in ein Haus in der Riedenburg ein, das sofort als Pesthaus isoliert worden war. Bis das aber geschehen konnte, war der Bauer doch schon mit verschiedenen Leuten in Beruehrung gekommen. Nach wenigen Tagen gab es Pestfaelle in der Stadt, Angst und Aufregung wuchsen. Aerzte und deren Gehilfen, von Soldaten begleitet, hielten strenge Ordnung, Erkrankte sowie alle Inwohner eines Hauses, wo sich ein Pestkranker befand, wurden zwangsweise aus der Stadt in das Pesthaus in der Riedenburg geschafft, ruecksichtslos, unerbittlich wurde dieser Befehl vollzogen, ohne Ansehung der Personen. Still ward es in Salzburg und heiss ueber alle Massen. Unbarmherzig brannte die Augustsonne herab. Fest geschlossen waren die Thore, der Eintritt in die Bischofstadt blieb verweigert, denn im benachbarten Salzstaedtlein Hallein herrschte ein grosses Sterben, es hiess, es starben oft an einem Tage vierzig Menschen. Und schrecklich lauteten die Nachrichten, dass die Pest auch im angrenzenden Bayerlande wie im Oesterreichischen viele Opfer fordere. An fuenfzig Personen aus Salzburg starben im Schinderhaus zu Riedenburg. Auf Befehl des Fuersten mussten deren Verwandte wie auch sonstige Inwohner aus der Stadt auf die Felder verbracht werden und dort verbleiben, die Rueckkehr war aufs strengste verboten. Gesunde Leute zu Salzburg zwang man, tagsueber auf einige Stunden sich im Freien zu ergehen, auf dass sie doch etwas an die Luft kaemen. Als die Kunde zu Wolf Dietrich drang, dass die Ausgestossenen auf den Feldern bittere Not litten, keine Verpflegung haetten, indem die umwohnenden Bauern in ihrer Angst vor Ansteckung sich weigerten, Nahrung abzugeben und die Leute scheu mieden, da sorgte der Erzbischof sogleich und schickte Atzung jeglichen Tag, auch mussten auf seinen Befehl Aerzte und Priester zur Wartung und Pflege der Kranken hinaus. Endlich umzog sich das Firmament mit Wolken, von den Bergen blies frische Luft, ein Regen erquickte Land und Leute. Die Salzburger fassten wieder Mut und wurden beweglich; Buerger thaten sich zusammen und supplizierten zum Fuersten, es solle der Erzbischof doch nicht so grausam sein und die Kranken im freien Felde belassen oder doch wenigstens auf der Schanz zu Muehlen (Muelln) unter Dach bringen, wofuer die Buergerschaft zur Deckung der Kosten eine Steuer extra zahlen wolle. Diese Supplikation, hauptsaechlich wohl der anmassende Ton und Undank, erbitterte den Fuersten schwer, es erfloss ein Mandat, worin die Buerger als Aufwiegler und Unruhestifter erklaert und mit insgesamt achthundert Gulden Strafe wegen ihrer Ungebuehr belegt wurden. Die kuehle Witterung hielt an und brachte Besserung im Krankenstande. Auf Befehl des Fuersten durften die Exilierten, nachdem die Aerzte hierzu ihre Einwilligung gegeben, wieder ihre Stadtwohnungen beziehen, und auch den Franziskanern wurde die Rueckkehr wieder gestattet, deren Kloster vorher voellig in stand gesetzt worden war. Im ganzen waren zu Salzburg neunzehn Haeuser infiziert gewesen und etwa fuenfzig Personen daraus verstorben. Damit erlosch die Pest in der Bischofsstadt und die Schrecken wichen. Zurueck blieb nur der Aerger ueber die achthundert Gulden Strafe, welche unweigerlich an die Hofkasse gezahlt werden musste. Spaetherbst war ins stiftische Land gezogen, die Waelder prangten in leuchtenden Farben. Vom Franziskanerkloster wurden die Brueder ein letztes Mal vor dem Winter zum Terminieren ausgeschickt, einmal um fuer den eigenen Bedarf Vorraete zu bekommen, dann aber auch nach alter Satzung dieses Ordens Naturalien fuer die Armenbekoestigung zu erhalten. Den Frater Anselm traf die Tour auf dem rechtseitigen Salzachufer bis gegen Golling, und mit einem maechtigen, anjetzo noch leeren Sack zog der Bruder aus um im Oberland mit dem Terminieren zu beginnen. Viel war im von Steuern, Missernte und der Pest heimgesuchten Laendchen nicht zu holen, die Gaben flossen spaerlich. Auf dem Rueckweg von Kuchel gelangte Frater Anselm auch zum Wirt am Geissberg am spaeten Abend, und leer war bereits die Zechstube, nur eine Magd wusch hoelzerne Bierbitschen, schon halb schlafend dabei und nicht eben erbaut davon, dass knapp vor Hausthorschluss noch ein spaeter Gast eintrat. Frater Anselm gruesste mit frommen Worten und bat um barmherzige Beherbergung fuer Gotteslohn. Die Dirn guckte erst ein Weilchen, das Moenchhabit schien sie zu beruhigen, und da der Frater sonst keine Wuensche auf Verpflegung aeusserte, war die Magd bereit, ihm ein duerftig Kaemmerlein im niederen ersten Stockwerk anzuweisen. Das Fenster der duesteren Kammer, die ausser einem Fuhrknechtbett nur noch Futtersaecke enthielt, ging dem von Mauern umschlossenen Hof zu. Frater Anselm glaubte ersticken zu sollen in dieser dumpfen Kammer; vom fleissigen Terminieren an frische Luft gewoehnt, war es ihm Beduerfnis, hier das Fenster zu oeffnen, an dem er nun eine Weile stand und Atem schoepfte. Totenstill und nachtschwarz war es um ihn. Doch ploetzlich ward unten im Hof eine Thuer geoeffnet und eine Stimme rief: "Jackel! Vergiss nicht, morgen gleich in der Frueh wird der 'Franziskaner' abg'stochen!" Und eine andere Stimme antwortete: "Ist recht, Wirt!" Todesangst erfasste den Frater, der jedes Wort gehoert hat und nichts anderes denken kann, als dass er in eine Raeuberhoehle geraten sein muesse und dass man ihm, dem armen Bettelmoench, ans Leben wolle. Bis zum Morgen darf nicht gewartet werden, Frater Anselm moechte noch ein Weilchen leben, er muss fliehen aus dem Moerderhause. Wie aber entweichen, ohne den Moerdern in die Haende zu laufen? Ein vorsichtig Betasten des Thuerschlosses, der Versuch des Aufklinkens ergab die Gewissheit, dass der spaete Gast wahrhaftig eingesperrt ist. Die Magd muss das Schloss von aussen versperrt haben. Ein verabredetes Spiel also! Nun zum Fenster! Aber erst muss alles im Schlafe liegen. So wartete der Moench eine lange Zeit, von Todesangst gefoltert, bis andauernde Stille dem Fluchtversuch guenstig erschien. Mit zitternden Haenden loeste der Franziskaner den weissen Strick von seiner Kutte, knuepfte die Enden ineinander, band das eine Ende am Fensterhaken fest und liess sich am Strick hinab in den Hof. Gottlob hielt der Kuttenstrick diese Prozedur aus, und zum Glueck befand sich kein Hund im Hof. Aber dieser Hof ist ringsum mit einer hohen Mauer umschlossen, das Hofthor ist fest verschlossen, und eine zweite Thuer duerfte direkt ins Haus der Moerderbande fuehren. Also ist der Moench rettungslos gefangen, eine Flucht unmoeglich. Die Nachtkaelte zwingt dazu, einen geschuetzten Unterschlupf zu suchen. Soll der Franziskaner am Kuttenstrick wieder hinaufklettern und den Rest dieser Schreckensnacht in der Kammer verbringen? Nein, lieber in den Verschlag im Hofe kriechen, der freilich nicht eben einladend duftet. Die Thuer ist unverschlossen, also hinein. Am Grunzen der ueberraschten Bewohner konnte Frater Anselm unschwer erkennen, dass er im Schweinestall sich befindet. Eine missliche Unterkunft, die aber vielleicht gerade seiner Rettung dienlich sein kann, denn im Schweinestall werden die Moerder ihr Opfer kaum suchen. Maehlich beruhigten sich die Borstentraeger, nur ein Ferkel bekundete zudringliche Neugierde und liess erst nach energischen Stoessen und Fausthieben von naeheren Untersuchungen des einquartierten Gastes ab. Zusammengekauert hockte der Moench im Stall und trotz der fuerchterlichen Angst ueberfiel ihn eine Art Halbschlummer, die Muedigkeit war zu gross. Ein Haushahn kraehte sein Kickeriki in die frische Morgendaemmerung und weckte den Franziskaner zur rauhen Wirklichkeit. Und bald darauf ward es lebendig im Hause. Eine Thuer wurde geoeffnet, Menschen traten in den Hof, und in naechster Naehe des Schweinestalles rief eine Stimme, bei deren Ton der Moench erzitterte: "Also Jackel, fang den 'Franziskaner' 'raus und hau' ihm gleich mit der Hack' auf den Schaedel!" Frater Anselm fuehlte sein Herz stille stehen, von Todesangst erfasst murmelte er ein Stossgebet zum Himmel und empfahl seine Seele der goettlichen Barmherzigkeit. Die Thuer zum Schweinestall ward aufgerissen, und im selben Augenblick fasste der Moench blitzschnell den Entschluss, durch vehemente Flucht sich durchzuschlagen, den ersten der Moerder niederzustossen. Gedacht, gethan, der Franziskaner prasselte aus dem Stall heraus wie ein Ungewitter und warf den Knecht ueber den Haufen. "Hui!" schrie der entsetzte Wirt, der am Boden liegende zappelnde Knecht zeterte ueber Mord und Totschlag. Auch der Franziskaner schrie in seiner Todesangst und rannte wie besessen dem Hofthor zu. Alle Hausinsassen kamen ob des Laermes herbeigesprungen. Der Wirt, bleich wie der Tod, zitterte wie Espenlaub und richtete Beschwoerungsworte an den Franziskaner, der schreckerstarrt an der Hofmauer stand und die Sterbgebete murmelte. Durch die offene Stallthuere aber huepften die Schweine heraus, quiecksend und schreiend den Wirrwarr im Gehoeft vermehrend. "Bist du ein Geist oder der Teufel in Verkleidung?" schrie der Wirt und machte das Kreuzzeichen gegen den Moench. Frater Anselm fasste augenblicklich Mut; wer das Kreuzeszeichen macht, kann kein Moerder sein. Er rief: "Im Namen Gottes des Herrn frag' ich Euch: Was wollet ihr von meinem Leben?" "Seid Ihr ein Geist oder ein sterblicher Mensch?" "Ich bin ein Franziskanerbruder, also ein Mensch!" Jetzt aenderte sich die verworrene Situation sofort; der Wirt gestand, dass er ein Ferkel, das vor geraumer Zeit ein Bettelmoench eingestellt, "Franziskaner" genannt und gestern Auftrag gegeben habe, dieses Franziskaner-Ferkel abzuschlachten. Wie nun statt dieses Ferkels ein Kuttenmoench aus dem Schweinestall herausgesprungen sei, habe er nicht anders geglaubt, als dass wegen des begangenen Frevels, ein Schwein "Franziskaner" genannt zu haben, das Ferkel in einen Bettelmoench verwandelt und ein Geist geworden sei. Flink nuetzte Frater Anselm die Lage aus, indem er gewaltig ueber solchen Frevel loszog und die Strafe Gottes in naechste Aussicht stellte. Die Strafpredigt zwang den verdatterten Wirt in die Kniee, reuig bat er um Verzeihung und gelobte das aufgefuetterte Ferkel sogleich dem Franziskanerkloster zurueckstellen zu wollen. Mehr konnte Frater Anselm nicht verlangen und schliesslich lachte er ueber die ausgestandene Angst und sein Missgeschick, und die Gehoeftbewohner lachten tapfer mit. Das Franziskaner-Ferkel wurde eingefangen und gebunden, dann musste Frater Anselm sich bewirten lassen, und schliesslich ward angespannt, der Wirt fuhr den Moench mit dem Terminiersack und dem schreienden Ferkel nach Salzburg ins Franziskanerkloster. Wenn ein Umstand den Wirt etwas beklommen machte, war es die Mitteilung, dass jener Franziskaner, der das Spanferkel eingestellt hatte, an der Pest verstorben sei. Der Gedanke an die damalige Ansteckungsgefahr liess den Wirt nachtraeglich erschauern. Indes die Seuche ist seit Monaten erloschen, es hat keine Gefahr mehr, und anstandslos durfte der Wirt durch das Stadtthor einfahren. Im Kloster lachte man weidlich ueber diese Franziskanergeschichte, und weil das Ferkel so praechtig aufgefuettert worden war, veruebelte man dem Wirt den Unterschlagungsversuch nicht weiter, zumal er ja nicht wissen konnte, dass jener anspruchsberechtigte Moenchsbruder mit Tod abgegangen war. Fuerder wurde besagter Wirt einer der eifrigsten Almosenspender fuer die wackeren Franziskaner und alljaehrlich lieferte er dem Kloster aus eigenem Antrieb ein Ferkel zur Suehne. X. Wahrhaft fuerstlich war Salome zu Hof gehalten, unumschraenkte Gebieterin und Herrin ueber eine grosse Schar von Kammerfrauen und Dienerinnen. Salome speiste mit Wolf Dietrich taeglich an der ueppig bestellten Tafel, sie erwies die Honneurs des fuerstlichen Hauses, wie sie im engeren Kreise bei Hof allenthalben als Gemahlin Seiner Hochfuerstlichen Gnaden respektiert wurde. Der Fuerst bekundete fuer Weib und Kind eine ruehrende Fuersorge, der gute innere Kern seines sonst wankelmuetigen Wesens offenbarte sich hier durch Treue und Hingebung im schoensten Masse. Aus Salzgeldern war Salome ein Nadelgeld von monatlich vier- bis sechstausend Gulden ueberwiesen, und sie verstand es, weise mit dem Gelde umzugehen, auf die Zukunft stets bedacht. Aber auch Wolf Dietrich schien bemueht, die Existenz seiner heissgeliebten Salome vor Wechselfaellen des Lebens sicherzustellen dadurch, dass er dem sogenannten "ewigen Statut" einen speziellen Paragraphen einfuegte, der in nicht misszuverstehender Weise lautete: "Alle diejenigen, welche vom Erzstift begabt und begnadet werden, sollen dieser empfangenen Gnaden und Haben halber nicht allein unter irgend einem Schein, heisse er wie er wolle, nicht angefochten werden oder rechtlichen oder unrechtlichen Anspruch darauf zu erdulden haben, sondern sollen vielmehr bei den empfangenen Gnaden beschuetzt und beschirmt werden." So geschirmt, beschuetzt, litt Salome doch bittere Qual im Herzen, der immer wieder auftauchende Gedanke an den kranken unversoehnlichen Vater steigerte den Seelenschmerz zur unstillbaren Sehnsucht, vom Vater Alt Vergebung zu erlangen. Und eines Tages, da die junge Mutter eben das kleine Woelfchen herzte, trat die Lieblingsdienerin Klara, die einst zur Flucht aus dem Elternhause behilflich gewesen, ins Gemach, und am geheimnisvollen Gebaren merkte Salome sogleich, dass ein besonderes Ereignis vorgefallen sein muesse. Die Kammerfrau wie die Kindsin wurden weggeschickt, und nun fragte Salome hastig, was Klara wohl zu melden habe. Zoegernd nur sagte die vertraute Dienerin, dass sie die Haeuserin des Vaters getroffen und von dieser Kunde habe, es stuende uebel mit Herrn Wilhelm Alt, wasmassen um den Geistlichen geschickt worden sei. Salome erbleichte bis in die Lippen, ein Schauer ging durch ihren zarten Koerper, bebend jammerte sie: "Grosser Gott! Gieb Gnade mir, steh mir bei zur Vergebung!" Und ein Gedanke fand sofortige Ausfuehrung. Salome kleidete Woelfchen sogleich an, ruestete selbst sich zum Ausgang und befahl Klara, eine Saenfte zu bestellen, und das Geleit zu geben ins Vaterhaus. Eine Stunde spaeter war Salome mit ihrem Soehnchen zitternd und zagend im Altschen Hause; Klara bemuehte sich, die Haeuserin zu beschwatzen, auf dass Tochter und Enkel ins Krankenzimmer gelassen wuerden. Der Priester, welcher beim Schwerkranken geweilt, verliess die Stube; ihm eilte von Schmerz und Sorge erregt und gequaelt Salome entgegen und fragte, wie es um den Vater stuende. Der Geistliche zuckte die Achseln, gruesste hoeflich und fluesterte: "Es kann nicht lange mehr dauern!" Ein Wehruf entrang sich der wogenden Brust, Salome fuehlte eine Ohnmacht nahen, doch raffte sie sich auf, nahm Woelfchen in die Arme und wankte, die Haeuserin zur Seite draengend, in Vaters Krankenstube. Wilhelm Alt drehte den totenbleichen Kopf zur Seite, die schier brechenden Augen waren fragend auf den Stoerenfried gerichtet. Wie nun Alt Salome erkannte, erzitterte er und hob die knoecherigen Haende wie abwehrend gegen die Tochter. Hohl klangen die Worte: "Hinweg mit der fuerstlichen Buhle!" Salome warf sich in die Knie, hielt Woelfchen entgegen und flehte schluchzend im bittersten Weh: "Vater, lieber Vater, vergebt mir! Verzeiht!" "Hinweg! Ich will in Ehren sterben!" "Vater, habt Erbarmen!" "Ich hab' kein Kind, kann Vater also nimmer sein!" "Hilf heiliger Gott, Maria steh' mir bei in dieser bittersten Stunde meines Lebens! Erweich' des Vaters Herz, o heiliger Gott, auf dass mir Verzeihung werde, nach welcher duerstet meine Seele, verlangt mein schmerzdurchwuehltes Herz!" "Hinaus! Ich will nichts hoeren!" "Schwer hat sich geraecht die Flucht vom Elternhause, ich fand die Seelenruhe nimmer, versagt bleibt mir der priesterliche Segen--" "Das wusst' ich zum voraus!" "Euer prophetisch Wort hat nur zu wahr sich an mir erfuellet! All' aeusserer Glanz kann die Hohlheit meines Seins nicht verdecken!" "Die Strafe ist gerecht fuer das ungeratene Kind, dessen Leben jedem ehrlichen Buerger Salzburgs muss die Schamroet' ins Gesicht nur treiben!" "Vergebt mein guter Vater! Hart ist die Strafe, doch willig soll sie ertragen werden! Lasst Euer Herz reden fuer mich und mein unschuldig Kind!" "Der Bastard soll zum Lockvogel wohl werden?! Vergebene Muehe!" "Zermalmet mich mit Eurem Zorn, doch sagt das eine Wort vorher, das meines Lebens hoechste Sehnsucht ist!" "Nein! Es bleibt bei meinem Fluch! Ich will von dir nichts wissen, will ehrlich stolz in die Grube fahren! An dir und deinem fuerstlichen Buhlen soll sich raechen der Fluch des Vaters, erfuellen sich ein grausam Schicksal verdientermassen!" Wilhelm Alt begann zu roecheln, seinem todesmatten Koerper und mueden Geist ward diese Scene zu viel der Aufregung, die den Todeskampf beschleunigen musste. Von Verzweiflung erfuellt setzte Salome das Knaeblein zu Boden, eilte an des Vaters Sterbebett und warf sich vor demselben nieder, die Haende flehend ringend, um Erbarmen wimmernd. "Nein!" fluesterte der Sterbende und liess das Haupt in die Kissen fallen. Ein Zucken, ein Seufzer--das Leben war entflohen, Wilhelm Alt unversoehnt gestorben. Salome schrie auf in furchtbarstem Schmerz und warf sich ueber die Leiche, die Lippen des Vaters ein letztes Mal kuessend. Dann rang die junge Mutter nach Fassung, nahm Woelfchen auf den Arm und verliess das Sterbezimmer, um in der Saenfte ins Palais zurueckzukehren und Trauerkleider anzulegen. Zur gewohnten Stunde erschien Wolf Dietrich in spanischer Rittertracht in Salomens Gemaechern, um die Gemahlin abzuholen und in den Speisesaal zu geleiten. Betroffen ob der Trauerkleidung fragte der Fuerst nach der Ursache, und als Salome ihm schluchzend Mitteilung vom Tode des Vaters gegeben, suchte Wolf Dietrich liebreich zu troesten. Die Frage, ob eine Aussoehnung erfolgt sei, fuehlte der Fuerst auf der Zunge liegen, doch als Schonung sprach er sie nicht aus. Dafuer gelobte er, Wilhelm Alt mit allem Gepraenge, wie die familiaeren Beziehungen dies heischen, bestatten zu lassen. Salome draengte die Thraenen zurueck und bat weichen Tones: "Mein gnaediger Herr moege davon Abstand nehmen! Der Vater soll still und schlicht begraben werden, darum bitte ich in meinem namenlosen Schmerze!" "Wohl acht' ich Schmerz und Trauer, doch will mich beduenken, der Vater meiner Frau soll mit fuerstlichen Ehren zu Grab' getragen werden!" "Verzeiht mir, gnaediger Gebieter! Sehet davon ab! Der Vater ist geschieden im Zorn--unversoehnt mein Flehen war vergeblich!" "So war Salome in letzter Stunde bei Wilhelm Alt?" "Ja, es war Kindespflicht doch nur! Mit Woelfchen in den Armen flehte ich um sein Erbarmen--" Wolf Dietrich rief missmutig: "Was sollt' mein Soehnlein dabei? Will ich verargen nicht, dass du den kranken Vater wolltest sehen, der junge Raittenau hat dem Altschen Hause fern zu bleiben." Aufschluchzend jammerte Salome: "Ist doch Woelfchen von mir in Schmerzen geboren! Und die Mutter durfte doch wohl ihr Kind mit sich nehmen auf den bitteren Gang!" "Ein bitterer Gang, das will glauben ich und nicht weiter raiten. Mein Spross aber sollt' nicht betteln um eines Buergers Gnade, sei dieser wer er wolle; die Kluft ist zu hoch!" "Weh' mir!" rief Salome und brach zusammen. Der Fuerst mochte fuehlen, zu weit gegangen, zu scharf geworden zu sein, er rief die Kammerfrauen herbei, deren Pflege er Salome ueberliess, und gab Befehl, auf das der Leibmedikus die Kranke besuche. Als Wolf Dietrich zur Tafel sich begab, lagerten Wolken des Unbehagens und Missmutes auf seiner Stirne; hochfahrender denn je trat er in den Saal, wo die geladenen Gaeste des Fuersten harrten und ihn mit tiefen Verbeugungen begruessten. Unter den Gaesten befanden sich einige Salzburger Patrizier, denen die Abwesenheit Salomes auffiel, die aber deren Fehlen mit dem Ableben ihres Vaters in Verbindung zu bringen wussten und nicht wenig darauf neugierig waren, ob der Fuerst des Todes Wilhelm Alts irgendwie erwaehnen werde. Die Tafel mit all' dem Zeremoniell, auf dessen Beobachtung Wolf Dietrich strenge hielt, begann, und flink servierten die Lakaien. Stumm ward gespeist, es lag ein Druck auf der Gesellschaft, die finstere Miene des Fuersten liess keine den Tafelfreuden entsprechende Stimmung aufkommen. Neben dem Erzbischofe sass Graf Lamberg, der verstohlen manchen Blick auf den Gebieter warf und darueber nachsann, was die ueble Laune hervorgerufen haben koennte. Zu seiner Ueberraschung sprach ploetzlich Wolf Dietrich halblaut zum Kapitular: "Will Lamberg dafuer sorgen, dass still und schlicht, doch immerhin mit Patrizier-Ehren Wilhelm Alt beerdigt werde, werd' ich dem Freunde dankbar sein!" Lamberg verbeugte sich und kombinierte schnell Ursache und Wirkung im Verhalten des Fuersten. Ausblickend und der Gaeste Schar musternd, nahm Wolf Dietrich dann das Wort, laut, allen vernehmlich, und sprach: "Salzburg hat einen hervorragenden Buerger in Wilhelm Alt, der von hinnen gegangen ist, verloren. Wir wollen seiner gedenken und zum Zeichen der Trauer die Tafel anjetzo aufheben. Ich delegiere zum Begraebnis an meiner Statt meinen Hofmarschalk und bitte den Grafen Lamberg, das Noetige zu veranlassen." Die feierlich, mit tiefem Ernst gesprochenen Gedenkworte des Fuersten wirkten ergreifend auf die Gaeste, besonders auf die Patrizier, die ein Dankgefuehl empfanden, dass der Gebieter ihres Genossen gedachte. Alles hatte sich erhoben, man stand schweigend. Wolf Dietrich berief nun speziell die Patrizier zu sich und reichte jedem derselben die Hand zum Zeichen seiner Anteilnahme, worauf sich der Fuerst mit Lamberg in die inneren Gemaecher zurueckzog, die Herren aber ergriffen das Palais verliessen. XI. Mannigfach waren die Ursachen, die in Wolf Dietrich Missmut wachriefen, es waren Wolken auch aufgestiegen, die das Verhaeltnis Salzburgs zum Herzogtum Bayern zu trueben sehr geeignet schienen. Eine Haupteinnahmequelle fuer Salzburg bildeten die Salzbergwerke, von denen das zu Hallein das bedeutendste war. Die Ausfuhr des Halleiner Salzes geschah durch das bayerische Land und nach Boehmen, teils zu Wasser, teils zu Lande. Verschiedene Orte laengs der Salzach und des Inns waren als Lagerorte oder "Legstaetten" fuer dieses Salz bestimmt; Hallein fuer die Ausfuhr zu Lande "auf Axt (Achse) und Ruck, auf Saumross und Fuhren", Burghausen, Braunau, Oberberg, Passau und Schaerding fuer die Ausfuhr zu Wasser. Von da aus schaffte Bayern das Salz nach Franken und Schwaben, nach der Pfalz und den Rheinlanden. Wegen dieses Zwischenhandels, der Bayern bedeutende Summen einbrachte, war dieses von jeher bestrebt gewesen, bei der Preisbestimmung des Salzes Einfluss zu ueben. Schon in frueheren Zeiten bestand Streit in dieser Sache zwischen Bauern und Salzburg. So behauptete Bayern von einer Urkunde Kaiser Friedrichs III., welche dem Erzstift Salzburg die eigenmaechtige Erhoehung des Salzpreises zuerkannte, sie sei erschlichen und ungiltig. Im Jahre 1529 hatte nun der Erzbischof Mathaeus Lang bei einer Salzsteigerung an Bayern einen vom Domkapitel gegengezeichneten Revers des Inhaltes gegeben, dass diese wie alle zukuenftigen Steigerungen von der Bewilligung der bayrischen Herzoege abhaengen sollen. Das empfand man nun zu Salzburg stets als ein gravamen und necessitas ecclesiae. In jeder Wahlkapitulation seit Herzog Ernst erschien daher als staendiger Paragraph die Verpflichtung, auf Rueckgabe des laestigen Reverses zu dringen. Gleich nach seinem Regierungsantritt hatte Wolf Dietrich, dem Reverse sich fuegend, fuer eine Preissteigerung, zu welcher ihn die missliche finanzielle Lage veranlasste, die Bewilligung des bayerischen Herzogs eingeholt, trotzdem das Domkapitel sich hiergegen ablehnend verhielt, nicht so sehr gegen die Einholung der Bewilligung selbst, als gegen den ganzen Ton jenes Reverses, der dem Domkapitel nicht wuerdig dem Verhaeltnis des Erzbischofs und einem Herzog schien. Wolf Dietrich war aber daran gelegen, die Preissteigerung durchzusetzen, und in diesem Bestreben ignorierte er den Revers-Tenor wie das Widerstreben der Kapitulare. Es wurde denn auch ein neuer Revers ueber die Steigerung von acht Pfennigen gleich zwei Salzburger Kreuzern fuer ein Fuder Salz (ungefaehr 130 Pfund) bewilligt, da der Herzog noch einen Kreuzer darueber gestattete. Wolf Dietrich, der bereits seine Bauplaene zu realisieren begonnen und demgemaess kein Baugeld mehr hatte, war gewillt, den Salzpreis abermals zu erhoehen, und diesmal fuehrte er seine Absicht aus, ohne den bayerischen Herzog und das stiftische Kapitel zu befragen. Bayern protestierte und berichtete nach Rom, der Papst sandte einen Vermittler, und es gelang ein leidliches Verhaeltnis herzustellen, das aber durch erneute Preissteigerungen des Stiftsherrn immer wieder getruebt werden musste. Wie die Dinge nun lagen, hatte Wolf Dietrich Unannehmlichkeiten, wohin er das Auge richten mochte. Den Gewinn aus dem Salzhandel mit Bayern teilen zu sollen, empfand der Fuerst schwer; er wuenschte, den verhassten Vertrag so bald als moeglich abschuetteln zu koennen, und forschte nach einem Vorwand hierzu. Hatte Wolf Dietrich bisher noch gezoegert, so geschah es in der Hoffnung, dass inzwischen die Verleihung des roten Hutes an den Erzbischof erfolgen werde. Und deshalb hatte der Fuerst bisher einen eklatanten Bruch mit Bayern vermieden. Nun aber lagen vertrauliche Mitteilungen aus Rom im erzbischoeflichen Palais vor, die keinen Zweifel darueber liessen, dass Bayern den Erzbischof wegen seines Verhaeltnisses zu Salome als auch wegen seiner laessigen Haltung dem Protestantismus gegenueber beim Vatikan denunziert hat, ja dass Wolf Dietrich wegen seiner Gesinnung direkt verdaechtigt worden sei. Da des weiteren auf Sixtus V. der wankelmuetige Klemens VIII. Papst geworden, konnte Wolf Dietrich sich bei gruendlicher Wuerdigung der Verhaeltnisse in Rom nicht verhehlen, dass die Aussichten fuer das Kardinalat sehr schlecht genannt werden mussten. Wolf Dietrich bruetete in seinem Arbeitszimmer ueber diesen geheimen Briefen und bemuehte sich, einen ihn selbst befriedigenden Ausweg zu finden. Mit dem Kanzler mochte er diese Angelegenheiten so wenig besprechen wie mit Lamberg, welch' letzterem einzugestehen, dass der rote Hut so gut wie verloren sei, dem Fuersten zu peinlich erschien. Dennoch empfand Wolf Dietrich das Beduerfnis, die Lage mit einer klugen, kuehl erwaegenden Person zu eroertern, im Gefuehle, dass sein eigener Kopf zu hitzig, sein Gemuet zu rasch erzuernt sei. Ein Gedanke galt Salome, dem klugen, schoenen Weibe, doch draengte der Fuerst diesen Gedanken wieder zurueck. Die Lage ist doch zu verwickelt, als dass ein Weiberkopf den Ausweg finden sollte, den der im collegium germanicum geschulte Fuerst nicht erkluegeln kann. Aber hat Wolf Dietrich nicht schon so manche Angelegenheit insgeheim mit Salome besprochen? Und hatte Salome nicht immer, trotz des Mangels jeglicher politischer und diplomatischer Schulung, das Richtige geraten, feiner empfunden, schlauer erdacht, besser als es die geriebensten Hofraete haetten bemeistern koennen? Wenn Wolf Dietrich aber seine Salome diesmal einweiht und gesteht, dass die Hoffnung auf das Kardinalat hinfaellig geworden, wird Salome nicht die Konsequenzen zu ziehen gewillt sein, und draengen, dass nun jede Ruecksicht auf Rom fallen gelassen werde? "Sei's drum! Ich brauche Salomes klugen Rat!" fluesterte der Fuerst und liess bitten, es moege die Fuerstin sich guetigst zu ihm ins Arbeitszimmer bemuehen. Und Salome erschien rascher, als dies der lebhafte Gebieter geglaubt, anmutig, mit dem bezaubernden Laecheln inniger Hingebung auf den Lippen, doch mit fragenden Augen. Als die Pagen, welche die Fuerstin begleitet hatten, sich zurueckgezogen, richtete Salome, an der Seite des Fuersten Platz nehmend, die Frage an Wolf Dietrich, ob ein besonderes Ereignis den Befehl zum Erscheinen hervorgerufen habe. "Wie klug du bist, Salome! So klug wie schoen, Geliebte! Und richtig hast du geraten: ja, schlimme Kundschaft erzeugt in mir den Wunsch, zu besprechen mit dir die neugeschaff'ne Lage." Wolf Dietrich eroerterte alles der aufmerksam zuhoerenden Freundin, die jetzt nur fuer seine Ausfuehrungen Aug' und Ohr war. Zunaechst hatte Wolf Dietrich die Salzpreisfrage geschildert und hielt nun inne, den Blick fragend auf Salome gerichtet. Langsam sprach nun, jedes Wort ueberlegend, die Favoritin: "Nach allem, was mein gnaediger Herr eben eroertert, deucht mich: Im Vorteil waere das Stiftsland, wenn in einem neuen Vertrag die Salzausfuhr auf eine bestimmte Frist festgelegt werden wuerde und Bayern sich verpflichtet, genau bestimmte Hallfahrten[15] in dieser Zeit auszufuehren. Zugleich soll Salzburg darauf hinwirken, dass nur das Stiftsland den Preis steigern koenne, Bayern hierauf aber keinen Einfluss habe." Ueberrascht rief Wolf Dietrich: "Sieh einer, wie fein! Aber der Bayer hoert viel auf seine Raete und deren einer wird doch wohl solches Fusseisen finden! Richtig ist, dass mir das Recht zusteht, zu steigern, wenn dies auch der Kaiser thut." "Will mein gnaediger Herr das nicht naeher auseinandersetzen?" "Gern! Sobald der Kaiser, dem die Bergwerke zu Hallstatt und Ischl eignen, eine Preissteigerung vornimmt, habe ich das Recht, den halben Teil der kaiserlichen Steigerung auf mein Halleiner Salz zu schlagen." "Weiss das der Bayernherzog?" Wolf Dietrich zuckte die Achseln: "Ob er es weiss, ist mir nicht bekannt; ich glaube nicht, dass von dieser Urkunde eine Abschrift nach Muenchen gekommen ist." "Gut; gesetzt diesen Fall, kann mein gnaediger Herr nach eigenem Willen vorgehen, Salzburg ist im Vorteil, den das Stift wahren muss. Bayern muss Halleiner Salz nehmen und verfrachten; kann der Bayer so viel Salz nicht verschleissen, so ist das seine Sache, an Salzburg muss er dennoch zahlen." "Fein erdacht! Der Herzog wird auch ins Gedraenge kommen, so der Preis des kaiserlichen Salzes in die Hoehe geht. Sei dem nun wie ihm wolle: es ist kaum zu denken, dass Bayern solche Moeglichkeiten nicht bedenkt!" "Darauf kann es mein gnaediger Herr wohl ankommen lassen. Erst schreibt man nach Muenchen freundlich und proponiert die Festlegung des Salzbezuges fuer eine bestimmte Frist. Geht der Bayer darauf ein, so sitzt der Fuchs im Eisen. Will der Bayer heraus, muss er sich bestreben, sein Absatzgebiet fuer das uebernommene Salz zu vergroessern" "Bewunderungswuerdig klug ersonnen! Ich hatte im Plan, mit einer Steigerung vorzugehen und Bayern gar nicht zu befragen; dein Plan ist feiner, die Moeglichkeit besteht, dass des Herzogs Raete die Gefahren im neuen Vertrag uebersehen. Wenn nicht, dann muss ich freilich nach meinem alten Plan vorgehen und darf nicht weiter fragen, ob es dem Bayern ist genehm." Sodann ging Wolf Dietrich auf die Kardinalats-Angelegenheit ueber und erzaehlte von den geheimen Briefen, die aus Rom eingetroffen seien. Salome interessierte sich hierfuer ersichtlich mehr, weshalb der Fuerst sofort vorsichtiger ward. Immerhin gab er der Freundin bekannt, dass der Papst Klemens die Guete hatte, den Salzburger Erzbischof einen "seltsam geschwinden Kopf" zu nennen. Salome warf ein: "Das ist doch weiter nichts Schlechtes?" "Es wird darauf ankommen, wie der Papst dies meint; der freundnachbarliche Bayer wird schon dergleichen erzaehlt haben, auf dass der Papst den vermeldten Ausdruck gebrauchte. Klemens soll mich auch als ein "periculosum ingenium" betrachten--" "Was heisst das?" fragte Salome. "Man kann es verdeutschen mit 'gefaehrlicher Kopf'!" "Auch diese Benennung will wir nicht schlimm erscheinen, sofern der neue Papst nicht schlimme Absichten heget." "Das eben ist mir nicht bekannt. So viel glaube ich aber aus den Vorgaengen schliessen zu sollen, dass man zu Rom mir nicht mehr wie ehedem wohlgesinnt ist; es weht ein ander Wind und der Bayer hat volle Backen." "Lasst sie blasen, gnaediger Herr! Dankbar ist Rom nie gewesen. Besser ein klar Erkennen und Vorsicht, denn ein Fortglimmen truegerischer Hoffnungen. Der Fuerst von Salzburg bleibt was er ist, auch ohne roten Hut!" Wolf Dietrich fuhr zusammen vor Ueberraschung, dass Salome so schnell auch hier den Kern der Sache erfasste. "Hab' ich recht geraten?" fragte die kluge Frau. "Ja, Geliebte! Dein feiner Kopf hat richtig geraten, zerschellt ist meine Hoffnung, ich kann damit nicht laenger hinterm Berge halten. Der Erzbischof Wolf Dieter wird--nicht Kardinal!" "Das wird der Uebel groesstes noch nicht sein. Schlimmer waer' ein Streit mit Bayern und dem Kaiser!" Trotzig rief der hochfahrende Fuerst: "Kommt dazu es jemals, stell' ich meinen Mann und werd' das Schwert zu fuehren wissen. Doch nun genug der leidigen Politik, es giebt schoenere Dinge noch auf Erden, und meiner Salome dankbar die Hand zu kuessen, will mich ein schoenes Ding beduenken." Galant kuesste der Fuerst die schmale Rechte seiner Herzensdame und geleitete Salome in ihre Gemaecher, wo er laengere Zeit verblieb. Wochen vergingen. Zur grossen und angenehmen Ueberraschung war Bayern auf den proponierten neuen Vertrag eingegangen und dessen Ratifizierung erfolgt. Wolf Dietrich konnte triumphieren, Bayern hat sich, ohne es zu merken, uebervorteilen lassen, und allen Einfluss bei der Steigerung des Salzpreises, mit welcher der Salzburger nun sofort vorging, verloren. Zu spaet erkannte man in Muenchen den Fehler; der Herzog konnte den Vertrag nicht rueckgaengig machen, er vermochte nur Anstalten zu treffen, um seinen Salzverschleiss zu steigern. In diesem Beginnen lag aber der Keim zu grossen Zwistigkeiten. Bayern entzog durch eine Bruecke bei Vilshofen der Stadt Passau den Zwischenhandel mit Salz, dasselbe geschah durch Erbauung einer Bruecke bei Stadtamhof, wodurch die Regensburger lahm gelegt wurden. Natuerlich protestierten beide Staedte, und Prachatitz in Boehmen, der Hauptplatz des sogenannten "goldenen Steiges" nach Boehmen, wohin das Salz von Passau aus ging, schloss sich dem Protest an, man klagte beim Reichskammergericht in Speyer. Einstweilen konnte dieser Prozess dem Erzbischof von Salzburg gleichgueltig sein und Wolf Dietrich zuwarten, wie sich der Bayer aus der Schlinge ziehen werde. Allein die Angelegenheit spitzte sich zu, da nun auch der Kaiser selbst sich interessiert zeigte, denn das salzburgische Salz, das dem seinen von jeher Konkurrenz gemacht hatte, war durch den Vertrag mit Bayern bestaendig billiger als das aus den Werken von Hallstatt und Ischl gewonnene; es wurde also weit mehr gekauft als das kaiserliche Salz, anderseits erhielt aber Bayern soviel Salz aus dem Erzstift, dass es das bis dahin vom Kaiser bezogene Salz leicht entbehren konnte. Kaiser Rudolf unterstuetzte daher die Klage Regensburgs beim Kammergericht in Speyer, und Wolf Dietrich hatte Ursache, mit aller Spannung dem Urteil dieses Salzprozesses entgegenzusehen. Ein Jahr verging jedoch, bis das Reichskammergericht das Urteil sprach, das Bayern und Salzburg befahl, jenen Vertrag zu loesen. Inzwischen hatte es sich zu Salzburg ereignet, dass Wolf Dietrich abermals und zur grossen Ueberraschung der Kirchenbesucher die Kanzel der Pfarrkirche betrat und eine Ansprache an die verdutzten Glaeubigen hielt, von welcher der Chronist berichtet: "Er (der Erzbischof) ist ainesmales ganz unverthraut in der Pfarrkirchen auf die Canzel getreten und von wegen des Tuergkhen, der mit Gewalt aufgewesen, das Volk zu dem vierzig stuendigen Gebet ganz treulich und vaetterlichen vermant, auch wie hoch und gross das von Noetten und wie grossen Nuzen man damit, wo solches mit Andacht beschicht, koenne schaffen, woher solches Gebet seinen Ursprung habe und was vor alten Zeiten solches gewuerkt und ausgericht habe. Auch ist damallen aufkommen das Geleit zu dem Tuerggen-Gebet taeglich umb die zwoelfte Uhr; da mueste Jederman, wo man gangen oder gestanden, mit abdoecken Haupt niterknieent betten; die solches underliessen und solches Leuten nit in Acht nammen, denselben namen die Gerichtsdiener ihre Hueet; ob sie dieselben aber behaltn oder ablegen muessten, oder wie sie es darmit haben gemacht, kan ich nit wissen, jedoch hat sich dieser Brauch mit der Weil wider verloren, aber leuetten thuet man noch." Hatte somit Wolf Dietrich mit dieser Kanzelrede seine Anteilnahme an Reich, Kaiser und Tuerkennot bekundet, die Nachricht aus Speyer bewirkte eine jaehe Sinnesaenderung. Eben tagte ein bayerischer Kreistag, um ueber ein Hilfsgesuch des Kaisers fuer den Tuerkenkrieg zu beraten, und zu dieser Versammlung hatte Wolf Dietrich einige seiner Raete entsendet. Das Urteil des Speyerer Kammergerichts rief im Erzbischof den groessten Zorn hervor und setzte seinen ohnehin "geschwinden Sinn" in lebhafteste Bewegung. Ein Kurier musste mit unterlegten Pferden zum bayerischen Kreistag reiten und den salzburgischen Raeten das Abberufungsschreiben einhaendigen. Herzog Max von Bayern, nicht wenig bestuerzt ob des bruesken Vorgehens des fuerstlichen Nachbars, bemuehte sich, die salzburgischen Gesandten zum Bleiben zu veranlagen, doch diese kannten ihren Gebieter und rueckten schleunigst heim. Max schlug durch seine nach Salzburg geschickten Hofraete vor, es wolle Salzburg und Bayern eine Gesandtschaft gemeinsam an den Kaiser senden und ihn um Zuruecknahme des Speyerer Urteils bitten lassen. Wolf Dietrich aber wollte auf niemand mehr hoeren, seinen Vorteil nicht aufgeben, und forderte, es solle der Kaiser urkundlich geloben, die Gegner Bayerns und Salzburgs nicht mehr zu unterstuetzen. Verweigere dies der Kaiser, so werde Salzburg auch seine Tuerkenhilfe nicht bewilligen. Diese schroffe Haltung Wolf Dietrichs rief das groesste Aufsehen im Reiche hervor, man staunte in allen Gauen Deutschlands ueber das beispiellos kuehne, scharfe Vorgehen eines doch, was Landbesitz anlangt, kleinen Fuersten. Aber der Trotzkopf siegte, der Kaiser gab das Versprechen, in jener Prozessangelegenheit nicht mehr weiter zu gehen. Es nun mit dem Kaiser ganz zu verderben, widerriet die Klugheit wie die Erkenntnis des Fuersten, dass Bayern doch auch empfindliche Schwierigkeiten bereiten koennte, zumal die Uebervorteilung immer offenkundiger ward. Wolf Dietrich gab nach. Auf einem neuen Kreistag liess er durch seine Gesandten seine Meinung dahin abgeben, dass er dem Kaiser wohl Unterstuetzung gewaehre, jedoch nicht in der verlangten Hoehe. Auf Salzburg trafen naemlich 844 Mann Tuerkenhilfe, der Erzbischof gewaehrte aber nur 500 Mann, die aber nicht mit den anderen Reichstruppen marschieren duerfen und von einem eigenen salzburgischen Oberstleutnant befehligt werden muessen. Diese Sonderstellung lehnte jedoch die Majoritaet des Kreistages ab, und Wolf Dietrich berief daher seine Gesandten ab. Das Motiv seiner Haltung war, dem Kaiser nicht gaenzlich die Hilfe zu versagen, immer weniger zu gewaehren als gefordert wurde, um dadurch auf den Kaiser in der schwebenden Salzangelegenheit einen Druck auszuueben. Und so sollte es im Laufe der Zeit dahin kommen, dass _durch Salzburgs Verhalten die Grundlage des Deutschen Reiches erschuettert wurde_. Kaiser Rudolf spuerte Wolf Dietrichs Druck, so klein das Erzstift auch war; er fand es geraten, eine Verstaendigung anzubahnen ueber die Salzangelegenheit zwischen Bayern und Salzburg, damit der Salzburger seinem Hilfsgesuche nicht mehr entgegenwirke. In der Bischofsstadt traten Delegierte des Kaisers, Bayerns und salzburgische Hofraete zu einer Beratung zusammen und entwarfen einen neuen Vertrag, wonach Salzburg in der Hauptsache im status quo verbleibe, Bayern den gesamten Salzhandel zu Wasser behalte, ja dass man der Stadt Passau nur so viel Salz verabreichen duerfe, als diese selbst verzehre. Es handelte sich also lediglich darum, die Konkurrenz des kaiserlichen und des salzburgischen Salzes in Boehmen einigermassen fuer den Kaiser ertraeglicher zu gestalten; dem Kaiser sollte deshalb gestattet werden, selbst jaehrlich 250000 Kufen von Bayern zu festgesetztem Preise und fuer bestimmte Staedte in Boehmen zu beziehen; von jeder dort eingefuehrten Kufe wollte Bayern ferner dem Kaiser fuenf Kreuzer bezahlen; Preissteigerungen sollten aber moeglichst vermieden werden. Der Kaiser lehnte diesen Vertragsentwurf ab. Wolf Dietrich beschloss daher, den Wert seiner Freundschaft dem Kaiser begreiflich zu machen. Schon frueher einmal hatte der Erzbischof sich mit dem Pfalzgrafen von Neuburg liiert, um auf einem Reichstage eine Reform des kaiserlichen Kriegswesens zu betreiben, auch war Wolf Dietrich auf dem gleichen Reichstage rhetorisch als eifriger Vorkaempfer des Katholizismus aufgetreten. Der verlorene Kardinalshut wie die Weigerung des Kaisers in der Salzfrage veranlassten den Fuersten eine Schwenkung zu vollziehen, Wolf Dietrich stellte sich auf den Standpunkt der protestantischen Bewegungspartei und wies seine Gesandten an, den Frieden mit den Tuerken unbedingt zu befuerworten, obgleich die Lage der Dinge in Ungarn den Krieg gebieterisch forderte. Auf dem Reichstage zu Regensburg prasselten die Meinungen aufeinander, die salzburgischen Gesandten traten instruktionsgemaess den kaiserlichen Wuenschen sogleich entgegen, sie verzoegerten die Beratungen unter Hinweis auf Mangel an speziellen Instruktionen und hielten mit den gleichfalls dissentierenden Pfaelzern. Als aber die Mehrheit fuer die Bewilligung einer Geldhilfe nach Roemermonaten[16] entschied, erklaerten Wolf Dietrichs Delegierte: Da die Hilfe freiwillig sei, so koenne niemand ueber sein Vermoegen hinaus zu Leistungen angehalten werden; der Mehrheitsbeschluss sei also fuer Salzburg nicht verbindlich; wenn aber der Kaiser, der achtzig Roemermonate gefordert, keine Kreissteuern mehr fordern werde und sich verpflichte, diese Tuerkensteuer erst nach Ablauf der frueher bewilligten zu verlangen, und wenn ausserdem auch die Reichsritter, die Hansa und die auslaendischen Staaten zu Leistungen herangezogen wuerden, so erklaere sich Salzburgs Herr und Erzbischof allerdings zur Zahlung von acht Roemermonaten bereit. Der ganze Reichstag staunte ob der Entschiedenheit der salzburgischen Erklaerung, ueber die Weigerung, sich einem Mehrheitsbeschlusse zu fuegen, ueber die Ignorierung der Verbindlichkeit eines solchen Beschlusses seitens eines einzelnen Staates. Das Aufsehen musste um so groesser werden, als Salzburg ein katholischer Reichsstand war, der gegen Kaiser und Reichsverfassung opponierte. Salzburg erschuetterte die Grundlage des Reichs. Graf Lamberg, welcher unter den Delegierten sich befand, erkannte die Verstimmung gegen seinen Herrn nur zu gut, konnte aber an solcher Wirkung der salzburgischen Forderungen nichts aendern. Er bemuehte sich jedoch, mit dem Bayernherzog einen modus vivendi zu schaffen, freilich nur mit dem Resultat, dass Herzog Maximilian erwiderte: auch ihn kaemen die hohen Reichshilfen schwer an, aber er nehme diese Buerde auf sich, weil er wuensche, zur Rettung des gemeinsamen Vaterlandes beizutragen. Noch nach einer anderen Seite hin war der kluge Graf Lamberg thaetig, er urgierte den Salzvertrag in der Umgebung des Kaisers und erhielt die Zusicherung, dass die Ratifizierung in spaeterer Zeit erfolgen werde, weil der Kaiser auf die Hilfe Salzburgs nicht verzichten koenne. Mit dieser wichtigen Nachricht reiste Lamberg sogleich nach Salzburg. XII. Liess Wolf Dietrich auf dem Regensburger Reichstag durch seine Gesandten in beweglichen Worten klagen, dass er gerne alles Menschenmoegliche leisten wuerde, aber nichts Namhaftes bewilligen koenne, weil in des Erzstiftes "armen und schlechten Gebirge die Bergwerke so stark abgefallen seien",--zum Bauen in seiner Residenzstadt hatte der Erzbischof Geld genug aus vielerlei, oft zwangsweise eroeffneten Quellen, wie er auch fuer sich, Salome und den inzwischen erfolgten Familienzuwachs, sowie fuer seine nach Salzburg berufenen Brueder in ueberreichem Masse sorgte und Kapitalien anhaeufte, die zinsbringend ausgeliehen wurden. Wo immer es angaengig ward, wurden alte Haeuser, Keuchen und Huetten angekauft oder eingetauscht und niedergerissen; so in der Pfeifergasse, am Brotmarkt, wo halbe Gassen dem Erdboden gleich gemacht wurden. Der uralte mit der "Freyung" begabte Haunsperger-Hof wurde gleichfalls abgebrochen und dadurch verschwand fuer immer die kaiserliche Freyung, die einem Totschlaeger auf drei Tage Zuflucht vor den Gerichtsknechten gewaehrte. Die Erbauung des Friedhofes zu Skt. Sebastian war Wolf Dietrichs Werk, ebenso der "Neubau", welcher zur zweiten Residenz bestimmt war, jedoch stecken gelassen wurde. Die Unruhe, der Wankelmut des Fuersten offenbarte sich in diesen Bauten; abbrechen, aufbauen und vor Vollendung stecken lassen, das ereignete sich des oefteren. Fuer seinen Bruder Jakob Hannibal, Obristen und Hofmarschall, erbaute er noerdlich dem Neubau auf dem Platte, wo ehedem drei Haeuser standen, die geschleift wurden, einen grossen Palast, der 80000 Gulden Baukosten verschlungen haben soll. Wenige Jahre darauf entzweiten sich die Brueder, Hannibal wurde gezwungen, Salzburg zu verlassen und reiste mit wohlgezaehlten achtzehn Wagen voll Schaetzen in Gold und Silber nach Schwaben ab. Im Zorn liess Wolf Dietrich den Hannibalpalast niederreissen und der Erde gleich machen. Unzaehlig sind die Verschoenerungs- und Verbesserungsbauten, die maehlich der Stadt einen anderen Charakter zu verleihen begannen. Der Lieblingsplan Wolf Dietrichs begann sich zu verwirklichen, Salzburg veraenderte sein Stadtbild und nahm ein italienisches Gepraege an durch die Neubauten, es gewann den eigentuemlichen, bestrickenden Reiz der Renaissance. Insgesamt mussten fuenfundfuenfzig Haeuser verschwinden, um praechtigen Neubauten Platz zu machen. Wolf Dietrich verstand alle Schwierigkeiten zu ueberwinden, so sie seinen Bauplaenen sich entgegenstellten, er entwickelte ebenso grosse Energie wie Faehigkeit. Das beweist zum Beispiel die Baugeschichte des prachtvollen Marstalles. Vom Franziskanerkloster am Fusse des Moenchsberges erstreckte sich bis zum Buergerspittel eine dem Stift Skt. Peter gehoerige Flaeche, der sogenannte Frongarten, welcher von den Benediktinern als Obstgarten, Krantacker und Heufeld benutzt wurde. Im Fruehling bis auf Georgi war es den Buergern Salzburgs gestattet, in diesem langgestreckten Garten zu spazieren, und die salzburgische Jugend konnte mit Ball- und Kegelspiel sich dort erlustieren. Am Georgstage aber ward der Frongarten gesperrt und blieb geschlossen das Jahr hindurch bis zum naechsten Fruehling. Die in der Kirch- und Getreidegasse wohnenden Buerger hatten die Erlaubnis ersehnt, die Rueckseiten ihrer Haeuser zu oeffnen, auf dass sie Fenster und Thueren anbringen und von frischer Luft und von dem Blick in den Frongarten Gewinn erzielen koennten. Die Benediktiner wollten von solchem Begehren nichts wissen. Da wurden die pfiffigen Buerger beim Fuersten vorstellig, und Wolf Dietrich fand den Gedanken vortrefflich und wusste Rat. Auf sein Geheiss boten die beteiligten Buerger die Reichung von Burgrechtspfennigen an, wofuer richtig die Moenche die Oeffnung der Haeuser der Kirch- und Getreidegasse zum Frongarten bewilligten. Damit war ein Prinzip durchbrochen, der Anfang gemacht. Kaum war die Bewilligung erfolgt, trat Wolf Dietrich auf: der Landesherr begehrte einen Teil des Frongartens fuer seine Zwecke und bot Ersatz aus seinem Grundbesitz. Die Benediktiner zoegerten, sie mochten wohl Unheil wittern. Wolf Dietrich ward wie immer ungeduldig, liess monieren, und erreichte sein Ziel. Sofort liess er einen langen und breiten Tummelplatz zum Ringelstechen, Turnieren und Abrichten der Pferde herstellen, dazu Holzbauten, was insgesamt gegen 4000 Gulden verschlang. Ein Jahr spaeter kam es dazu, was die Patres befuerchtet hatten vom Anbeginn: der Erzbischof forderte jetzt den ganzen Frongarten und bot zum Tausch die ihm gehoerende Stockaner Wiese bei Bernau im Glanegger Gerichte. Widerspruch war bei einem Wolf Dietrich nicht ratsam, die Benediktiner willigten ein. Nun gab der Fuerst seinen Unterthanen den ganzen Garten das ganze Jahr hindurch frei, liess im Winter dortselbst einen Steinbruch eroeffnen, aus dessen Material der grosse herrliche Marstall erbaut wurde, ein Meisterwerk der Baukunst. Im Bestreben, aus Salzburg ein Klein-Rom zu gestalten, zeigte sich Wolf Dietrich von einer ihm sonst fremden Konsequenz und scheute vor keinem Opfer zurueck. Und gluecklich machte es ihn, wenn Salome seinen Plaenen und Bauten volles Lob spendete, ihn erinnerte an jene Stunden, da er um Salomens Liebe warb und von seinen hochfliegenden Ideen schwaermte. Ein Fuerst von solcher Kunstbegeisterung konnte an dem duesteren wuchtigen Dom mit den fuenf Tuermen keine Freude haben. Des oefteren klagte Wolf Dietrich in stillen Stunden seiner Salome, dass er sich nicht Rats wisse, wie Salzburg einen schoenen Dom bekommen koennte, ein Gotteshaus nach seinem Geschmack. Und Salome, die kluge Frau, wusste da auch keinen Rat, denn an einen Abbruch des zwar duesteren, doch immer majestaetischen alten Domes konnte im Ernst nicht gedacht werden; einmal nicht wegen der Salzburger Buerger, die an ihrer alten Kathedrale hingen, und dann nicht wegen der zweifellos enormen Kosten. Winter ward es im stiftischen Land und der Dezember brachte Schnee und steife Kaelte. So zart Salome gewesen, an einer froehlichen Schlittenfahrt in warmer Pelzumhuellung hatte sie ihre Freude, und so wurde an einem frischen Dezembertag ein Ausflug gegen Hallein unternommen an dem sich in einem zweiten Schlitten auch Wolf Dietrich, gefolgt von Dienerschaft und Kuemmerlingen in weiteren Kufenschlitten, beteiligte. In einem erzbischoeflichen Lusthause wurde das vom vorausgeschickten Kuechenpersonal bereitete Mahl eingenommen und froehlich gezecht. Salome zeigte sich von besonderer Munterkeit, die Schlittenfahrt in frischer Luft hatte sie erquickt, und als fruehzeitig der Abend sich ins stille Gelaende senkte, schlug die Herzensdame dem Gebieter vor, im guterwaermten Lusthause die Nacht zu verbringen und erst am naechsten Tage nach Salzburg zurueckzureisen. Dem allerliebsten Schmeicheln und Betteln vermochte Wolf Dietrich nicht zu widerstehen. Da die Kaemmerer, welche freilich lieber ins Palais gekehrt waeren, devot verkuendeten, dass Nachtquartier bereit gestellt, die Raeume gut geheizt werden koennten, so wurde die Uebernachtung beschlossen. Eine mondhelle, bitterkalte Winternacht brach an mit all' ihrem Zauber, es flimmerte und glitzerte geisterhaft, weissstarrend, im Silberlicht schimmernd ragten die Berge ringsum auf wie die Burg Hohensalzburg. In der Stadt waren die letzten Zecher laengst aus der Trinkstube in ihre Haeuser zurueckgekehrt, Salzburg schlief, das Mondlicht leuchtete still durch die Fenster. Vom Dom kuendete die Glocke die Geisterstunde, da quoll eine Rauchsaeule aus dem Dachstuhl der Kathedrale, kerzengerade aufzeigend in die klare Luft der stillen Winternacht und immer dichter werdend. Unheimlich knisterte es, bald zuengelten Flaemmchen hervor, ein Prasseln hub an, das Feuer verbreitete sich mit rasender Schnelligkeit, es flammte ein Turm nach dem andern auf, bald gluehten alle fuenf Tuerme des Domes, das Feuer leckte Eis und Schnee hinweg, die wabernde Lohe brachte die Bleidaecher zum Schmelzen, die gluehende Masse floss zischend an den Quadermauern nieder, im Schnee aufprasselnd und zerstiebend im heissen Gischt. Die Glocken schmolzen und fielen durch das brennende Chaos im schweren Fall. Nun wurde es lebendig in den Haeusern des Domviertels, der Schreckensruf: "Der Thuemb brinnet!" brachte die Buerger auf die Beine. Der Viertelsmeister erschien und forderte zur Hilfe auf. Die ungeheuere Flamme lohte zum naechtlichen Himmel und schon flogen feurige Braende hernieder zu den Daechern der umliegenden Haeuser und auf die Residenz. Die Hitze war so gross, dass niemand sich der Brandstaette naehern konnte; man musste warten, bis das gluehende Blei voellig abgeflossen sei. Inzwischen bemuehten sich die Buerger, Stadtknechte und Landsknechte sowie die Dienerschaft des Erzbischofs die benachbarten Haeuser und die Residenz zu retten. Besonders Mutige wagten sich ins Schiff des Domes hinein, ergriffen Altaere, Schmuckgegenstaende, ja selbst die Orgel konnte zerlegt und ausgebracht werden, wenn auch nur unter schwerer Gefahr und nicht ohne begreifliche Beschaedigung einzelner Pfeifen. Im Jammer um das verlorene, maechtige Gotteshaus erinnerten sich die Salzburger ihres Erzbischofs und Fuersten und schickten nach ihm in die Residenz, auf dass der Gebieter selbst die Rettungsarbeiten dirigiere und anordne, wohin die aus dem Dom gebrachten Gegenstaende getragen werden sollen. In der Residenz hatte man aber den Kopf verloren, und der Fuerst weilte zudem auswaerts. Knechte und Dienerschaft, alles beeilte sich, Hab' und Gut zusammenzuraffen in der Angst, dass auch noch das Palais werde ein Opfer der furchtbaren Feuersbrunst werden. Ein Reiter ward aus der Residenz abgeschickt, dem Fuersten das grosse Unglueck eiligst zu vermelden, der Mann musste in bitterkalter Winternacht hinaus auf die Strasse gen Hallein, und im Lusthause versuchen, das Gefolge wachzubringen, auf dass dem Erzbischof Kunde vom Dombrand werde. Mit Sehnsucht erwartete man auf der Brandstaette das Erscheinen des Landesherrn. Die Tuerme stuerzten krachend ein, ein ungeheures Funkenmeer stob auf, richtete aber dank der Windstille kein weiteres Unheil mehr an, und die Funken erloschen auf den schneebedeckten Daechern der umliegenden Haeuser. Endlich jagte ein Reiter ueber die Salzachbruecke und kam im Galopp zur Brandstatt gesprengt. Aus hunderten Kehlen ward ihm entgegengerufen, alles fragte nach dem Erzbischof. Der erschoepfte Reiter ward von der schreienden Menge umringt und konnte nur mit Muehe den erschreckten Gaul meistern. "Wo ist der Fuerst?" hiess es. Heiser rief der Meldereiter: "Er kommt nicht!" Eine ungeheure Aufregung ergriff die Leute, welche es nicht fassen konnten, dass der Landesherr nicht kommen will. Alles schrie wirr durcheinander, jeder fragte nach dem Grund des Fernbleibens in solcher Not. Der Stadthauptmann forderte Ruhe und begann den Reiter auszufragen mit dem ueberraschenden Ergebnis, dass der Bote meldete, der Erzbischof, vom Kaemmerling aufgeweckt, habe gesagt: "Brennt es, so lasse man es brennen!" Das war den Buergern Salzburgs in ihrer Erregung und Sorge zu viel, die Leute hingen liebend an ihrem Dom, die Gleichgueltigkeit Wolf Dietrichs gegen den Dombrand entfaltete einen Tumult, allgemein ward der Verdacht ausgesprochen, dass der Erzbischof, von dem es bekannt war, dass er den Dom in seiner bisherigen Gestalt nicht leiden mochte, den Brand selbst verursacht habe! Geschaeftige boshafte Zungen verbreiteten das Geruecht, das Feuer sei im erzbischoeflichen Oratorium entstanden, der Fuerst haette dort einen brennenden Wachsstock zurueckgelassen, und dadurch waere erst der Chorstuhl, dann alles andere vom Feuer ergriffen worden. Der Erzbischof Brandstifter seines Domes! So absurd und ungeheuerlich diese gehaessige Anklage lautete, sie wurde geglaubt und weiter verbreitet ins stiftische Land wie auch nach Bayern und Muenchen, wo man, dem Fuersten ohnehin gram, die schlechte Nachricht gierig aufnahm und gar nach Rom uebermittelte. Am naechsten Tage kam Wolf Dietrich nach Salzburg zurueck. Seine ruhige Haltung verstaerkte den Verdacht, insonders der Erzbischof kein Wort des Bedauerns ob des vernichteten Domes laut werden liess. Auf sein Geheiss wurden die geretteten Gegenstaende bei Skt. Peter und in der Pfarrkirche unter gebracht. Da der Gottesdienst im Dom nicht mehr abgehalten werden konnte, liess Wolf Dietrich sogleich einen hoelzernen Gang von der Residenz in die Pfarrkirche bauen, woselbst fuerder celebriert werden musste. Die Hochaemter und Predigten wurden bei Skt. Peter abgehalten. Wo alles tuschelte und boshaft wisperte in der Bischofstadt, konnte es nicht anders sein, als dass auch dem Domkapitel und den Hofbeamten der fuerchterliche Verdacht einer fuerstlichen Brandstiftung zu Ohren kam. Allein weder die Domherren noch die Hofchargen wagten es, dem Erzbischof diese handgreifliche Verleumdung mitzuteilen. Da raffte sich Graf Lamberg auf, dem Freunde und Gebieter Gelegenheit zur Entkraeftung des Verdachtes zu verschaffen und erbat sich bei Wolf Dietrich eine Audienz. Lamberg traf den Fuersten uebelgelaunt, fast bereute der treue Freund, sich in dieser Angelegenheit gemeldet zu haben. Doch die Erwaegung, dass der Argwohn nicht auf dem Gebieter lasten duerfe, gab den Ausschlag. Wolf Dietrich unterbrach seine Zimmerpromenade und blickte den Kapitulator forschend an. "Kommst du in politicis Lamberg? Ist neue Kunde von Prag eingelaufen?" "Nein, Hochfuerstliche Gnaden! Es ist eine Salzburger Angelegenheit, die ich unterbreiten moechte unserem gnaedigen Herrn." "Der Thuemb ist ausgebrannt, ich wuesste nicht, was ansonsten Neues zu vermelden waere in meiner Stadt!" "Dieser Dombrand hat viel Zungen in eine Bewegung verbracht, die mir will gefaehrlich erscheinen." Wolf Dietrich horchte auf, sein forschender Blick musterte den Grafen durchdringend. "Schwatzen die Salzburger, nun daran will ich sie nicht hindern!" meinte der Fuerst dann geringschaetzig. "Mit Vergunst, gnaediger Herr! Es giebt ein Schwatzen, das der Ehr' kann gefaehrlich werden." "Wohinaus will Lamberg zielen?" "Ein Ziel moechte ich gesetzt wissen einer niedertraechtigen Verleumdung, die vor dem Thron nicht Halt zu machen weiss." "So zuengelt die Schlange Verleumdung gar herauf zu meiner Hoehe? Pah, ein Tritt und es endigt schmaehlich solch' Gewuerm!" "Will mein gnaediger Herr ein offen Wort in bemeldter Sache mir verstatten?" "Sprich aus, Lamberg, was deine treue Freundesseele so bewegt!" "Der Schlange Verleumdung ein End' zu machen, ist es hohe Zeit, doch vermeine ich: nicht ein gewaltsam Tritt sei hier am Platze, nein, besser deucht mir ein Akt fuerstlicher Noblesse und politischer Klugheit zugleich." "Wie? Will der Kapitular dem Erzbischof vorschreiben, was der Fuerst und Herr zu thun und lassen habe?!" "Mit nichten, Hochfuerstliche Gnaden! In Treuen nur waer' meine unterthaenige Meinung, der weit verbreiteten Verleumdung anjetzo durch eine restauratio aedis sacrae ein End' zu setzen." "Ha, capisco! Dass ich kein Freund des klotzigen Thuembes gewesen, wird mir wohl anjetzo eingekerbt?!" "Viel schlimmer, gnaediger Herr!" "Wie?" "Hart ist's auszusprechen das schwere Wort, das Fluegel hat gefunden und zweifelsbar das Ohr haemischer Freunde zu Muenchen erreicht haben duerfte." "Sprich deutlicher, Lamberg! Wessen werd' ich verdaechtigt?" "Der Brand...." "Ha, verstumme! Oder mein Zorn erreicht auch den Freund und wirft ihn nieder!" Lamberg verbeugte sich tief und schwieg, waehrend Wolf Dietrich mit hastigem Schritt das Gemach durchmass. Zurueckkehrend war der Fuerst ruhiger geworden, er reichte dem Freunde die Hand und sprach: "Niente di male, amico! Nun aber sage mir alles, ich bin ruhig und will beherrschen das heisse Blut." "Soll ich vielleicht zu gelegenerer Stunde einfinden mich?" "Nein, Lamberg! Also meine Unterthanen verdaechtigen mich, den Thuemb wohl gar in Brand gesteckt zu haben?! Ich verarg' es ihnen aber nicht...." Jetzt rief Lamberg ueberrascht: "Wie? Hochfuerstliche Gnaden finden solch' infamen Argwohn entschuldbar?" "Un poco, si! Zu einem Teil, da ich nie ein Hehl daraus gemacht, dass widerwaertig ist mir das alt' Gebaeu des Thuembes! Wissen das die Salzburger, ist's nur ein kleiner Schritt zum Argwohn, dass Missgunst ward zum Brandstifter." Bei aller diplomatischen Schulung vermochte Lamberg seine Ueberraschung nicht zu verbergen, und ueber diese Anzeichen seiner Verblueffung zeigte sich Wolf Dietrich amuesiert. "Gnaediger Herr wollen doch nicht solchen Argwohn in die Halme schiessen lassen?" "Nein! Doch weiss ich zur Stunde nicht, wo anzulegen ist die Axt, mit der abgehauen wird des Giftbaumes zaehe Wurzel!" "Mit Vergunst, die Stelle fuer die trennend' Axt kann ich bezeichnen!" "So sprich, teurer Freund!" "Zerstreuen wird jeglichen Argwohn die Wiederherstellung des alten Domes." "Das haessliche Gebaeu restaurieren? Das ist fuerwahr nicht nach Geschmack!" "Es bleibt kein ander Weg, gnaediger Herr! Was spaeter wird, mag vorbehalten bleiben einer besseren Zukunft." "Das klingt besser mir ins Ohr! Gut denn! Ich werde flicken lassen, doch Tuerme kommen nimmer auf den alten Bau! Und so ich zu leben habe, will einen neuen Thuemb ich bauen, der Salzburg soll zur Ehr gereichen." Froh dieses Erfolges, den wankelmuetigen Fuersten umgestimmt zu haben, konnte Graf Lamberg die Residenz verlassen. Wolf Dietrich hielt Wort; er liess von welschen Maurern ein Dach aus Estrich und Moertel eilig aufsetzen, die Quadermauern waren intakt geblieben. Diese Vorkehrungen besaenftigten die Murrenden, der Verdacht schlummerte ein. Als der Schlauere erwies sich aber doch wieder der baulustige Fuerst; wie im voraus berechnet, konnte das in Eile und sehr schlauderhaft erbaute Dach den Unbilden der salzburgischen Witterung nicht lange widerstehen, der Regen sickerte durch das duenne Mauerwerk, es begann ein stetig Abbroeckeln, und eines Tages stuerzte ein grosser Teil des Notdaches ein. Nun hatte Wolf Dietrich den gewuenschten Vorwand. Was an Altaeren im Dom noch vorhanden, wurde abgetragen, ebenso der Sarg des hl. Vigil; auch die Gruefte und Kapellen samt Inhalt wurden entfernt und in anderen Kirchen provisorisch untergebracht. Die Salzburger errieten maehlich des Erzbischofs Absichten und begannen zu murren. Da erliess Wolf Dietrich ein Mandat des Inhalts, dass er als Erzbischof--nicht verantworten koenne, das Leben der Dombesucher einer Gefahr auszusetzen; die Domkirche sei in hohem Masse gefaehrlich baufaellig und muesse daher abgetragen werden. Dabei blieb es; eine Schar welscher Arbeiter begann mit dem Abbruch der massigen Quadermauern, worueber Jahre vergingen. Aber eines Tages war das Ziel doch erreicht,--der alte haessliche Dom niedergelegt, der Platz bis auf den Grund geraeumt. Nun konnte Wolf Dietrich einen neuen Dom nach seiner Geschmacksrichtung erbauen. XIII. Bei aller Freundschaft zum Grafen Lamberg liebte es Wolf Dietrich doch, seine Umgebung immer mehr zu verwelschen; so hatte er den Juristen Agostino Tandio aus Siena zu seinem Geheimschreiber, den Mailaender Sebastian Cattaneo zum Weihbischof und Bischof von Chiemsee ernannt. Baumeister des Fuersten war J.B. Minguarda, eine wichtige Persoenlichkeit am Hofe des baulustigen Erzbischofs. Als Wolf Dietrich aber mit Cattaneo zerfallen war, kamen der Reihe nach nur Italiener zur Wuerde des Weihbischofs, die bestrebt waren, bei Hof zu Einfluss zu gelangen. Indes hielt der Fuerst in politischen Angelegenheiten doch am bewaehrten Ratgeber Lamberg fest, der am meisten damit vertraut war; allerdings war ein dem Charakter des Erzbischofs entsprechendes sprungweises Vorgehen aus eigener Initiative nie ausgeschlossen, und Lamberg wie die Hofraete bekamen dann die missliche Aufgabe, in heiklen diplomatischen Verhandlungen beschwichtigend zu wirken und den verfahrenen Karren wo moeglich wieder ins Geleise zu bringen. Ein Sprung dieser Art war das ploetzliche Angebot an Kaiser Rudolf II., dessen Sudwerk zu Ischl im Salzkammergut auf ewige Zeiten mit Holz aus den Waeldern des salzburgischen Pfleggerichts Huettenstein zu versorgen. Natuerlich konnte diese Spende des bisher im Geben sehr sproeden Fuersten den Kaiser nur erfreuen. Weniger erbaut davon waren die Hofraete, welche sich den Kopf schier zerbrachen, um das Motiv solcher Spende und einer unfasslichen Konzilianz zu entdecken. Und erst auf vorsichtig betretenen Umwegen vermochten die Juristen Wolf Dietrichs herauszubringen, dass der Fuerst eine Annaeherung an den Kaiser wuenschte, und mit Muehe setzten die Raete bei der zu Pilsen erfolgten Vertragsschliessung die Klausel durch, dass es dem Erzstift freistehen sollte, die Holzspende wieder aufzuheben, wenn Oesterreich das Halleiner Salz an seinem freien Gang nach Boehmen hindern oder sperren wuerde. In diesem Sinne wurde denn auch der Vertrag geschlossen, und Wolf Dietrich kam durch sein Entgegenkommen mit dem Kaiser auf guten Fuss, verdarb es aber dementsprechend mit dem bayerischen Nachbar, der in der Spende nichts anderes erblicken konnte, als den geglueckten Versuch, dass Salzburg sich den ungehemmten Ausgang des Halleiner Salzes nach Boehmen sichern wollte. Das fuerstliche Geschenk musste zu Muenchen geradezu verblueffen, und zwar im Hinblick auf die bisherigen Klagen des Fuersten auf Reichstagen ueber Geldmangel, Minderertrag der Bergwerke, demzufolge Wolf Dietrich dem Kaiser die erbetene Hilfe in der gewuenschten Hoehe verweigern zu muessen erklaert hatte. Herzog Max von Bayern konnte hier nur einen argen Widerspruch finden, der indes jene Holzspende noch uebertrumpfte, als in Muenchen bekannt wurde, auf welch' pomphafte, nie dagewesene Weise der Erzbischof den zu Gast gekommenen spanischen Admiral Francisco de Mendoza empfing und mit einer Pracht und Ueppigkeit bewirtete, die den Admiral veranlasste, zu verkuenden, dass der Erzfuerst von Salzburg nicht nur der prunkliebendste, sondern auch der reichste unter den Kirchenfuersten Deutschlands sein muesse. Als der Spanier aber den gastlichen Hof zu Salzburg verlassen hatte, wehte insofern ein anderer Wind durch das Palais, als der Hofkastner wieder einmal vor leeren Kassen stand und sich innerhalb des Kapitels Stimmen erhoben, die sich erlaubten, solch ungeheuerliche Prachtentfaltung zu tadeln und zugleich an Erfuellung jener Verbindlichkeiten zu erinnern, die Wolf Dietrich bei der Wahlkapitulation vor nun sehr geraumer Zeit uebernommen. Mit einem Aufbrausen und einfachen Mandat war einer solchen Situation nicht zu entgehen; Wolf Dietrich konnte, da das Kapitel gegen ihn auftrat, auch nicht auf die Hilfe Lambergs zaehlen, der doch als Kapitular dem Kapitel angehoerte. Der Fuerst fand den ersehnten Ausweg, indem er alle Unkosten der Regierung auflastete und deduzierte: Der gewaehlte Erzbischof uebt die Regierung aus, also ist er vollkommener Nutzniesser und Herr aller Einkuenfte, Regalien und Gefaelle des Erzstiftes gegen Entrichtung der dem Erzstift obliegenden Buerden; der regierende Fuerst koenne also auch mit etwaig erspartem Vermoegen bei seinen Lebzeiten frei schalten und walten, dasselbe verschenken und auf Stiftungen verwenden; hingegen solle dasjenige, was er nach seinem Tode an Gebaeuden, Fahrnissen und Barschaft hinterlasse, dem Erzstift anheimfallen. Mit diesem meisterhaften Schachzug, der Vertroestung auf die Erbschaft vermochte der kluge Fuerst thatsaechlich das Kapitel zu einem diesbezueglichen Vertrag zu bewegen, und nun war Wolf Dietrich dessen sicher, in Zukunft vor den unzufriedenen Draenglern Ruhe zu bekommen. Das Kapitel war einfach auf die Zukunft verwiesen und muss warten, bis der regierende Herr mit dem Tod abgegangen sein wird. Was sich dann als Nachlass, insonders in Bar vorfindet, das ist eine andere Sache. Somit hatte sich die stetig vollzogene Berufung von Opportunisten ins Kapitel bis auf die noergelnden alten Domherren ebenso gut bewaehrt, wie die vom Fuersten vorgenommene Auswechslung von ihm ergebenen Personen im Stadtrat. Dort hatte Buergermeister Ludwig Alt einem Stadthauptmann Platz machen muessen, zum Syndikus wurde gleichfalls eine andere Persoenlichkeit ernannt, und kurz darauf wurden beide Posten wieder aufgehoben und mit Buergern besetzt, ueber deren freundlich ergebene Gesinnung kein Zweifel obwalten konnte. Damit aber Geld in den Kasten kam, wurde die Tuerkensteuer, welche der Fuerst nur in bescheidenen Teilen dem Kaiser gewaehrte, voll in der Hoehe der kaiserlichen Forderung weiter erhoben und das Ueberplus dem fuerstlichen Fiskus eingeliefert. Jahre zogen ins stiftische Land und reicher Kindersegen ward dem Fuersten zu teil, der treu zu seiner Salome hielt. Der Noergler an seinen Beziehungen zur schoenen Frau unter der Buergerschaft wurden immer weniger, sie fanden das Verhaeltnis zwar nicht in Ordnung, doch imponierte selbst den verbissensten Patriziern die Treue, das Festhalten des Fuersten an einer zur Gemahlin erkorenen Frau zu einer Zeit, da die Konkubinenwirtschaft weit verbreitet und fast nicht mehr anstoessig empfunden ward. Und bei Notleidenden, Kranken, Armen und Siechen gab es ueberhaupt nur eine Stimme dankbarsten Lobes fuer Wolf Dietrich und Salome, deren Wohlthaetigkeit im ganzen Erzstift bekannt war. Im trauten Zusammensein mit Salome ueberkamen aber doch den Fuersten manchmal truebe Gedanken, die vertrauliche Mitteilungen aus Rom immer wieder wachriefen, Berichte ueber Bayerns stetige Versuche, den Salzburger zu diskreditieren eben seines Verhaeltnisses zu Salome wegen. In solchen Momenten rief Wolf Dietrich unmutig, verbittert aus, dass kleinlich sei des Herzogs Machenschaften, und unfasslich das Zoegern Roms. "Hab' ich Gregors Machtwort respektiert, gekraenkt dadurch mein treues Weib, nicht eingeloest mein fuerstlich Wort, entbehrt der Bund des kirchlichen Segens, was soll Verleumdung weiter! Will Rom ein abermalig Machtwort sprechen, sei's drum! Des stetig Sticheln bin ich wahrlich ueberdruessig, saeh' lieber ein feindlich Andringen!" Immer verstand es Salome, den Gebieter durch zarte Rede zu beruhigen, zu troesten ueber das Ungemach, das schliesslich ja nicht unverdient genannt werden koenne. Im Gefuehle innig aufquellender Liebe rief Wolf Dietrich: "Das sagt Salome, der ich die Ehe einst gelobt, mein Weib, dem das Wort ich gebrochen?!" "Ja, geliebter Herr und Gebieter! Wohl hab' ich ersehnt heiss die kirchlich Einsegnung unseres Bundes, wie jedes liebend Weib im innerst Fuehlen solche Segnung wird erstreben; doch in meinem Falle eracht' ich es als hoechste Pflicht, zu unterordnen mich den hoeheren Geboten, zu fuegen mich und alles verhindern nach Kraeften was gefaehrden koennte Thron und Leben meines gnaedigen Herrn!" Von Herzen dankbar zog Wolf Dietrich die Getreue in seine Arme und kuesste die weisse Stirn Salomens. Sich der Umschlingung entziehend, sprach Salome dann leise: "Mein gnaediger Herr! Ein Wort im Vertrauen moege mir verstattet sein!" "Sprich, Geliebte, ich bin ganz Ohr fuer dich!" "In schuldiger Demut tret' ich, wie schon gestanden, willig in den Hintergrund. Als Mutter aber muss ich fuer unsere Kinder nach meinen Kraeften sorgen--" "Salome! Ich thue sicherlich das Meinige! Will nicht hoffen, dass Ursach' ist zur geringsten Klage?!" "Mit nichten, theurer Gebieter! Wahrlich fuerstlich ist zu nennen die Fuersorge fuer mich und die Kleinen. Allein der Blick muss weit hinaus sich richten...." "Ich verstehe maehlich! Geurkundet ist bereits, dass fuehren wird jeder Spross aus unserem gluecklich Bund meinen Namen Raittenau! Das gilt fuer unseren Erstling Wolf wie fuer unsere andern Kinder!" "Verzeiht mir, hoher Herr und geliebter Goenner! Geurkundet hat der Stiftsherr, zugleich Erzbischof mit Handschrift und dem Siegel. Zwingt solche Urkund' aber unsere Feinde zur Anerkennung einer legitimen Abstammung, da nichtig ist der Bund der Eltern?" "Ob der Bayer wird nennen meine Kinder nach meinem Namen, mich koennt' kalt dies lassen!" erwiderte in trotziger Geringschaetzung der Fuerst. "Doch nicht, gnaediger Herr! Just der Bayer soll gezwungen sein, anzuerkennen solche Urkunde" Ueberrascht blickte Wolf Dietrich auf, er wusste nicht im Augenblick, wohinaus Salome wolle. "Den Bayer zwingen? Dazu reicht Salzburgs Macht nicht wohl aus!" "Nicht Salzburg haette ich im Auge, der Kaiser kann ihn zwingen!" "Der--Kaiser?! Salome, deiner Gedanken hoher Flug setzt mich fuerwahr ins Staunen!" "Wie Salzburg steht zum Kaiser, ich weiss dies nicht. Ein bittend Wort, mein' ich, und gerne wird des Reiches hoechster Herr betaetigen des Stiftsherrn Urkund'----!" "Hm!" Gedankenvoll schritt Wolf Dietrich im reich geschmueckten Wohngemach hin und her, nicht eben angenehm beruehrt von den Plaenen Salomes, die zu realisieren das schwankende Verhaeltnis Salzburgs zum Kaiser sehr erschwert. Ist der Fuerst in diesen Tagen persona grata bei Rudolf, es kann solche Beziehung sich aendern binnen wenigen Tagen, und von besonderer tief empfundener Ergebenheit zum Kaiser spuert Wolf Dietrich wenig in seinem Herzen. Dies aber der Gemahlin zu sagen, geht nicht an. Zu Salome tretend, sprach der Fuerst: "Solch' wichtige Sache will ueberlegt, sorglich betreuet sein. Ich werde deinen Plan im Aug' behalten und zur rechten Zeit den rechten Schritt thun!" "Wie mein gnaediger Herr befiehlt! Nur bitt' ich in schuldiger Ehrfurcht, es moege nicht zu lang gezoegert werden, wasmassen vom Herzog Max nicht viel des Guten zu versehen ist!" "Pah, der Bayer! Ein Mann, der im Ruecken kaempft und salzhungrig ist!" Salome kannte den Fuersten zu genau, um in Momenten solcher Geringschaetzung eine Umstimmung, eine Warnung zu versuchen, womit nur das Gegenteil, erbitterter Trotz, erreicht wuerde. Die kluge Frau wollte aber auch nicht beitragen, die Missachtung und Unterschaetzung eines gefaehrlichen Gegners zu foerdern, und so beschraenkte sich Salome darauf, den Gebieter zu bitten, die fuer die Kinder wichtige Angelegenheit nicht aus dem Auge verlieren zu wollen. Mit einer leisen Verstimmung im Herzen kehrte Wolf Dietrich in seine Apartements zurueck. Briefe Lambergs aus Regensburg, die ein Kurier eben gebracht, konnten die Laune des Fuersten nicht verbessern. Lamberg berichtete, dass der Reichstag gesprengt sei infolge der wegen der Erneuerung des Religionsfriedens zwischen den protestantischen und katholischen Staenden ausgebrochenen Streitigkeiten, und dass bisher die Gesandten Salzburgs mit der katholischen Partei gegangen seien. Die protestantische Bewegungspartei habe nun die "Union" errichtet, eifrige Katholiken seien daran, als Gegengewicht die "Liga" zu gruenden, und so frage Lamberg an, ob Salzburgs Vertreter dieser Liga beitreten duerfen oder nicht. Das umfangreiche Schreiben schloss mit dieser Frage ab, Lamberg hatte es unterlassen, seiner Meinung betreffs eines Beitrittes zur Liga irgend welchen Ausdruck zu geben. Wolf Dietrich erfasste sehr wohl die Bedeutung dieser Angelegenheit und ueberlas den Bericht sogleich ein zweites Mal, um es dann achselzuckend aus der Hand zu legen, wobei der Fuerst murmelte: "Will der Bayer und sein Anhang die Liga, soll er sie gruenden, ich thu' nicht mit; habe genug im eigenen Land zu sorgen und zu walten. Immer der Bayer! Der Mainzer und all' die anderen mit dem Kurhut auf den dicken Koepfen! Wolf Dietrich thut euch den Gefallen nicht, er will nicht das fuenfte Rad am Wagen sein! Meine Politik mach' ich selber, und brauche keinen Jesuiten-Max dazu!" Eine Ordre rief die Gesandten Salzburgs heim, der Liga-Angelegenheit ward mit keinem Wort erwaehnt. Es schien, als haette Wolf Dietrich sich mit diesen Zeilen den Aerger vom Halse weggeschrieben, in fast froehlicher, zum mindesten aber boshafter Stimmung begab er sich, da es Zeit zur Tafel geworden, zu Salome, die ob der Veraenderung der Laune den Gebieter erstaunt betrachtete. Der Fuerst erlustierte sich an der Verwunderung Salomens, setzte sich auf ein Tabouret und lachte laut vor sich hin. "Willst wissen, Geliebte, was meinen Sinn erheitert? Kann's nicht sagen! Haha! Ein koestlich Erinnern!" "Betrifft es mich, gnaediger Herr?" fragte, schalkhaft werdend, Salome. "Ging es nach Maxens Sinn, koennt' es schon sein!" "Wen meint mein Gebieter mit sothanem 'Max'?" "Haha! Wen anders als den freundlichen Nachbar! Will eine Liga gruenden, der brave Mann! Die alte Liga reicht nicht aus! Kam mir just in Erinnerung, was Maximilian Praechtiges geleistet, excellentissime!" "Und das waere?" "Der Herzog fuehrte Krieg gegen--der huebschen Weiber kurze Roecke und poente die nackten Knie seiner Bergbauern!" "So streng soll der Bayern-Herzog sein?" "Noch mehr! Er giebt Fanggeld fuer Ehebruch-Denunzianten! Muss lieblich Leben sein im Bayerlande! Und bei solchen Auswuechsen mutet man mir zu, die Jesuiten, die den Herzog in den Fingern haben, zu berufen in das Erzstift. Koennen lange warten! Salome, geh' nicht nach Bayern, lass deine kleinen Fuesschen nimmer sehen vor einem Bayer, ansonsten wird Salome gepoent, verliert den schoenen Kopf!" Die Favoritin staunte ueber solche Spottlust, die Wolf Dietrich ueberkommen; der Fuerst war kaum zu erkennen in dem Sticklachen, das ihm den Kopf roetete. Es bedurfte einiger Zeit, bis Wolf Dietrich ruhiger wurde, und Salome nuetzte dieses Intervall, um sich durch vorsichtige Fragen einigermassen ueber die jetzigen Beziehungen Salzburgs zu Bayern zu orientieren. Wo der Stiftsherr so grimmig spoettelt, kann es mit der Freundschaft nicht zum besten bestellt sein, das zu erraten fand auch Salome nicht schwer. Wolf Dietrich ging auf die Fragen seiner Freundin williger denn erwartet ein, es schien ihm, nachdem der Lachreiz ueberwunden, Beduerfnis, seine Meinung vertraulich auszusprechen. Freilich blieb mancher Ausdruck in lateinischer Sprache der Dame unverstaendlich, Salome musste sich aufs Raten verlegen und deutete das "aut Caesar aut nihil" dahin, dass der Gebieter entweder zu oeberst in der Liga sitzen oder gar nicht mitthun wolle. Die weiteren Bemerkungen des Fuersten bekraeftigten diese Auffassung: "Wo der Bayer das Direktorium hat, geht Salzburgs Stiftsherr nimmer mit, wasmassen immerdar geizet nach der Hegemonie im deutschen Sueden. Die Vorherrschaft gebuehret aber dem Erzstift, ich bin Primas von Deutschland, nicht der Bayern-Herzog!" Vorsichtig fragte Salome: "So strebet der Nachbar wohl gar die Erbschaft im Erzstift an?" Hoehnisch rief Wolf Dietrich und richtete sich dabei auf: "Soll er wie er will und mag! Wird ihm nichts nuetzen, an meiner Thuer ist ein tuechtiger Riegel vorgeschoben und diesen bringt kein Herzog und kein Kaiser weg!" "Mein gnaediger Herr spricht in Raetseln!" "Keineswegs, und Salome wird gleich verstehen, wenn ich sage: Ins Erzstift darf mir kein Prinz von Bayern, auch nicht von Oesterreich kommen; den Koadjutor bestimmen wir selbst, und das von mir und dem Kapitel aufgestellte Statut schliesst die Wahl von bayrischen und oesterreichischen Prinzen fuer immer aus. Das ist der Riegel vor der porta salisburgensis, von dem ich gesprochen!" Aengstlich fragte Salome: "Musste das sein?" "Ja, Geliebte! Wir wollen Ruhe haben im Erzstift und das Kapitel hat ein Recht darauf, seinen Herrn und Fuersten nach eigenem Gutduenken zu waehlen. Wie die Kapitulare mich aus ihrer Mitte einst erwaehlet, so soll es fuerder bleiben, und fuer hungrige Prinzen bleibt Salzburgs Thron verschlossen!" "Was sagt der Bayer zu solchem Statut?" "Kaum, so will mich duenken, wird Herzog Max darob erfreut sein, und in Inneroesterreich wird man die Trauben sauer finden! Sollen es aendern, wenn sie koennen! Zwang zur Wahl ist exkludieret!" "Und was wird man sagen, wenn mein gnaediger Herr der Liga ferne bleibt?" "Was frag' ich darum?! Misslich mag es dem Herzog sein, so Salzburg sich weigert, betreiben wird er sothanen Anschluss, die Kirchenfuersten angehen, so den Mainzer und die Herren von Koeln und Trier, aber ich will nicht!" "Kann der Papst das nicht befehlen oder gar der Kaiser?" "Nein! Intervenieren werden beide wohl und Gesandte schicken haufenweise, ich aber bleibe fest, die Liga mit Max an der Spitze ist nichts als eine bayerische Praktik! Dem Kaiser werd' ich sagen, sothanes Beduerfnis ist schaedlich ihm und dem Hause Oesterreich, weil zu sehr kraeftigt es den Bayer." In Salome stieg eine duestere Ahnung auf, dass dieser Sachverhalt gefaehrlich fuer Salzburg werden koenne, doch schwieg sie, da sie sich keines Ausweges sicher war und keines Rates wusste. Gewandt das Thema wechselnd fragte Salome: "Will mein Fuerst und Herr mich anjetzto wohl zur Tafel fuehren?" Galant reichte Wolf Dietrich ihr den Arm und verliess das Frauengemach mit Salome unter Vorantritt der im Vorzimmer versammelt gewesenen Pagen und Kaemmerlinge. Wenige Tage darauf lief das offizielle Schreiben des Herzogs Max mit der Einladung zum Beitritt in die Liga ein, und Wolf Dietrich, masslos erzuernt, warf das Schreiben zu Boden und stampfte mit den Fuessen darauf. Wie der Fuerst es vorausgesagt, begannen nun die Versuche der Kirchenfuersten, den Erzbischof von Salzburg umzustimmen; Gesandte kamen aus Muenchen, Mainz und Koeln, auf Betreiben des Bayers fanden sich auch die Bischoefe von Konstanz und Augsburg in Salzburg ein, die Wolf Dietrich der Reihe nach vorliess, ihren Vortrag anhoerte und dann mit ausweichendem Bescheid heimkehren liess. Und als Kaiser Rudolf monierte, schickte der Erzbischof seinen Rat Sunzinger zum kaiserlichen Rat Hegenmueller nach Passau mit dem Auftrag, zu vermelden: Der Stiftsherr von Salzburg warne Seine Kaiserliche Majestaet vor der Liga und der damit verbundenen Staerkung bayerischer Macht und rate, das in Passau liegende Kriegsvolk in Waffen zu halten, auf "dass dem Adler die Krallen nicht zu kurz geschnitten wuerden". Schlauer Weise hatte Wolf Dietrich seinem Gesandten zugleich eine Anweisung auf 24000 Gulden mitgegeben, mit der Ordre, dieselbe zu praesentieren, wenn der Vertreter des Kaisers jammern wuerde, dass Kaiser Rudolf nicht die Mittel fuer die Unterhaltung des Passauer Kriegsvolkes zur Verfuegung haben sollte. Wie berechnet, kam es so, das Geld wurde mit Freuden angenommen, das kaiserliche Kriegsvolk blieb unter Waffen in Passau und sicherte dem schlauen Salzburger einen gewissen Rueckhalt gegen Bayern. Herzog Max fasste diesen Schachzug direkt als Feindseligkeit auf, sowohl gegen Bayern wie gegen die katholische Liga, und von dieser Ansicht bis zur mehr minder offen ausgesprochenen Meinung, dass der Salzburger es mit den Ketzern halte, war nur ein kleiner Schritt, der denn auch alsbald erfolgte. So steigerte sich der Unwillen gegen Wolf Dietrich zur schweren Verdaechtigung, Rom ward verstimmt und misstrauisch, und in Muenchen begann man Material zu einer Anklage zu sammeln, die durch das Leben Wolf Dietrichs mit Salome unschwer zu begruenden war. So tuermten sich dunkle, gewitterschwangere Wolken ueber Salzburgs Himmel auf. Der Fuerst aber glaubte allen trotzen zu koennen und blieb blind gegen die aufziehenden Gefahren. Salome hingegen erkannte instinktiv das Nahen einer Katastrophe und beriet sich mit Lamberg ueber Schritte zur Sicherung der Familie und ihrer Ersparnisse. Inmitten dieser Wirren und diplomatischen Kaempfe vergass Wolf Dietrich keineswegs seiner Bauten, fuer welche Geldmittel reichlich genug vorhanden waren, dank der stetig fliessenden Steuerquellen. Es fuellt die Aufzaehlung kleiner Bauten, Kapellen, Choere, Restaurierungen in Kirchen und Kloestern, Aufrichtung neuer Altaere, Kirchenfenstern von hoechstem Kunstwert &c. allein ganze Baende. Der Fuerst aber wollte fuer Salome einen eigenen Palast haben, und im Jahre 1606 erstand das fuer diese Zeit feenhafte Schloss 'Altenau'[17] im italienischen Stil zur Erinnerung an Salome Alt. Eine Marmortafel ueber dem Einfahrtsthore enthielt die von Wolf Dietrich selbst verfassten Verse: Raittnaviae stirpis divino e munere princeps Ad rapidas Salzac praetereuntis aquas Impatiens otii, spirans magis ardua quondam, Nunc, ubi per morbos corpore deficio, Has tacitas aedes fessus portumque silentem Hunc mihi semestri tempore constituo. Dieses Schloss stand auf dem rechten, noch wenig bewohnten Salzach-Ufer und gab der landschaftlichen Umgebung ein eigentuemliches, fremdartiges Gepraege. Die Villa Altenau mochte wohl auch zum Anstoss fuer weitere Bebauung dieses Ufergelaendes gegeben haben. Salome, welche mit der stattlich angewachsenen Kinderschar (sieben Toechter und drei Soehne) bisher in der alten Muenze, dem Anbau zur Residenz, gewohnt, uebersiedelte bald nach Fertigstellung des Schlosses nach 'Altenau', und hier im Kreise seiner Familie verbrachte Wolf Dietrich seine Mussestunden und lebte seinem idyllischen Glueck, pflegte der schoenen Kuenste und Wissenschaften, und verscheuchte die immer draeuenderen Sorgen hinter sich. Was die Salzburger zur Erbauung des Prachtschlosses sagten, findet sich in Steinhausers Chronik interessant verzeichnet: "Um dise Zeit auch hat der hochwuerdigst Fuerst und Herr, Herr Wolf Dietrich ain schoens, gross, geviert, herrliches Gepeu, wie ain Schloss oder Vestung, mit ainem wolgezierten, von Plech gedeckten, glanzeten Thurn, und inwendig, auch aussen herumb, mit schoennen Gaerten von allerlai Kreuethwerch, Paumbgewaechs und Fruechten geziert und versehen, pauen und aufrichten lassen,--auch solchen Pau Altenauen genennt. In solchem schoenen Gepeue hat der Erzbischoff und die Seinigen &c. sich oftmallen belustigt und vilmals sowol morgens als abents die Malzeiten daselbst genossen und allerlai ehrliche Freuedenspill und Kurzweil darinnen getriben. Dieses herrliche, schoene, Gepeue, gleich einem fuerstlichen Hof, hat abermal vil tausent Gulden gestanten; aber die Wahrhait zu bekennen, ist es ain herrlich, schoen fuerstliches Werk und gibt gleichsamb der Statt ain sonderlichen Wolstand und Zier, stehet vor dem Pergstrassthor. Mit diesen und dergleichen noch vil mehr zu Unnuz angelegten vergeblichen Gelt hette man vil Hausarmen, Duerftigen merklich kuenen zu Huelf kommen oder damit in ander mehrlai Weeg schaffen koennen. Ich will aber darueber auch nit pergen, dass gemelter Erzbischoff im Fahl der Not oder Theurrung sich so vil mit Trait fuergesehen, wann es sich begeben.... Dieses Lob ainem Fuersten oder Erzbischoven nachzusagen, ist widerumben ain ruehmliches Werk, zuedeme, so sind auch vil armer Handwerchsleuet, Tagloehner und dergleichen darbei erhalten worden und solcher Bau dannach etlicher Massen zue Nuz kommen, denn welcher ist doch der, welcher gegen jedermann und in allen Dingen recht thuen kann, wie dann das gemaine Sprichwort sagt: Der ist weis und wohlgelehrt, der alle Ding zum Besten kehrt. Man sag und schreib von ihme, was man woell, so hoere ich, die Wahrhait zu bekennen, dass ihme noch vilmahls alles Guets nachgesagt und die ewige Freid herzlichen gewuenschet wuert, er noch vilmahls gewuenschet und begert wirdet." XIV. Graf Lamberg, vom Fuersten zum Bischof von Gurk ernannt, war gleichwohl in Salzburg verblieben und erwies sich immer mehr als treuer Freund auch Salomens, als diese ihn in ihre Plaene eingeweiht und um seine Unterstuetzung gebeten hatte. Durch Lambergs Vermittelung wurde eine Audienz Salomens beim Kaiser erwirkt, zur Verhuellung einer Prager Reise aber der Besuch von Karlsbad vorgeschuetzt. Salome mit den aeltesten, praechtig herangewachsenen Kindern, gefolgt von zahlreicher Dienerschaft, reiste nach Prag, mutig das gesteckte Ziel verfolgend, so sehr das Herz der zarten Frau auch zitterte im Gedanken, vor den Kaiser treten zu sollen, von dem es hiess, Rudolf II. sei ein unheimlicher, krankhaft erregter, weltverlorener Mann, herrschsuechtig, auffahrend, grausam und dennoch des waermsten Mitleids beduerftig. Salomens Liebreiz, der ihr verblieben, trotz des reichen Kindersegens, erwies sich siegreich wie immer auch in Prag; ihr bei allem fuerstlichen Aufwand und Prunk bescheidenes Auftreten oeffnete die Herzen vieler Adeliger, die darin wetteiferten, der schoenen Frau die Honneurs zu erweisen. Manch verstohlener Blick galt der Dame, die mutig ausharrt an eines Erzbischofes Seite und des kirchlichen Segens fuer ihren Bund entbehrt. Der Tag der Audienz in der Kaiserburg Hradschin kam, zagend fand Salome mit den Kindern sich im hohen Empfangssaal ein, geleitet vom Dienstkaemmerer, der alsdann in einem Nebengemach verschwand, um dem Kaiser Meldung zu erstatten. Rudolf II. in schwarzer spanischer Tracht, sass an einem mit Folianten und Geraeten ueberladenen Tisch, vertieft in das Studium alchymistischer Schriften, das er nebst Astrologie so sehr liebte und darob der Sorgen um das Reich oft vergass. Kaum hoerte der Monarch die leise gesprochenen Worte des Kammerherrn, kaum, dass Rudolf den Kopf hob. Nur als das Wort "Salzburg" fiel, ward der kranke Kaiser aufmerksamer und fragte wie geistesabwesend, wer um Empfang bitte, obwohl der Kaemmerling diesbezuegliche Meldung eben erstattet hatte. Ehrerbietig sprach der Dienstkaemmerer: "Frau von Altenau aus Salzburg bittet Euer Majestaet unterthaenigst um gnaedigen Empfang." Rudolf fuhr mit der zitternden Rechten ueber die bleiche Stirne und murmelte: "Altenau aus Salzburg--kenn' ich nicht! Salzburg--der widerhaarige Fuerst--ja ich weiss--bin muede, fuehr' er den Bittsteller herein, soll kurz es machen!" Unter tiefer Verbeugung erwiderte der Kaemmerling: "Euer Majestaet unterthaenigst zu vermelden: Es ist eine Dame, die um Audienz bittet!" Im abgespannten, dem Mysticismus verfallenen Kaiser regte sich die Ritterlichkeit, als er hoerte, dass eine Dame seiner harrt, Rudolf erhob sich und gab Befehl, Frau von Altenau hereinzugeleiten. Nach wenigen Augenblicken trat Salome, zwei ihrer Kinder an der Hand fuehrend, ein, sie wie die Kinder beugten das Knie vor dem Kaiser, der tiefernst und dabei verwundert die Gruppe betrachtete, doch sogleich die Dame bat, sich zu erheben. Salomens Liebreiz fesselte des Kaisers Blick, seine Miene wurde freundlicher. "Gnaedigster Kaiser und Herr!" sprach bebenden Tones Salome und richtete den Blick aus den suessen blauen Augen voll auf den Monarchen, "wollen Euer Kaiserliche Majestaet in Gnaden mir verstatten, mein Anliegen vorbringen zu duerfen." Rudolf verstand und winkte dem Kaemmerer, sich zu entfernen. Dann sprach der Kaiser: "Ihr seid verheiratet? Mit wem?" Salome erbebte, der gefuerchtete Augenblick ist gekommen, das schreckliche Wort muss gesprochen werden, so hart dies auch ist. Nach Atem und Ruhe ringend, stammelte Salome: "Gnaedigster Herr und Kaiser! Mein Bund entbehrt--des kirchlichen Segens!" "Wie? Und dennoch seid Ihr Mutter!" rief Rudolf und wich einen Schritt zurueck. "Ja! Schwer litt ich unter solchem Druck unseliger Verhaeltnisse!" "Ohne kirchlichen Segen! Verdammnis ist das Los! Wie muesst Ihr zittern vor jeder oesterlichen Beichte!--Wer ist der Mann, der sich nicht scheut, den Geboten der heiligen Kirche Trotz zu bieten?" Demuetig neigte Salome das zierliche Haupt und leise erwiderte sie: "Unterthanin bin ich und Gemahlin meines gnaedigen Herrn und Fuersten von Salzburg." "Des Erzbischofs Wolf Dietrich?" rief ueberrascht und betroffen der Kaiser aus. Salome nickte und richtete beklommen den angstvollen Blick auf den Monarchen, der ersichtlich gegen unangenehme Empfindungen kaempfte und in seiner krankhaften Erregbarkeit die Hand wie zur Abwehr hob. "Gnade, Majestaet! Gnade fuer ein armes, schwaches Weib, die treue Dienerin ihres geliebten Herrn!" flehte Salome. Herb klangen des Kaisers Worte: "Gnade? Ein Leben voll Suende und Trotz, verachtend alle Gebote, gelebt im ueberschaeumend Uebermut der unbesonnenen Jugend, und hinterdrein, so Erkenntnis frevelhaften Thuns gekommen, das Flehen um Gnade und Barmherzigkeit! Unerbittlich sind die Satzungen der heiligen Kirche!--" "Doch Christus und das heilige Evangelium lehrt uns die Liebe und verspricht Vergebung jedem Suender, so er reumuetig Einkehr haelt!" Unwillig und erregt rief Rudolf: "Weiss der Erzbischof nichts von Coelibat, nichts von tugendsamer Enthaltsamkeit? Er muss das wissen, dafuer ist er Bischof, steht an des Klerus hoechster Spitze! Erwaehlet vom Kapitel, vom Papst bestaetigt wie vom Kaiser ist der Kirchenfuerst, muss ein leuchtend Beispiel sein der Enthaltsamkeit und Tugend! Von alledem keine Spur beim Salzburger! Fuerchtet er nicht Gottes Zorn, den Bannstrahl Roms, die Strafe schon auf Erden hienieden?" Salome raffte sich auf, eine edle Begeisterung erfuellte ihr Herz, in bewegten Worten sprach die liebende, fuer ihre Kinder ringende Frau: "Gott der Herr ist barmherzig und milde, Gott verzeiht, wenngleich die Menschen verdammen. Mein gnaediger Landesherr hat in jungen Jahren mich, die Unterthanin, erkoren zum ehelichen Gemahl. Wohl wussten wir und kannten das Hindernis, die Jugend und die Hoffnung belebte den Bund. Im salzburgischen Gebirg wie anderswo sind zahlreich die Pfarrer und Kuraten in kirchlich geschlossener Ehe. Was dem letzten verstattet, konnte doch auch gewaehrt werden dem Hoechsten im Klerus! Mein gnaediger Herr hat lange geharret und gehofft mit mir, sich fueglich unterworfen, die Trauung ist mit nichten erfolget, um Rom nicht zu verletzen. Was ich unter solchem Entschluss gelitten, ich hab' es durchgerungen.--" "Ihr seid verblieben dennoch?!" "Ja, Kaiserliche Majestaet! Es ist ein Bund fuers Leben, in Treue harr' ich aus bis zu des Lebens letztem Atemzug! Wahre Treu' braucht die Stola nicht--" "Gott, wenn Euch ein Diener der heiligen Kirche hoerte--" rief erschrocken der tief im Banne fanatischer Priester stehende Kaiser. "Die Treu' muss im Herzen wohnen! Treu war ich dem Fuersten, Treue bewahrte mir der Herr!" "Und Verdammnis wird sein Euer Los!" "In langen Jahren hat Rom kein Wort des Tadels gesprochen! Wollen die Priester paepstlicher sein als der Papst? Ist es weniger suendhaft wie lebet mancher Kirchenfuerst gleich dem Tuerken, der Bamberger und der von Koeln!" "Still davon! Man darf nicht reden ueber solche Dinge!" "Verzeihet gnaedigster Kaiser! Wirft Steine man auf mich, darf ich da nicht hinweisen auf den Wandel anderer? Ist ein ehrbar Eheleben schmachwuerdig? Nimmer kann ich's glauben!" Zaghaft und scheu sprach Rudolf: "Hab' recht ich Euch verstanden, so hat unterworfen sich der Erzbischof von Anbeginn dem Gebote Roms, wonach er doch die kirchliche Trauung hat vermieden?" Salome seufzte tief und nickte in wehmutsvoller Ergebenheit. "Das mildert wohl den ansonsten boesen Fall in etwas. Und Rom hat geschwiegen! Was soll nun ich? Was fuehrt Euch zu mir?" Salome kniete nieder, hob flehend die Haende empor und sprach: "Des Kaisers Gnade moecht' erbitten ich aus tiefstem Herzensgrund fuer--meine Kinder! Helfet mir, o Herr und Kaiser!" Rudolf bat wiederholt, es moege die Dame sich erheben. Doch Salome blieb knieen, auch Wolf und das Schwesterlein knieten und hoben die Haendchen bittend empor. Dieser Anblick ruehrte des Kaisers Herz, weich sprach Rudolf: "Was ist Euer Begehr?" Innig flehte Salome: "Gnaedigster Kaiser und Herr! Erbarmet Euch in Eurer Macht dieser unschuldvollen Kinder! Nichts fuer mich will ich erbitten, will tragen die Schuld meiner Liebe und meines Lebens, doch erfleh' ich des Kaisers Gnade und Barmherzigkeit! Gebt, o Herr und Kaiser, den Kindern das Recht der ehelichen Geburt! Bestaetigt in Gnaden die Urkund' meines Herrn und Gebieters!" "So hat der Erzbischof schon geurkundet in bemeldter Sache?" "Ja, Kaiserliche Majestaet! Mein Herr und Gebieter will geben seinen Namen unseren Kindern, Raittenau, nach des Vaters Geschlecht zu Langenstein im Hagau! O habt Erbarmen gnaedigster Herr und Kaiser mit den unschuldigen Kindern!" "Ihr habet gross Vertrauen zu mir, will mich beduenken!" sprach mild der Kaiser. "Mein Denken wie mein Fuehlen gilt naechst Gott des grossen Reiches maechtigem Herrn und Kaiser! Wie der Allmaechtige erhoeret ein frumb Geber, wird oeffnen Ohr und Herz auch der maechtige Kaiser einer innigen Bitte aus tiefstem Herzensgrund!" "Erhebet Euch! Steht auf Ihr Kinder! Nicht vergebens sollet die Haendchen gehoben haben Ihr zu mir in kindlichem Vertrauen! Der Kaiser wird Euch den Namen geben nach ehelicher Geburt und Recht, darauf geb' ich mein kaiserliches Wort!" Uebergluecklich haschte Salome nach des Kaisers Hand, und ehe Rudolf sie entziehen konnte, drueckte Salome eine Kuss der Dankbarkeit auf die kaiserliche Rechte. "Nicht doch! Gewaehret sei Euch die ruehrend Bitte! Und da nichts, mit keinem Wort Ihr fuer Euch selbst erbeten habet, will der wackeren Mutter ich selbst gedenken und geben Euch die Adelsfreiheit erzstiftischer Landsassen...." "O welche Gnade, Kaiserliche Majestaet! Nicht fassen kann ich solche Huld, weiss der Worte nicht zum tiefsten Dank...." "Sprecht, wie nennt man Euch zu Salzburg?" "Mein gnaediger Gebieter und Herr erbaute ein Schloss mir und nannte es Altenau, wasmassen ich fuehre den Namen Salome Alt." "So soll Altenau sein ein Adelssitz und Ihr sollet fuehren zu Recht fuerder den Namen von Altenau kraft meiner Macht! Nun gehet mit Gott, kehret heim und gedenkt zuweilen im Thuemb im frumben Gebet Eures gnaedigen Kaisers!" Huldvoll gruesste Rudolf II. durch einen Haendewink, ein sonniges Laecheln lag auf seinen Lippen wie seit langem nicht. Glueckstrahlend dankte Salome nochmals und verliess mit den Kindern das Gemach. Sinnend blickte der Kaiser der Dame nach und fluesterte vor sich hin: "Begreiflich find' ich des Bischofs Wahl, solch' Liebreiz nimmt gefangen! Doch moecht' ich trotzdem nicht sein Leben voll verantworten! Mir grauet vor solcher Beicht'!" Des Kaisers Antlitz verduesterte sich wieder und trueb ward sein Sinn, er selbst die Beute schreckhafter Gedanken, ein Spielball in den Haenden seiner herrschsuechtigen, fanatischen Umgebung. Doch hielt Rudolf sein gegebenes Wort, er nobilitierte die tapfere Frau und bestaetigte den Kindern den Namen Raittenau und gab ihnen die Rechte ehelicher Geburt. XV. Dachte Wolf Dietrich stets erhaben von seiner Stellung als Landesherr und Kirchenfuerst, war auf Hohes seine Gesinnung allzeit gerichtet, hoch seines Geistes Flug wie kunstbegeistert sein Streben, das nur in leidigen Geldsachen profaniert wurde, die Zumutung zum Beitritt zur Liga unter der Oberhoheit des bayerischen Herzogs, der Versuch, Salzburgs Stiftsherrn einer bayerischen Hegemonie zu unterstellen, musste das Mediceerblut in Wolf Dietrich zum Wallen bringen, sein Gefuehl der Erhabenheit zum Superlativ steigern. Und in solchem Machtgefuehle, hochdenkend von eigener Wuerde und Stellung im Stiftsland wie im Reich, genuegte ihm der alte Titel eines Primas von Deutschland nicht mehr; die bayerische Zumutung forderte eine Antwort im hoeheren Wege, Wolf Dietrich erliess ein Mandat, worin er sich als der erste unter den Erzbischoefen Salzburgs den Titel "celsissimus" (der "erhabenste") beilegte. Die Welt ging darob nicht aus den Fugen, Salzburgs Unterthanen nahmen diese Verfuegung, die kein Bargeld oder Steuern verlangte, gleichmuetig hin; aber in Muenchen aergerte man sich ueber den "celsissimus", man verstand diese Antwort und deutete sie als definitive Absage an die Liga. Als dann dazu noch die Nobilitierung Salomens und die kaiserliche Anerkennung ehelicher Geburtsrechte fuer Wolf Dietrichs Kinder bekannt wurde, da flammte in Muenchens Residenz die Entruestung in staerkstem Masse auf, auf Befehl des Herzogs ward eine Liste aller Suenden und Frevelthaten des Salzburgers aufgestellt und nach Rom geschickt in der Hoffnung, dass der Papst willfaehriger denn der Kaiser sein werde. Die feindselige Stimmung gegen den Erzbischof hatte uebrigens einen empfindlich wirkenden realen Untergrund, die Salzfrage, die noch immer nicht nach Wunsch Bayerns geregelt war. Im Gegenteil wirkte der Pilsener Vertrag zwischen Salzburg und dem Kaiser sowie das Geschenk des Erzbischofs direkt schaedlich auf den bayerischen Salzhandel und dadurch auf einen Teil der herzoglichen Einkuenfte. Durch den Pilsener Vertrag und das Geschenk an Holz wurde die Erzeugung des kaiserlichen Salzes zu Ischl so sehr gefoerdert, dass es dem Kaiser moeglich ward, die Konkurrenz des bayerisch-salzburgischen Salzes besonders in Boehmen, wo bisher Bayern den Markt beherrscht hatte, zu ueberwinden. Zudem war Herzog Maximilian auch hinsichtlich der Hallfahrten stets im Nachteil, den seine Raete erst hinterdrein entdeckten. Der Salzverschleiss bayerischerseits ging stetig zurueck, man konnte die Masse Salz, welche vertragsmaessig von Salzburg zu uebernehmen war, nicht mehr plazieren, und so unangenehm dies dem Herzog sein musste: er war gezwungen, um Minderung der Salzuebernahmen nachzusuchen, also taeglich nur drei statt fuenf Hallfahrten zu uebernehmen. Das konnte Wolf Dietrich genehmigen, denn die Vertragsklausel besagte: "unbeschadet seiner Gefaelle", es musste daher der Herzog die Summe von 34500 Gulden bezahlen, welche Summe ungefaehr dem Wert der zwei nachgelassenen Hallfahrten entsprach. So hiess es zahlen, und dabei bezog der Herzog nicht einmal die Salzmenge fuer seine Summe. Die Verhaeltnisse im Salzabsatz wurden aber immer schlimmer, Wolf Dietrich musste um Reduktion der Hallfahrten auf deren zwei gebeten werden und jede Hallfahrt betrug jetzt 21000 Gulden, die in sieben Raten bezahlt werden mussten. So kam es dazu, dass Herzog Maximilian an Salzburg jaehrlich 38000 Gulden uebergeben musste, ohne irgend etwas dafuer zu erhalten. Das mochte den Herzog wohl noch weit mehr wurmen als der abgelehnte Beitritt zur Liga. Die Chikanen begannen, Herzog Maximilian raechte sich, indem er wohl zahlte nach Verpflichtung, doch waehlte er im Gefuehl, uebervorteilt zu sein, schlechte Muenze, und ausserdem machte nun auch der Bayer Gebrauch von der kaiserlichen Erlaubnis einer Zollerhoehung, die bei Wiederbeginn der Hallfahrten auch auf die sogenannten Salzfertiger, das heisst die im Dienst des Erzstiftes stehenden Spediteure und Kaufleute, welche das Salz in Hallein uebernahmen und zu Schiff an die bayerischen Legstaetten fuehrten, ausgedehnt wurde. Bisher war es ueblich, dass diese Salzfertiger bei Ablieferung des Halleiner Salzes von den bayrischen Salzbeamten den Lohn fuer ihre Spedition und ausserdem eine Verguetung des formellen Zolles, den sie zuvor an die bayerischen Behoerden gezahlt hatten, erhielten. Mit einem Federstrich wurden diese Leute mit einem Jahreszoll von 8000 Gulden belastet, und nun ward Sturm gelaufen zum Erzbischof-Landesherrn, der denn auch sogleich seinen energischen Protest nach Muenchen schickte und ganz richtig auseinandersetzte, dass nicht die Fertiger, sondern Bayern selbst Eigentuemer des zu Hallein erworbenen Salzes sei; wenn man also, so schrieb Wolf Dietrich ironisch, den Zoll, wie es doch billig und recht waere, von dem Eigentuemer fordern wolle, so muesste der Herzog ihn eher von sich selbst als von den Fertigern fordern. Die Antwort auf dieses Protestschreiben war ein starres "Nein", worauf Wolf Dietrich mit einer Salzsperre drohte und sich vom Aerger hinreissen liess, zu erklaeren: der Herzog koenne das Halleiner Salz nehmen oder auch nicht; wolle er solches beziehen, so koenne er es gegen monatliche Barzahlung haben, weiterhin aber werde sich der Erzbischof in keinen Vertrag mit Bayern mehr einlassen. In seiner Entruestung hatte Wolf Dietrich an etwaige Folgen dieser Erklaerung gar nicht gedacht. Als Lamberg sowie die salzburgischen Raete hiervon erfuhren, war Wolf Dietrich wohl schon wieder ruhiger geworden, aber die Konsequenzen waren bereits reif: Bayern liess dem Erzbischof kuehl, doch mit unverkennbarer Schadenfreude wissen, dass die Nichtigkeitserklaerung der Salzvertraege gerne zur Kenntnis genommen worden sei. Wolf Dietrich erkannte, freilich zu spaet, den in der Uebereilung veruebten Fehler, und berief seine Raete, die nun einen Ausweg aus der fatalen Klemme finden sollten. So erregt der Fuerst auch war, er zwang sich dazu, die oft weitschweifigen Eroerterungen seiner Raete ruhig anzuhoeren, doch sein immer lebhafter Geist arbeitete dabei unausgesetzt, dem Feind zu Muenchen irgendwie Schach zu bieten. Und mitten in der Sitzung fand Wolf Dietrich einen Ausweg, unvermittelt rief er den verdutzten Raeten zu: "Ich bringe mein Salz direkt nach Boehmen! Schafft mir den Baumeister fuer Strassenbau zur Stelle!" Und hitzig wie immer erlaeuterte der Fuerst sein neues Projekt: Bau einer neuen Strasse von Salzburg nach Skt. Wolfgang, Verfrachtung des Salzes dorthin zu Wagen, und ab dort in eigens zu konstruierenden Faessern auf Saumtieren nach Boehmen. Auf diese Weise koenne Bayern umgangen, der Salzzoll erspart werden. Der klug ersonnene Plan wurde unverzueglich ins Werk gesetzt, Tausende von Arbeitern wurden aufgeboten, der Strassenbau begonnen, der bei Gnigl aufwaerts zum sogenannten Guckinsthal und hinueber zum Wolfgangssee fuehrte. Wo ein Wolf Dietrich zur Eile trieb, ging jede Arbeit befluegelt von statten, und dieser Strassenbau musste auf fuerstlichen Befehl beschleunigt werden. Auf der Salzach erstarb der Schiffverkehr, die Salzplaetten kamen nur noch bis Salzburg, an der Einlaende daselbst wurde umgeladen, die Salzwagen fuhren auf der notduerftig fahrbar gemachten Strasse nach Skt. Wolfgang, wo eine gewaltige Zahl von rasch beschafften Saumtieren und Rossen stationiert worden war. Bald bekam der Herzog von Bayern diese Transportverlegung zu spueren. Mit seinen eigenen Salzvorraeten aus dem Berchtesgadener Sudwerk konnte er den Bedarf keineswegs decken, es trat Salzmangel in Bayern ein und mit dem Mangel eine rasch wachsende Preissteigerung. Maximilian verlegte sich auf die Bitte um Aussoehnung, aber Wolf Dietrich lehnte jede Vermittelung ab und wollte vom Nachbar nichts mehr wissen. In solcher Notlage wollte der Herzog die Salzausfuhr durch Bayern erzwingen, indem er beim Erzherzog Ferdinand von Inneroesterreich und bei Kaiser Rudolf darauf drang, dass diese Machthaber das Halleiner Salz nicht ueber ihre Landesgrenzen lassen moechten. Allein Erzherzog Ferdinand erkannte, dass der Salzhandel fuer sein Land von grossem Nutzen zu werden versprach, und lehnte das bayerische Andringen ab. Desgleichen fand Kaiser Rudolf die Zufuhr des salzburgischen Salzes trotz der Ertraegnisse des Ischler Sudwerkes fuer Boehmen noetig, und in dieser Erkenntnis wies auch der Kaiser die Forderung Maximilians zurueck. So kam der Bayer immer mehr in Verlegenheit. Seine Raete befuerworteten die Nachahmung von Wolf Dietrichs Beispiel eines Strassenbaues, um auf einem, salzburgisches Gebiet nicht beruehrenden, neuen Wege das Salz von Berchtesgaden nach Bayern zu bringen. Das geschah, der Herzog bot 1000 Mann auf zu diesem Strassenbau und errichtete in Berchtesgaden eine neue Pfanne, um das Salz rascher versieden zu koennen[18]. Kaum hoerte Wolf Dietrich hiervon, befahl er ingrimmig, nun auch noch einen neuen Ausweg nach Tirol zu schaffen, ausserdem wurde angeordnet, Getreide, Wein und andere Waren nicht mehr durch Bayern, sondern von Boehmen--Inneroesterreich via Skt. Wolfgang und von Venedig--Tirol auf neuen Wegen einzufuehren. So trieb ein Keil den anderen; die Raete Salzburgs und Muenchens verhandelten und schrieben unentwegt hin und her, es regnete Proteste hueben und drueben, bis Wolf Dietrich gebot, dass seine Forstbeamten dem Sudwerk Reichenhall fernerhin das vertragsmaessige Holz nicht mehr liefern duerfen. Alle Salzfertiger wurden abgeschafft, die salzburgischen Unterthanen in Bayern und die bayerischen Staatsangehoerigen in Salzburg durften keinerlei Salzgeschaefte mehr betreiben unter Androhung der schwersten Geldstrafen. Dieser Salzstreit erregte in ganz Deutschland Interesse; die Fuersten der Union begannen sich auf Salzburgs Seite zu stellen, die Liga suchte Maximilian zu unterstuetzen. Gesandte der Unionfuersten kamen nach Salzburg, die Reichsstadt Nuernberg mengte sich ein und bot dem Erzbischof Beistand an. Wolf Dietrich stand schon in frueheren Jahren in schriftlichem Verkehr mit dem genialen Diplomaten und Statthalter der Oberpfalz, dem geistreichen Fuersten Christian von Anhalt, der die Seele der Unions-Bewegung war. Christian hielt den Zeitpunkt wie den Streit zwischen Salzburg-Bayern fuer guenstig, den Erzbischof, der von der Liga nichts wissen wollte, zur Union herueberzuziehen, Unterstuetzung anzubieten, und so liefen zahlreiche Briefe sowohl an Wolf Dietrich, wie an seinen Kanzler Dr. Kurz in Salzburg ein, auch wurden solche Depeschenreiter von Bayern abgefangen, die Briefe an den Herzog eingeliefert. Im Palais zu Salzburg herrschte demgemaess fieberhafte Thaetigkeit und eine gefaehrliche, ueberreizte Stimmung, von der sich Wolf Dietrich des Abends zu befreien suchte, indem er Salome und die Kinder im Schloss Altenau aussuchte. Allein, gewohnt mit Salome auch politische Dinge zu besprechen, kam es doch dazu, dass Wolf Dietrich mit der Freundin auch den Salzstreit eroerterte und dabei sich zu Aeusserungen hinreissen liess, die Salome in Angst und Schrecken versetzen mussten. Die kluge, weitausschauende Frau erkannte die Gefahr, wenn es zu einem Austrag des Streites mit Waffen kommen sollte, sie warnte in vorsichtig gewaehlten Worten vor einem Krieg. An einem Abend war es, dass nach dem Imbiss Wolf Dietrich mit Salome im Park von Altenau spazieren ging. Der Fuerst war erregt schon ins Schloss gekommen, hatte waehrend des Mahles fast kein Wort fuer die sonst liebevoll behandelten Kinder und hob die Tafel frueh auf. Nun Wolf Dietrich an der Seite Salomens promenierte, wagte die Freundin es, zu fragen, ob schlimme Nachrichten eingetroffen seien, die dem gnaedigen Herrn die Ruhe und den Frieden rauben. Aufbrausend, mit den Haenden gestikulierend, rief der Fuerst: "Ob schlimm, ich weiss es nicht zu deuten! Der Anhaltiner schickt mir neue Botschaft, will etzlich Faehnlein mir gewaehren, so ich dem leidig Streit ein Ende mache und die Propstei dem Bayer nehme." Erschreckt fiel Salome ein: "Thut das nicht, gnaediger Herr, um aller Heiligen Willen nicht! Es wuerd' zum Unglueck nur fuer uns!" "Was hast du zu befuerchten? Geruestet hab' ich in aller Stille, befestigt die Grenzen gegen Bayern, das Mass ist voll und unertraeglich geworden der Streit. Habe ich Berchtesgaden, die Propstei sehnt seit langem sich nach Inkorporierung mit dem Erzstift, ist aus der Salzstreit, und der Herzog mag um Gnade bitten!" "O, gnaediger Herr! Verbannet solch' gefaehrlichen Gedanken! Nimmer wird der Herzog solchen Streich hinnehmen, wird anruecken mit grosser Macht und raechen solche That!" "Pah! So schnell wird Kriegsvolk er nicht auf die Fuesse bringen! Ich habe gut an tausend Mann bereit zum Einmarsch in die Propstei, gehuldigt kann sein, ehe der Herzog nur ein Ross von Muenchen in Bewegung setzt!" "Grosser Gott! Verbannt den unglueckseligen Gedanken aus Eurer Brust! Zu klein ist Salzburgs Macht, weit reicht des Herzogs Arm, Tilly ist sein Feldherr und stark sein Kriegsvolk!" "Was schert mich der gruenseidne Marschall! Hab' ich die Propstei als Faustpfand, kann dekretieren ich den Frieden, und die Union steht mir bei!" "Traut dieser nicht, Herr und Gebieter! Sie will im Trueben fischen, Salzburgs Erzstift auf ihre Seite bringen und pochen dann darauf, dass abfaellt das Stift von Rom!" Wolf Dietrich stutzte, hielt an den Schritt, blickte Salome ins Auge, und sprach: "Davon kann nie die Rede sein, den Glauben werde niemals ich wechseln!" "Nur darauf zielt das Streben der Union, glaubt mir, mein gnaediger Herr!" "Was weiss ein Weib von solchen Dingen! Die Hilfe nehm' ich, zahle die Faehnlein, und basta! Der Union sonstige Aspirationen kuemmern mich nichts!" "Verzeiht ein Wort: Denkt an Rom! Widersacher hat das Erzstift genug, verdaechtigt ist geschwind und rasch kann faellen Rom ein Urteil...." "Ich frag' auch um Rom nicht viel! Hat Rom mir je im Streit geholfen? Steht der Nuntius nicht allzeit bei dem frumben Max? Sollen aus Muenchen machen ein neues Rom und die Haeuser pfropfen mit Jesuiten, ich will's nicht hindern! Doch hier auf stiftischem Boden gebeut ich, und mein Land wird nimmer bayerisch!" "O, sprecht mit Lamberg erst, mein gnaediger Herr! Auch Lodron kennt die vielverschlungenen Pfade Muenchens! Hoert diese Herren, Fuerst!" "Ich bin muede dieses staendigen Gezettels! Das Faustpfand nehm' ich, Obrist Ehrgott ist derselben Meinung!" In hoechster Bestuerzung vollfuehrte Salome einen Kniefall vor dem Fuersten und rief mit flehend erhobenen Haenden: "Hoeret nimmer auf Soldatenwort! Denkt an die Kinder, die Heimat und das Vaterhaus verlieren, so anrueckt der ergrimmte Bayer!" "Du siehst zu schwarz in deiner aengstlich Sorge!" sprach mild der Fuerst und hob Salome zu sich empor. "Die treulich Mutterliebe spricht aus dir, die Sorge macht dir alle Ehre! Doch bleibe du in deinem Heim, betreue mir die Kleinen, halte gut mir Haus, indessen ich den Bayer zwinge!" Einen letzten Versuch der Umstimmung wagend, erwiderte Salome: "Koennte verwiesen werden bemeldter Streit nicht an ein Schiedsgericht der deutschen Fuersten?" "Wohl, ein guter Gedanke! Aber erst, wenn ich das Faustpfand habe, und das soll Ehrgott und Hauptmann Auer holen mir sobald als moeglich!" Seufzend ergab sich Salome ins Unvermeidliche und begleitete den kriegslustig gewordenen Gebieter ins Schloss. Bald darauf verliess Wolf Dietrich Altenau und begab sich in sein Palais, wo Obrist Ehrgott und Hauptmann Auer auftragsgemaess bereits des Fuersten harrten. Zum erstenmal unter der Regierung Wolf Dietrichs betraten sein Arbeitsgemach Kriegsleute zu einer Beratung. Der Talar hat dem militaerischen Kleide weichen muessen. Der Fuerst fand Gefallen an der neuen Art einer Beratung mit den Offizieren, die stumm zuhoerten und zum Schlusse in knappen Worten gelobten, den hochfuerstlichen Befehl getreu zu vollziehen. Das klang anders, ergebungsvoller, gehorsamer als die hoeflichen, doch immer etwas aergerlichen Erwaegungen, Einwaende, und Befuerchtungen der Kammerraete und Domherren. Einen Augenblick gedachte Wolf Dietrich der Landstaende, die er seit langen Jahren nimmer berufen und gefragt, und ein ironisches Laecheln huschte ueber des Fuersten Lippen. Zu den Offizieren gewendet, resumierte der Erzbischof: "Also nochmals: Keine Gewalt, aber Abnahme jeglicher Waffen im Gebiet der Propstei. Die Bruecke bei Reichenhall wird bis spaetestens morgen abend abgebrochen; der neue Weg von Berchtesgaden nach Bayern wird unbrauchbar gemacht, tragt ihn ab, verrammelt ihn. Kein waffenfaehiger Mann darf das Gebiet von Berchtesgaden verlassen. Aufstand wird niedergeworfen. Soviel fuer die naechste Zeit! Weitere Befehle erfolgen nach eingeschicktem Bericht! Ihr marschieret noch in heutiger Nacht mit tausend Mann Musketieren und Pikenieren nach Berchtesgaden ab! Gott befohlen!" Die Offiziere verbeugten sich, gelobten getreulich Erfuellung des Befehles und verliessen sogleich die Residenz. Schon am zweiten Tage nach dem in der Nacht zum 8. Oktober 1611 erfolgten Einmarsch der salzburgischen Militaermacht wurde dem Fuersten der Bericht des Obristen Ehrgott eingehaendigt, eine kurze Meldung, dass der fuerstliche Befehl aufs genaueste und ohne Blutvergiessen vollzogen, die Propstei also in Haenden Salzburgs sei. Dem Bericht war die Anfrage beigefuegt, ob der Obrist das Volk von Berchtesgaden und die bayerischen Verwaltungsbeamten zur Erbhuldigung auf Salzburgs Fuersten zwingen solle. Lange blieb Wolf Dietrichs Feuerauge auf diesen Zeilen gerichtet, eine baengliche Stimmung erfasste den Fuersten, eine Scheu vor solcher Gewaltthat. Eine erzwungene Erbhuldigung muesste den Herzog masslos erbittern, die Reichsstaende rebellisch machen. Davor scheute nun Wolf Dietrich doch zurueck; aber aergern moechte er den Nachbar, aergern bis schier zum Zerplatzen. Und in dieser Absicht erinnerte sich der Erzbischof, der bei aller ihm eigenen Genialitaet und Verstandesschaerfe den Herzog Maximilian gruendlich verkannte und ganz irrig beurteilte, der Worte Salomens betreffend Ueberweisung des Salzstreites an ein Schiedsgericht. Der Stiftskanzler Dr. Kurz wurde zum Fuersten citiert und musste an den Herzog schreiben, dass Celsissimus Wolf Dietrich, Fuerst und Erzbischof von Salzburg, Primas von Deutschland und Hochfuerstliche Gnaden einwillige in ein Schiedsgericht, so dasselbe gebildet werde aus den durch den Salzstreit beeintraechtigten Reichsstaenden. Als dieses gefaehrliche Schreiben abgegangen, erzaehlte Wolf Dietrich im Hochgefuehle, durch den beissenden Spott den bayerischen Gegner grimmig geaergert zu haben, seinem Freunde Lamberg davon in einer Stunde trauter Zwiesprache und rieb sich vergnuegt die Haende. Graf Lamberg aber zeigte eine geradezu bestuerzte Miene und ernst klangen seine Worte, als er sprach: "Hochfuerstliche Gnaden, das war, submissest sag' ich das in treuer Ergebenheit, ein schlimmer Brief, der den Herzog schwer kraenken, zu einer Gewaltthat reizen muss!" Wolf Dietrich fuhr auf: "Soll er! So viel Kriegsmacht wie der Bayer hab' ich auch, und mein Ehrgott wird ihn zu schlagen wissen!" "Gnaediger Herr! Zum Kriegfuehren gehoert vor allem Geld, und zu viel hat das Passauer Kriegsvolk bereits gekostet! Irre ich nicht, verschlang die Truppe in der langen Waffenzeit unter Waffen reichlich 200000 Gulden!" "Das ist richtig! Soll eben das Kapitel diesmal helfen!" Lamberg, der die feindselige Stimmung des Domkapitels gegen den Erzbischof nur zu gut kannte und daher wusste, dass das Kapitel nicht einen Gulden fuer den leichtsinnig heraufbeschworenen Konflikt mit Bayern bewilligen werde, wollte dies dem Fuersten nicht direkt sagen, immerhin aber versuchen, Wolf Dietrich ueber die furchtbare Gefahr die Augen zu oeffnen. So deutete denn Lamberg an, dass Herzog Max sich wegen Bruchs der Reichskonstitutionen und des Landfriedens an den Kaiser werde wenden. Der Erzbischof lachte hellauf, spoettisch erwiderte er dann: "Da kommt der Bayer just an den Rechten! Ein Kaiser ohne Land, krank, verbittert, ein Spielball in den Haenden seiner geliebten Jesuiten, der wird froh sein, wenn man ihn lasset unbehelligt." "Es besteht auch die Moeglichkeit, dass Herzog Max sich nach Speyer an das Reichskammergericht wendet!" Wieder lachte Wolf Dietrich: "Dann kann der Bayer warten bis zum juengsten Tag; frueher bekommt er von Speyer keinen Bescheid!" "Hochfuerstliche Gnaden glauben also, dass der Herzog sich die Wegnahme Berchtesgadens wird ruhig gefallen lassen?" "Ob ruhig oder nicht, das Faktum ist geschaffen, und ich gebe das Faustpfand nicht frueher heraus, bis der Bayer um gut Wetter bittet, meine Bedingungen erfuellet Punkt fuer Punkt!" Tiefernst blickte Lamberg den Fuersten an und traurig sprach er: "Dann, Hochfuerstliche Gnaden, ist meine Mission als treuer Rat beendet. Ich sehe nur ein Ende mit Schrecken, keine Rettung fuer das Erzstift, das der Herzog wird mit Krieg ueberziehen und--" "Und?" "Erlasst mir das harte Wort, gnaediger Herr!" "Ein echter Freund muss auch ein solches Wort offen sagen!" "Ich kann es nicht bringen ueber die Lippen. Wollen Hochfuerstliche Gnaden nur selbst ein wenig in sich gehen, die logische Konsequenz aus einem Kriege Bayerns gegen Salzburg zu ziehen, ist nimmer schwer...." "Du kraechzest Unheil, Rabe! Mein Freund ist Er gewesen, so er des Bayers Sieg wuenschet ueber das Erzstift!" "Gott behuete mich in meinen innersten Gedanken! Wie kann in Treuen der Unterthan wuenschen den Sturz des geliebten Fuersten!" Wolf Dietrich erblasste, er zitterte am ganzen Leibe, bebend klangen seine Worte: "Du glaubst--an meinen--Sturz?!" "Ich fuerchte solches Ende! Der Salzkrieg kann nimmer anders enden! In letzter Stunde steh' ich zu Euch, gnaediger Fuerst und Herr! Ich beschwoere Euch als stets erprobter treuer Freund: Widerrufet den unglueckseligen Brief, gebet nach! Denkt an Salome, an die Kinder! Verliert Ihr den Thron, das Erzstift, ist alles verloren! Des Bayers Rache wird sein unerbittlich, sie wird verfolgen Salome, die Kinder, wird sie zu Bettlern machen, verfemt, verstossen! Und Rom verlaesst Euch, so der Bayer siegt! Glaubt meinen Worten, gnaediger Herr! Ich beschwoere Euch in dieser letzten Stunde!" "Genug! Ich durchschaue dich, wie laengst misstraute ich auch dem Kapitel! Blasse Angst ist's, schnoede Furcht, dass kosten koennte der Krieg dem Kapitel blanke Batzen! Abhalten wollt Ihr mich, den Bayer zu lehren Mores! Renitenz war immer wahrzunehmen, Trug und Falschheit im Talar! Doch noch bin ich der Herr und ich gebiete! Ich zwinge das Kapitel, wie ich noch jeden Feind bezwungen! Mit Gewalt werf' ich Euch nieder und den Bayer!" Lamberg beugte das Knie vor dem Fuersten und rief: "Nehmt mein Leben, Herr, zerschmettert mich, doch eh' der letzte Atem mir entflieht, hoert das letzte Wort: Gebt nach! Es wird Unheil fuer Euch!" Schrill klang es von Wolf Dietrichs zuckenden Lippen: "Ich trotz' allen! Fuerst und Herr bin und bleib' ich! Mich schreckt kein Gewinsel! Weib und Kinder werd' ich zu schuetzen wissen! An dich ein letztes Wort: Bring' den Kriegsschatz mir vom Domkapitel! Das sei die Probe, ob echt ist deine Freundschaft!" Todesbleich erhob sich Lamberg, schmerzverzerrt waren seine Zuege, er zitterte, in abgerufenen Saetzen erwiderte der schwergekraenkte Freund: "Mein Hab' und Gut, was ich erspart und sonst mein eigen nenne, es ist Euer, gnaediger Herr, verfueget darueber bis zum letzten Heller!--Dem Kapitel werd' ich melden des Fuersten Begehr! Ich fuerchte...." "Ich weiss genug! Feig und hinterlistig sind sie alle, Verraeter!" Ein gebieterischer Wink des erzuernten Fuersten, und Lamberg wankte aus dem Gemach. Trotz erlittener Kraenkung und Schmach wollte der treue Freund nach Moeglichkeit dem Gebieter beistehen, Lamberg suchte die beiden Lodron, den Domdechant v. Weittingen, die Kanoniker Toerring, Wolkenstein und Freyberg auf, er flehte Kuenburg, Schrattenbach und Welsberg an, dem Fuersten die Hilfe zu gewaehren, allein das Kapitel war dem harten Gebieter zu sehr abgeneigt, verbittert, niemand wollte aus Kapitelfonds Mittel zu einem leichtfertig vom Zaune gebrochenen Krieg bewilligen. Das hatte der weitausblickende Graf Lamberg im voraus gewusst, dennoch schmerzte es ihn bitter, den Herrn verlassen zu sehen in der Stunde der Gefahr und Not. Einen Schritt noch wollte der treue Freund unternehmen: Salome warnen, ihr rechtzeitige Flucht unter Mitnahme ihres Eigentums anraten, die fuerstlichen Kinder in Sicherheit bringen. So eilte denn Lamberg in das Schloss Altenau und liess sich bei der Fuerstin melden. Allein da Wolf Dietrich bei seiner Familie weilte, wurde der Warner nicht angenommen, der vergraemte Fuerst liess Lamberg im Namen Salomes wissen, dass zu einem Empfang kein Anlass vorliege. "Jacta est alea!" fluesterte der treue Freund und kehrte ueber die Salzachbruecke in die innere Stadt zurueck. Wolf Dietrich liess mobilisieren; von Salzburgs Buergerschaft wurden 400 Mann bewehrt, im ganzen Stiftsland wurden waffenfaehige Leute ausgehoben und bewehrt an verschiedene Posten verteilt, so 100 Mann nach Mattsee, 100 laengs der bayerischen Grenze, etlich 100 nach Laufen, 170 nach Tittmoning, etlich 100 auf Rauschenberg, ebenso viel nach Lofer und Glanegg u.s.w. Die Vorstadt Muehlen bekam 800 Mann Besatzung, der Moenchsberg 300, der Nonnberg 200, die Thore, welche die Zufahrt zur Salzachbruecke schuetzten, wurden mit 600 Mann bewehrt, die Schranne mit 100 Mann, die Traidkaesten mit 700 Mann belegt. Inmitten dieses kriegerischen Getriebes fuehlte sich Wolf Dietrich, der in seiner Verblendung den kriegserfahrenen Herzog Max gaenzlich unterschaetzte, nicht nur sicher, er ward geradezu uebermuetig, als ihm gemeldet wurde, dass insgesamt 13000 Mann Buerger, Bauer und Kriegsvolk zu seinem Schutz in Waffen staenden. So harrte der Fuerst eines Angriffes von Bayern her, doch kam weiter nichts als ein Schreiben des Herzogs, und zwar nicht mehr an den Fuersten, sondern an das Domkapitel. Herzog Max mochte wohl ueber die im Kapitel herrschende Stimmung unterrichtet gewesen sein, dass er nun eine Auseinandersetzung mit den Kapitularen und Kanonikern anstrebte, bevor die Waffen sprechen sollten. Eine Kapitelsitzung fand sogleich statt und ergab das Resultat, dass Dompropst Anton Graf Lodron beauftragt wurde, das herzogliche Schreiben dem Erzbischof zu ueberreichen, um jeglichen Schein einer Falschheit zu beseitigen. Bruesk empfing Wolf Dietrich den Propst und fragte sogleich, ob das Kapitel bereit sei, dem Fuersten Hilfe zu gewaehren. Graf Lodron erwiderte: "Gewiss ist das Kapitel bereit, den gnaedigen Herrn und Fuersten zu unterstuetzen!" "Wie? Also doch?! Lamberg hat mich des Gegenteils versichert!" "Hochfuerstliche Gnaden wollen recht verstehen: das Kapitel bietet seine Hilfe an zum schriftlichen Austrag der Streitsache auf Grund des eingelaufenen herzoglichen Schreibens, das zu ueberreichen ich vom Kapitel beauftragt bin!" Zornerfuellt, ergrimmt ueber solche Enttaeuschung rief Wolf Dietrich: "Vom Kapitel brauch' ich zum Kriege Geld! Eure Weisheit koennt fuer Euch selbst behalten Ihr! Und ahnden werd' ich, dass hinter meinem Ruecken wird verhandelt! Das Kapitel hat, so gebiet' ich, der Fuerst und Herr, sich aller weiteren Verhandlungen zu entschlagen! Ich habe mir nimmer von den alten Domherren Vorschriften machen lassen, erst recht nicht von dem jungen Nachwuchs! Das ist meine Antwort auf Euer falsch Gethue!" Wuerdevoll legte Graf Lodron das herzogliche Schreiben auf den Tisch des Fuersten, verbeugte sich, sprach ernst und bedeutungsvoll: "Ich habe im Namen des Kapitels gesprochen, dessen Hilfe in bemeldter Sache angeboten. Das weitere zu befinden, wird das Kapitel nicht muessig sein." Der Dompropst erwies dem Erzbischof alle gebuehrenden fuerstlichen Ehren und ging. Wolf Dietrich konnte im stillen Gemach seine Wut austoben lassen. Zum Abend ward er ruhiger und konzipierte selbst die Antwort fuer das Kapitel auf das bayerische Schreiben, in welchem Max den Nachweis fuer die Widerrechtlichkeit der vom Fuersten vorgenommenen Schritte darzulegen bemueht war. Dieses Konzept ueberbrachte am naechsten Morgen der Untermarschall des Erzbischofs Thomas Perger, der Kanzler Dr. Kurz nebst dem Vizekanzler, Licentiat Gruber, dem Kapitel, und in einer ad hoc einberufenen Sitzung gab der Kanzler die Erklaerung des Fuersten ab, dass der Erzbischof das Kapitel wie das Erzstift gegen alle Feinde genugsam zu schuetzen wissen werde. Das fuerstliche Konzept wurde verlesen und verworfen. Man entliess die Sendboten Wolf Dietrichs mit dem Bescheide, dass das Kapitel es besser erachte, die Antwort an den Herzog von Bayern selbst abzufassen. Ein feierlicher Moment folgte, als die Herren sich entfernt hatten, saemtliche Kapitelherren schwuren auf das Evangelium, einander in dieser Gefahr treu und fest beizustehen. Dann wurde beschlossen, schriftlich den Herzog von Bayern zu ersuchen, dass er die Gelegenheit benutzen moege, um das Erzstift vom Untergang zu retten. Ein Kammerbote musste auf flinkem Ross dieses Schriftstueck nach Burghausen bringen, wo der Herzog weilte und seine Kriegsmacht zusammenzog. Der truebe Oktobertag neigte zur Rueste, da verbreitete sich mit Windeseile in der Stadt Salzburg die Schreckenskunde, dass Herzog Max Muehldorf bereits eingenommen, sich dort habe huldigen lassen, und nun in Eilmaerschen mit 20000 Mann gegen Laufen ruecke. Ein allgemeiner Wirrwarr entstand in Salzburg, ein Schrecken, der die Leute das aergste befuerchten liess, so dass Begueterte zur Flucht sich ruesteten und viele Buerger Miene machten, die Waffen wegzuwerfen. Die Alarmkunde drang auch in die Residenz und erschreckte Wolf Dietrich so sehr, dass er um seinen Weihbischof Claudius schickte und inzwischen in fliegender Hast einen Brief entwarf, worin er den Herzog um Frieden bat, ohne jedoch Zugestaendnisse von Belang zu geben. Mit diesem Briefe musste der Weihbischof eiligst dem Herzog entgegenfahren. Nach dessen Abreise ward der Fuerst wieder ruhiger, und am naechsten Morgen dachte er an keine Gefahr mehr, von der Ueberzeugung durchdrungen, dass der Brief seine Wirkung thun, den Herzog zur Umkehr veranlagen werde. Um 9 Uhr morgens erschien das Kapitel in der Residenz und liess feierlich um Audienz bitten, die sofort gewaehrt wurde. Der Fuerst zeigte sich aber ungnaedig und befahl, es moegen sich die Herren kurz fassen. Domdechant v. Weittingen nahm das Wort, fuehrte aus, dass das Kapitel den Frieden selbst betreiben moechte, weshalb Hochfuerstliche Gnaden erlauben moege, dass vier Kapitulare zum Herzog reisen duerfen. Barsch rief der Erzbischof: "Nein, das erlaube ich nimmer! Das Kapitel versteht von bemeldter Sache nichts und hat kein Interesse daran! Ich bin nicht gesonnen, dem Herzog das Holz zum Sieden zu geben, so lange nicht, bis ich ein ander Wasser trinke! Dabei bleibt es, und die Herren moegen sich nach Hause begeben!" Steif verneigten sich die Kapitelherren, eisig kuehl entfernten sie sich. Diese Ruhe imponierte Wolf Dietrich ungleich mehr, als wenn die Kapitulare stuermischen Protest erhoben haetten. Sie schuechterte den Fuersten geradezu ein, und in seiner Angst liess er den eben heimgeschickten Domdechant Bitten, schleunigst in die Residenz zu kommen. Weittingen gehorchte sofort und erstaunte nicht wenig, als Wolf Dietrich ihn bat, zum Herzog zu reisen und ueber den Frieden zu verhandeln, zu welchem Zweck der Fuerst dem Dechant eine Legitimation einhaendigte. Kaum war Weittingen fort, liess der Erzbischof den Kapitular von Freyberg holen, klagte diesem seine Beaengstigung und bat ihn, ebenfalls zum Herzog zu reisen und den Frieden zu betreiben. Noch am selben Abend erhielt Wolf Dietrich ein Schreiben des Erzherzogs Ferdinand von Inneroesterreich, worin dieser, der auf Bayern eifersuechtig war, seine Vermittlung beim Kaiser anbot. Hoffend, dass dadurch der Anmarsch gehemmt werden koennte, schickte Wolf Dietrich auch dieses Schreiben des Erzherzogs an Maximilian. Boten flogen hin und her, Herzog Max hatte, bevor die Salzburger Gesandtschaft bei ihm eingetroffen war, ein Schreiben an Wolf Dietrich geschickt mit der Aufforderung, den status quo herzustellen binnen zwei Tagen, worauf die Feindseligkeiten beendet werden wuerden. Demuetig schrieb Wolf Dietrich wieder zurueck, es moege kein unschuldiges, katholisches Blut vergossen und ein zehntaegiger Waffenstillstand bewilligt werden, waehrend dessen die beiderseitigen Gesandten ueber die Friedensbedingungen verhandeln sollten. Inzwischen waren aber die Gesandten in Burghausen eingetroffen und vom Herzog empfangen worden. Zur groessten Ueberraschung Maximilians forderten die Domherren aber nicht Frieden um jeden Preis, sie baten, es moege der Herzog den Urheber des Streites, den Erzbischof vom Erzstift beseitigen. Im Flug ueberdachte Maximilian alle Kraenkungen und Schaedigungen, die Wolf Dietrich ihm erwiesen, der Herzog erkannte, dass mit diesem Ansinnen des Kapitels ein hohes Ziel, Salzburg selbst fuer Bayern zu gewinnen sei. Allzeit vorsichtig, gab der Herzog nicht sofort Bescheid, liess die salzburgischen Gesandten reich bewirten und vertroestete sie auf den naechsten Tag. Mit seinen Raeten besprach sich der Herzog schier die Nacht hindurch, und alles ward sorglich erwogen. Was gegen Wolf Dietrich vorliegt, fand genaueste Kritik, den Ausschlag gaben die wohlerfassten Worte der Kapitelsgesandtschaft von "schweren Praktiken zu hoechstem Nachteil des Erzstiftes", Worte, die der herzogliche Kanzler dahin uebersetzte, dass Wolf Dietrich den Uebertritt zum Protestantismus und die Saekularisation des Erzstiftes beabsichtige. Herzog Max erinnerte sich sogleich der aufgefangenen Briefe des Fuersten Christian von Anhalt an Wolf Dietrich mit Andeutungen, dass der bevorstehende Tod des Kaisers die beste Gelegenheit gaebe, die Union mit bewaffneter Hand auszubreiten. Dass in einem Kriege der Union gegen die Liga der Salzburger nicht auf Seite der letzteren stehen wuerde, konnte fuer Herzog Max keinem Zweifel unterliegen. So endete die lange Sitzung mit dem Beschluss, auf den Vorschlag des Salzburger Kapitels einzugehen, Wolf Dietrich aus dem Erzstift zu verjagen. Am Morgen erhielten die Gesandten aber nur den vorsichtigen Bescheid, es beharre der Herzog auf seinen Forderungen: Herstellung des status quo ante, Leistung einer Kaution, auf dass der Fuerst nicht zu Bayerns Nachteil mit anderen in Verhandlungen wegen des Salzwesens trete, und Entscheid binnen zwei Tagen. Die Kapitulare kehrten nach Salzburg zurueck und meldeten dem Erzbischof die Bedingungen des Herzogs. Wolf Dietrich lachte darob und spottete: Mit dem Dutzend Feldstuecke werde der Bayer wohl keine Salzburger Berge einschiessen. Von ihrem Vorschlag zu einer Okkupation Salzburgs und Absetzung des Erzbischofs durch Herzog Max sagten die Kapitulare nichts und zogen sich zurueck. Tags darauf trafen der Weihbischof und Graf Paris Lodron wieder in Salzburg ein, empoert darueber, dass der Herzog sie gar nicht empfangen hatte. Diese Missachtung seiner Sendboten aergerte Wolf Dietrich, im Zorn rief er, diesen Affront bitter raechen zu wollen. Graf Lodron glaubte dem Gebieter doch ein Einlenken empfehlen zu sollen, wasmassen der Stadt wie dem Erzstift grosse Bedraengnis drohe und der Bayer nicht viel Federlesens machen werde. "Blaset doch nicht Truebsal! Ich bin Mannes genug und werd' den Bayer zwingen!" prahlte Wolf Dietrich. "Ihr seid jeden Mutes bar, feige Memmen! Schaut Euch um, ueberall habe ich Mannschaft genug, dem Herzog den Eintritt zu wehren! Verharret Ihr aber in solcher Feigheit, so werde ich Euch tuermen lassen in der Feste!" Betroffen entfernten sich die beiden Herren, denen der Uebermut des Fuersten ebenso unbegreiflich erschien wie seine Zuversicht auf einen geradezu undenkbaren Sieg. Am selben Abend des 22. Oktober lief in der Stadt die Schreckenskunde ein, dass Herzog Max Stadt und Schloss Tittmoning trotz heldenhafter Verteidigung seitens der aus 170 Pinzgauern unter dem Befehl des Hauptmannes Schneeweiss bestehenden Besatzung erobert habe. Als Wolf Dietrich diese Meldung erhielt, rief er: "Macht nichts! Tittmoning ist nicht Salzburg!" und entwickelte nun eine die verzagte Bevoelkerung der Bischofsstadt ueberraschende Thaetigkeit, indem er sein kleines, falbes Ross bestieg und von einigen Offizieren begleitet auf die Schanzen ritt, die Leute zur tapferen Gegenwehr ermunterte und Belohnungen versprach, so recht viele der Bayern weggefangen wuerden. Nach einer Stunde etwa begab sich der lebhafte Fuerst in die Residenz zurueck, dinierte mit den Offizieren, und nachts zehn Uhr ritt er abermals auf die Schanzen und revidierte persoenlich die Wachen, die sich neuerdings verzagt zeigten, da es hiess, der Bayern-Herzog ruecke mit 24000 Mann heran und werde bis zum Morgengrauen vor Salzburg erscheinen. Wolf Dietrich verstummte, es erfasste ihn eine Angst, die er nicht bezwingen konnte. Jaeh riss er sein Ross herum und jagte im Galopp zur Residenz. Vor derselben angelangt befahl er, den Falben gesattelt bereit zu halten, stieg eilig ab und begab sich in sein Arbeitsgemach, um einen Brief an den Herzog zu schreiben. Damit fertig, befahl er, es solle ein Domherr sofort dem Herzog solchen Brief ueberbringen und zwar in der fuerstlichen Hofkutsche. Die Boten sprangen hinueber ins Kapitelhaus, kamen aber sogleich wieder mit der Meldung zurueck, dass keiner der Domherren eine solche Mission uebernehmen wolle. Wolf Dietrich erbleichte bei dieser Kunde, doch fasste er sich schnell und befahl, es solle der Guardian der Kapuziner nebst einem Ordensgeistlichen zum Herzog fahren und den Brief ueberbringen. Diese Geistlichen wurden aus den Zellen geholt und vor den Fuersten gebracht, der dem Guardian hastig instruierte und auftrug, dem Herzog zu sagen: Der Erzbischof wolle fuer seine Person lieber das Aeusserste dulden, bevor er seine Unterthanen in ein Blutbad stecke. Demuetig sprach der Guardian: "Hochfuerstliche Gnaden, ich gehorche! Aber es ist zweifelhaft, ob ich den Herzog rechtzeitig noch erreiche und...." "Kein aber! Fort! Fahret im Galopp!" Die Patres wussten kaum, wie sie in den Hof gelangten, die erregte Dienerschaft draengte sie in die Kutsche, die Pferde zogen an, in rasender Eile rasselte das Gefaehrt durch die Stadt zur bayerischen Grenze. Allein in seinem Gemach ueberliess sich Wolf Dietrich voellig der Angst, er warf sich auf den Betstuhl und flehte um die Hilfe des Allmaechtigen. Doch kein Himmelstrost wollte ihm werden durch das Gebet, die Furcht war uebergross, die Gedanken jagten einander; jaeh schrie der gepeinigte Fuerst auf, ein Gedanke war ueber ihn gekommen: Salome! Die Kinder! Soll seine Familie dem rachegierigen Herzog in die Haende fallen, buessen die Unschuldigen fuer den Vater? Aufspringend, zitternd am ganzen Koerper, rief Wolf Dietrich mit heiserer Stimme die Kaemmerlinge herbei und befahl, es solle sofort alles zur Flucht bereit gehalten werden, Wagen und Truhen, man solle alle Schaetze und Geld verpacken. Dieser Befehl rief voelligen Wirrwarr hervor. Der Fuerst eilte hinueber in den Hof, befahl einigen Dienern, ihm zu folgen, und ritt im schaerfsten Tempo trotz Nacht und Wind nach Schloss Altenau, das alsbald alarmiert ward. Kammerfrauen mussten Salome wecken und die Kinder aus den Betten holen und ankleiden. So gross der Schreck ob dieser Alarmierung war, Frau von Altenau zeigte sich gefasst, als Wolf Dietrich verstoert zu ihr ins Nebengemach trat und von namenloser Angst gefoltert zu eiligster Flucht draengte. Ein Blick aus Salomens blauen Augen traf fragend den bebenden Fuersten. "Ja, ja, Salome! Alles ist verloren! Ich hab' verspielt! Klage nicht, spute dich! Ich muss dich und die Kinder retten vor dem rachegierigen Bayer! Reise sogleich ab, die Wagen werden sofort kommen. Fliehe ins Gebirg, in Friesach oder Gmuend treffen wir zusammen!" "Es wird geschehen, wie mein Herr befiehlt! Muss aber so ueberstuerzt die Flucht ergriffen werden?" "Ohn' Verzug! Wir sind keine Stunde mehr sicher! O Gott, steh' uns bei! Rette dich und die Kinder!" "Und mein gnaediger Herr?" "Ich will auf die Rueckkunft der Kapuziner warten!" "Dann ist es meine Pflicht auszuharren...." "Nein, nein! Flieh' sofort und bring' die Kinder in Sicherheit!" Wolf Dietrich umarmte die treue Frau, bat sie, alles eiligst zu besorgen, und entfernte sich, muehsam den Trennungsschmerz niederkaempfend. In wenigen Stunden dieser Nacht war alles zur Flucht bereit gestellt. Sieben Wagen wurden mit allem Silbergeschirr und den in grosser Eile zusammengerafften Kleinodien, dem Kirchenschatz und Bargeld, in Truhen verpackt, beladen und in der Morgendaemmerung in der Richtung nach Golling abgeschickt. Mit zwei Soehnen und drei Toechtern samt grossem Gefolge fuhr Salome diesen Wagen nach, gefasst, doch mit Thraenen in den Augen. Ein letzter Blick galt, als das Steinthor im Ruecken lag, der Stadt, der nun verlorenen Heimat. Da laehmte ein Gedanke schier Kopf und Herz, der Gedanke an den in Groll geschiedenen, zu Salzburg begrabenen Vater und an seinen Fluch, der sich nun zu erfuellen scheint. Welch' ein Abschied von der Heimat! Ein Sturz von schwindelnder Hoehe!---- Die Flucht Salomens und Wolf Dietrichs Kinder, die Fortschaffung aller Schaetze und Kostbarkeiten gab fuer die wohlhabenderen Salzburger das Zeichen zur allgemeinen Flucht; wer konnte, brachte sich und seine Habe in Sicherheit, kaum konnten genug Fuhrleute beschafft werden, um Hausrat und Waren fortzubringen. Fuer die Zurueckbleibenden gab es Schrecken genug durch die immer drohender lautenden Geruechte; hiess es doch, der Bayern-Herzog habe geschworen, die Stadt zu zerstoeren, den Erzbischof lebendig oder tot zu fangen, er wolle Salzburg von diesem "Tuerken" befreien, und das Schwert des Herzogs werde nimmer ruhen, bis der Erzbischof unschaedlich gemacht sei. Nichts als Schrecken und dazu noch Hungersnot; es gebrach an Lebensmitteln, so dass in Salzburg fast kein Laib Brot mehr zu finden war. Noch wartete Wolf Dietrich auf die Rueckkehr der ausgesandten Kapuziner; wie der Ertrinkende sich an einen Strohhalm klammert, so hoffte der gebrochene, verzweifelnde Fuerst noch auf eine Nachricht, auf Verzeihung des gefuerchteten Herzogs. In seiner Angst wollte Wolf Dietrich nicht mehr allein bleiben, er sehnte sich nach Zuspruch und liess die Kapitulare Toerring und Freyberg bitten, ihn zu besuchen. Die Herren kamen und troesteten wohl, doch riet Freyberg, es solle der Fuerst doch lieber Salzburg verlassen und auf Hohenwerfen so lange Quartier nehmen, bis der Streit beigelegt sei; auch wuerden die Verhandlungen dadurch erleichtert werden. Hatte Wolf Dietrich Thraenen vergossen, der Ratschlag, nach Hohenwerfen zu gehen, rief Misstrauen wach, der Fuerst mochte ahnen, dass er nur zu leicht wuerde auf jener einsamen Burg gefangen gehalten werden. So sprach er denn schmerzbewegt: "Nein, Hohenwerfen, so lieb ich die Burg habe, sie bot mir vor vierundzwanzig Jahren die schoensten Stunden meines Lebens, Hohenwerfen betret' ich nimmer! Lieber geh' ich nach Kaernten!" Graf Toerring warnte vor jeglicher Flucht; wolle der gnaedige Fuerst nicht nach der sicheren Burg Werfen, sei es besser, den Herzog zu Salzburg zu erwarten. Das wollte nun Wolf Dietrich in seiner Angst auch nicht thun; er verabschiedete die Kapitulare und harrte in tiefster Kuemmernis der Kapuziner. Der Sonntag verging; die einsamen Stunden benutzte Wolf Dietrich zum Schreiben von Erklaerungen. In einer derselben verteidigte er sich gegen die Beschuldigung, als ob er mit den protestantischen Kurfuersten korrespondiert und daher kein guter Katholik waere. "Daran geschehe ihm unrecht, indem er bei dem katholischen Glauben leben und sterben wolle. Er wisse auch wohl, dass er wider Ihre fuerstliche Durchlaucht gehandelt, begehre derowegen Gnad und Verzeihung."--Das zweite Schreiben war an das Domkapitel gerichtet und gab diesem die Vollmacht, waehrend seiner Abwesenheit dem Erzstift in seinem Namen vorzustehen und das zu thun, was den Unterthanen am zutraeglichsten sein wuerde. Wolf Dietrich liess diese Briefe auf seinem Schreibtische liegen, damit sie leicht gefunden werden konnten. Als gegen acht Uhr abends an diesem schrecklichen Sonntag die Kapuziner noch immer nicht zurueckgekehrt waren, gab der Fuerst alle Hoffnung auf und befahl, es solle alles zu seiner Abreise bereit gehalten werden. Rasch vertauschte Wolf Dietrich sein Priesterkleid mit der spanischen Rittertracht, schnallte das Rappier um, setzte den Federhut auf den Kopf und schritt durch die Gemaecher, wobei er zu den bestuerzten Kaemmerern sprach: "Behuet' euch Gott und sehet euch um einen anderen Herrn!" Ordregemaess harrten im Hofe Vizemarschall Perger mit sechs Dienern, dem Koch, zwei Rossbuben, dem Kammerdiener Maertl und drei reisigen Knechten. Beim Scheine der Fackellichter warf der Fuerst einen letzten Abschiedsblick auf seine Residenz, seufzte tief und bestieg den Falben. Der stille Ritt ging hinaus durchs Steinthor, hinter welchem in schneller Gangart der Pferde die Strasse gen Golling genommen wurde. Die Flucht des Erzbischofs wirkte in Salzburg aerger als die Furcht vor dem anrueckenden Feinde. Im Kapitelhause jedoch wurde es lebhaft. Dem Propst war das zurueckgelassene Schreiben Wolf Dietrichs sogleich eingehaendigt worden, und damit hatte das Domkapitel die Vollmacht zu selbstaendigem Handeln. Sofort wurde der Befehl zur Entlassung und Fortschaffung des geworbenen Kriegsvolkes gegeben, auch die Buerger mussten die Waffen niederlegen, jede Verteidigungsmassregel wurde aufgehoben. Kapitular Freyberg und Licentiat Gruber ritten noch vor Mitternacht aus der Stadt, dem Herzog entgegen, um die Flucht des Fuersten und die Regierungsuebernahme seitens des Domkapitels anzuzeigen und zu melden, dass der Herzog im Erzstift nun nach seinem Gefallen schaffen koenne. Das erste Verlangen Maximilians galt der Raeumung Berchtesgadens und der Holzlieferungen fuer das Reichenhaller Sudwerk, Forderungen, welche das Kapitel bereitwilligst bewilligte. Ja noch mehr: das Kapitel drang darauf, dass die Salzfrage geloest werde und der Herzog auch eingreife, den Erzbischof in persona und die Gueter dem Erzstift wieder zurueckzubringen. Maximilian zauderte; es hatte doch etwas Missliches, den Erzbischof, einen vornehmen Reichsstand und hohen geistlichen Wuerdentraeger verfolgen und verhaften zu lassen. Es widerrieten auch die Hofraete des Herzogs einer solchen Massregel. Da aber die Gesandten Namens des Kapitels erklaerten, dass im Erzstift nicht frueher Ruhe werde bis nicht Wolf Dietrich definitiv abgesetzt und gefangen sei, so gab der Herzog am 25. Oktober den Befehl zur Verfolgung des Erzbischofs durch 100 Reiter unter dem Befehl des Rittmeisters Hercelles, der noch in der Nacht ins Gebirg aufbrach und hinter dem Fluechtling einherjagte. Tags darauf ritt Herzog Max, vom Kapitular Freyberg und Licentiat Gruber begleitet, gefolgt von 200 Reitern und 1000 Mann Pikenieren und Schuetzen, in Salzburg ein. Scheu hielten sich die Buerger in den Haeusern, der Pluenderung gewaertig. Doch zum freudigen Erstaunen liess der Herzog auf dem Marktplatz halten und durch den Profossen verkuenden: "Wenn sich ein Knecht ungebuehrlich halten wuerde oder bei eines Pfennig Wert entwendet, soll der Profoss Macht und Gewalt haben, Hand anzulegen und solchen Uebelthaeter an den lichten Galgen zu henken." Und sogleich begannen Zimmerleute aus der bayerischen Heeresmacht an der Pfeifergasse und an anderen Orten Galgengerueste aufschlagen. Dann ritt Maximilian freudigen Herzens, einen Sieg errungen zu haben, ohne jedes Opfer, zur Residenz, wo ihn der Domdechant mit den Kapitularen feierlich empfing und als Geschenk einen "schoenen Schreibkasten" anbot, den Wolf Dietrich dem Koenig Mathias zur Hochzeit bestimmt hatte und der tausend Gulden gekostet hatte. Ein Festmahl schloss sich dem feierlichen Empfang an, und waehrend desselben erklaerte der Herzog, dass er sich nur als Protector urbis betrachte und sich nicht in die Landesregierung des Erzstiftes einmengen wolle. Inmitten dieses glaenzenden Mahles, das allerdings nur durch die grossen Anstrengungen in Zufuhr von Lebensmitteln aus benachbarten Staedten und Doerfern ermoeglicht werden konnte und wofuer das Kapitel keine Kosten scheute, traf erschoepft und wund geritten zu allseitigem Erstaunen der Untermarschall Perger mit einem neuen Schreiben des geflohenen Erzbischofes ein, mittels dessen Perger zur Abgabe von Erklaerungen legitimiert erschien. Um eine Stoerung der Versammlung zu vermeiden, wollte der Dechant den Vizemarschall erst am naechsten Tage vornehmen, allein der Herzog hatte von dessen Ankunft bereits gehoert und war neugierig darauf, was der Fluechtling wolle melden lassen. So ward Perger denn vorgelassen und seine Erklaerung lautete zur nicht geringen Befriedigung des Kapitels: der Erzbischof habe niemals beabsichtigt, protestantisch zu werden, wollte auch niemals das Erzstift saekularisieren, er sei vielmehr bereit, aus Liebe zum Frieden gegen eine jaehrliche Pension zu--resignieren. Der Herzog schmunzelte, und die Kapitulare nicht minder. * * * * * Wolf Dietrich hatte in maessigem Tempo die Nacht hindurch den Weg ueber den Pass Lueg zurueckgelegt; im Morgengrauen ritt er vorueber an seiner Burg Hohenwerfen[19], welcher ein wehmutsvoller Blick geweiht ward. Wie gluecklich fuehlte sich der damals junge Fuerst an Salomes Seite auf dieser Feste, und jetzt muss Wolf Dietrich auf Pferdesruecken sein Heil in rascher Flucht suchen! Kalt und starr ragte das Gemaeuer aus dem Tannengruen auf, und kraechzende Raben flogen ueber die Burg hinweg. Es froestelte den Fuersten trotz des anstrengenden Rittes. Die vom Nachtnebel genaesste Reichsstrasse fuehrte durch das stille, traumumfangene Dorf Werfen. Kaum dass ein Hund die Kavalkade anbellte, als Hufgeklapper hoerbar wurde. Tiefernst ward des fluechtigen Fuersten Blick, als Wolf Dietrich am Friedhof des einsamen Dorfes vorueberritt; dort wird wohl jener Pfarrer begraben liegen, der einst so grimmig wetterte gegen das Verhaeltnis des Erzbischofes zu Salome. "Ruh' in Frieden!" fluesterte der Fuerst, und seine Gedanken galten dann der geliebten Frau, die mit ins Unglueck gerissen ward samt den Kindern. Ob Salome wohl die sichere Grenze Kaerntens schon erreicht haben wird? Der Zeit nach, mit dem Vorsprung von zwei Tagen, waere dies moeglich. Gerne haette der Fuerst hierueber Erkundigung eingezogen, doch um so fruehe Stunde ist keine Menschenseele sichtbar. Weiter! Der Nebel in den tiefverhaengten Bergen ging in Regen ueber, als die Kavalkade sich der ummauerten Stadt Radstadt naeherte. Gerne wollte Wolf Dietrich zukehren, Nachfrage ueber Salome halten; doch der vorsichtige Untermarschall Perger bangte fuer seinen Herrn, er wagte keine Einkehr von wegen der bedrohlichen Naehe der nahen steierischen Grenze und des missguenstigen Bergortes Schladming. Die Pferde wurden im Dorfe Altenmarkt vor Radstadt gefuettert, fuer den Fuersten und das hungrige Gefolge rasch ein karger Imbiss bereitet. Dann ward weitergeritten, den Tauern zu, hinueber auf beschwerlicher Reise nach Moosheim. All' die Schrecken der Hochgebirgswelt mit Sturm, Schnee und Regen mussten durchgekostet werden, bis die Tauernhoehe ueberquert war. Im einsamen Oertchen Tweng hielt der muede Fuerst einen Bauer an und fragte nach Salome und ihrem Gefolge. Der Gebirgler verstand kein Wort, grinste den Reiter an und schuettelte den struppigen Kopf. Spaet abends ward Moosheim jenseits des Tauern erreicht und hier Quartier genommen. Wolf Dietrich entschloss sich, einen Brief an das Kapitel zu schreiben, ihm war der Gedanke gekommen, durch eine Resignation doch wenigstens eine Pension zu retten. Mit dem fertigen Brief und einer entsprechenden Information musste Perger auf frischem, requiriertem Ross zurueck nach Salzburg reiten. Wenige Stunden nach Wolf Dietrichs Ankunft trafen die vorher avisierten Herren Rudolf v. Raittenau, des Fuersten juengerer Bruder und Vizedom von Friesach, und Christof von Welsperg in Moosheim ein, die das Geleite Wolf Dietrichs nach Kaernten zu uebernehmen hatten. Der Fuerst begruesste die Herren durch freundlichen Haendedruck und mit wenigen Worten. "Ein schmerzlich Wiedersehen!" meinte er unter bitterem Laecheln zum Bruder, der troesten wollte und aengstlich zur alsbaldigen Fortsetzung der Flucht zur Grenze draengte. Doch Wolf Dietrich wollte laengere Rast hier halten und glaubte, die Entfernung und die dazwischen liegenden Tauern werde genuegende Sicherheit bieten. Zudem war die Witterung trostlos geworden, der Ritt nochmals zur Passhoehe des Katschberges drohte strapazioes zu werden. So blieb der Fuerst, meist in sein Gemach eingeschlossen, zwei Tage in dem elenden Nest. Rudolf Raittenau misstraute der Situation in hoechstem Masse und hatte gleich nach seiner Ankunft in Moosheim einen berittenen Boten zurueck nach Radstadt geschickt, um beim dortigen Pfleger Kundschaft ueber etwaige Ereignisse zu Salzburg und eine moegliche Verfolgung des fluechtigen Erzbischofs einzuziehen. In der Nacht zum 27. Oktober kam dieser Bote auf dampfendem Ross zurueck und ueberbrachte die alarmierende Kunde, dass Salzburg von bayerischen Truppen besetzt sei und das Domkapitel Befehl an alle Pfleger und salzburgischen Beamten erlassen habe, den Erzbischof gefangen zu nehmen und nach Salzburg einzuliefern. Nun gab es fuer den besorgten Rudolf v. Raittenau kein Zaudern mehr, der Fuerst wurde geweckt, alle Vorkehrungen getroffen, und in fruehester Morgenstunde, ungeachtet der gefahrvollen Witterung, erfolgte der Aufbruch. Keuchend erklommen die schnaubenden Rosse den steilen Katschberg. Seltsamer Weise war bei diesem Ritt der zur Fuehrung bestimmte salzburgische Postmeister Hans Rottmeyer nicht an der Spitze geblieben und hatte seinen Platz hinter den Herren eingenommen. Wolf Dietrich sass vertieft in trueben Gedanken im Sattel, sodass er fuer alles um sich kein Interesse hatte. Die Herren hingegen trachteten, so schnell wie moeglich an die Grenze von Kaernten und damit in Sicherheit zu kommen. Rottmeyer hielt, so oft sich Gelegenheit bot, nach rueckwaerts Ausguck, es schien, als erwarte er jemanden, der nachkommen werde. Die letzte Ortschaft auf salzburgischem Boden, Kremsbruecken, war erreicht, die erschoepften Rosse draengten instinktmaessig zur Taverne. Rudolf v. Raittenau bat, die Reise bis zum nahen kaerntnerischen Gmuend fortzusetzen und erst jenseit der Landesgrenze einzukehren. "Die Ross' muessen getraenkt werden!" erklaerte der fuer den Tross verantwortliche Postmeister und fuegte in auffallend despektierlichem Tone bei, dass er sich seine Pferde nicht ohne besondere Entschaedigung zu Schanden reiten lasse. Wolf Dietrich hielt selbst ein so scharfes Fluchttempo fuer unnoetig und gab Befehl zum Traenken der Rosse. "Im Sattel bleiben!" rief Rudolf v. Raittenau, dem Unheil schwante. So verging eine Halbstunde, zumal der Postmeister auch noch die Sattelgurten anziehen liess und den Hufbeschlag revidierte. Misstrauisch betrachtete Rudolf diese Vorkehrungen, so sehr sie sonst ja einleuchtend und gerechtfertigt erscheinen mussten. Und wie fortgezogen ritt der juengere Raittenau voraus und hielt inmitten der gegen Eisentratten-Gmuend fuehrenden Strasse Umschau, insbesondere zurueck gen den Katschberg. Ploetzlich zuckte Rudolf zusammen, blickte schaerfer hin, kein Zweifel, ein Reitertrupp jagte heran. Das koennen nur Feinde sein, vielleicht bayerische Reiter, die Wolf Dietrich abfassen wollen. Wie Wirbelwind sprengte Rudolf zur Taverne, schrie Alarm und draengte zur schleunigsten Flucht. "Rottmayer an die Spitze!" befahl der bleichgewordene Fuerst. Der Postmeister jedoch machte keine Miene, sein Ross zu besteigen und erklaerte hoehnisch: "Wir sind hier bereits auf kaernterischem Boden, ich bin hier nicht mehr Euer Diener!" Zornig wollte Wolf Dietrich den feigen Unterthanen sogleich strafen, doch Rudolf griff in des Falben Zuegel und riss das Ross mit sich vorwaerts. "Fort, fort, Galopp! Die Bayern kommen hinter uns!" schrie der besorgte Bruder. Kostbare Minuten vergingen, bis die Pferde voellig auf der Strasse waren und in Galopp uebergingen. Wohl jagten die beiden Raittenau voraus, doch die bayrischen Reiter waren scharf hinterdrein, der Abstand verminderte sich zusehends, und knapp vor dem Staedtchen Gmuend war der bayerische Rittmeister Hercelles auf Pferdelaenge in die Naehe des Fuersten gekommen. "Halt!" rief Hercelles und hob die Schusswaffe. Wie Sturmgebraus prasselten fuenf bayerische Reiter heran, bogen vor dem sein Pferd parierenden Fuersten aus, und umringten die Brueder wie den Tross mit blank gezogenen Pallaschen. "Herr Erzbischof! Ihr seid mein Gefangener!" rief Rittmeister Hercelles, trieb seinen Gaul zum Fuersten und forderte den Degen ab. Einen Blick der Verzweiflung richtete Wolf Dietrich auf seine Begleitung, sein Bruder hatte blank gezogen, senkte aber in Erkenntnis der Unmoeglichkeit eines Durchschlagens die Wehr. Bleich, zitternd hob Wolf Dietrich das Rappier aus dem Gehaenge und ueberreichte es Hercelles mit den Worten: "Nun ist alles verloren! O Gott, ich habe solch' Schicksal verdient und bin an allem Schuld! Gott der Allmaechtige muss mich billig meiner Missethat wegen strafen! Hier das Rappier, ich bin Euer Gefangener!" "Ich habe Befehl, Euer Gnaden nach Werfen zu bringen! Zunaechst geht es zurueck nach Moosheim!" sprach Hercelles. "Ich gehorche!" erwiderte Wolf Dietrich fassungslos und liess das Haupt nach vorne sinken. Gierig stuerzten die bayerischen Reiter sich auf den Erzbischof, banden ihn fest auf den Sattel gleich einem Raeuber und Moerder, dann jagten sie die Dienerschaft davon und nahmen das fuerstliche Reisegepaeck zur willkommenen Beute. Wolf Dietrich duldete stumm. Rudolf von Raittenau protestierte, erzielte aber lediglich die brueske Antwort Hercelles', dass das Kriegsrecht sei und mit einem vogelfreien Fluechtling keine Umstaende gemacht werden wuerden. Passe es dem jungen Herrn nicht, wuerde auch er gefesselt zuruecktransportiert und in der Burg Hohenwerfen getuermt. Der Vitztum Rudolf pochte auf seine Stellung und seinen Rang als Edelmann, worueber der Rittmeister so zornig ward, dass er auch diesen Raittenau fuer "vogelfrei" erklaerte, worauf die bayerischen Reiter dem Vizedom die Kleider vom Leibe rissen und ihn gleichfalls festbanden. Mit Stricken ward auch Herr v. Welsperg auf sein Ross gebunden. Hohnlachend trieben die Reiter nun ihre Gefangenen auf der Strasse ueber den Katschberg zurueck nach Moosheim, wo sie in einer Stube interniert und bewacht wurden. Tags darauf ging diese erzwungene Reise nach Werfen. Unterwegs drang zu Wolf Dietrichs Ohr die schreckliche Kunde, dass Salome mit den Kindern in Flachau gleichfalls gefangen genommen sei, doch konnte der nun voellig gebrochene Fuerst nichts ueber den Ort ihrer Verbringung erfahren. Nacht ward es, als der traurige Zug Werfen erreichte, und unter Fackelschein ging es hinauf zur Burg Hohenwerfen, deren festestes Gemach mit vergittertem Fenster dem gefangenen Erzbischof und entthronten Fuersten zum Kerker bis auf weiteres angewiesen und scharf bewacht wurde. Allein hinter Schloss und Riegel warf sich Wolf Dietrich in die Kniee und ueberliess sich weinend dem Jammer um das verlorene Glueck des Lebens. Interniert blieben auch die anderen Gefangenen auf Hohenwerfen unter dem Burgkommandanten, dem bayerischen Offizier Liegeois, der mit Strenge seines Amtes als Kerkermeister waltete. * * * * * Nur kurze Zeit (bis zum 6. November) verblieb Herzog Maximilian in Salzburg, doch genuegte dieser kurze Aufenthalt, um herauszufuehlen, dass Salzburgs Volk dem Okkupator ebenso misstraute als es dem vielgeschmaehten Landesherrn Wolf Dietrich trotz seiner Fehler die Anhaenglichkeit bewahrte. Auch liefen nicht eben erfreuliche Nachrichten aus dem Reiche beim Herzog ein, unter anderem auch die Kunde, dass der Kaiser den Gewaltakt missbillige, verschiedene Reichsstaende den Verdacht hegten, dass es dem Herzog von Bayern ueberhaupt nur um Eroberung und Einverleibung Salzburgs zu thun sei. Bei solcher Stimmung innerhalb der Reichsstaende und angesichts der Schadenfreude der Unionisten hielt es der Herzog geraten, solchen Verdacht von sich abzuwaelzen, und zwar durch Briefe an den Kaiser und einige an die Reichsstaende inhaltlich der Erklaerung, dass der Erzbischof nicht Gefangener Bayerns, sondern des Domkapitels sei, daher auch nicht Bayern, sondern das Kapitel das Erzstift administriere. Zugleich reiste Maximilian zurueck nach Muenchen und rief auch seine Truppen auf bayerisches Gebiet zurueck. Dass man Wolf Dietrich nicht hinter Burgmauern zu Grunde gehen lassen koenne, fuehlte man im Kapitel doch bei allem Hass gegen den Fuersten. Zunaechst wurde ein Kurierdienst zwischen Salzburg und Werfen eingerichtet und dem Erzbischof zu wissen gethan, dass bezueglich seiner Zukunft Verhandlungen angeknuepft werden wuerden. Wolf Dietrich verlangte den Domherrn Nikolaus von Wolkenstein zu geheimer Zwiesprache, doch dieser Kapitular lehnte es ab, den Erzbischof zu besuchen. Verbittert forderte der Fuerst sein Brevier und Zulassung seines Beichtvaters P. Magnus. Inzwischen hatte das Kapitel beschlossen, den Domherrn v. Freyberg und Vizemarschall Perger zur Entrierung der Verhandlungen nach Hohenwerfen zu senden, und am 30. Oktober trafen beide Herren in der Burg daselbst ein. Der Kommandant Liegeois verweigerte ihnen den Zutritt zum Erzbischof rundweg und so lange, bis nicht vom General Tilly spezieller Befehl hiezu erfolgt sei. Mit keinem Auge bekamen die Gesandten ihren einstigen Gebieter zu sehen, sie mussten unverrichteter Dinge nach Salzburg zurueckfahren. Das Kapitel erhob nun im schriftlichen Wege Beschwerde zum Herzog nach Muenchen. Die lange Zwischenzeit bis zur Antwort blieb Wolf Dietrich ohne Zuspruch gefangen in Hohenwerfen. Endlich kam von Maximilian die Erlaubnis zum Beginn der Unterhandlungen mit Wolf Dietrich, dem aber zu bedeuten sei, dass der Erzbischof Gefangener Bayerns(!) sei; auch duerfen die Gueterwagen, welche man der Frau v. Altenau abgenommen habe, unverletzt nach Salzburg zurueckgebracht und dem Kapitel ausgefolgt werden. Zu den Verhandlungen mit Wolf Dietrich wurden die Kapitulare v. Toerring, v. Wolkenstein, Graf Paris Lodron und Untermarschall Perger abgeordnet, die alsbald--es war der November ins erregte Land gezogen--nach Werfen uebersiedelten. Das Kapitel beauftragte auch den Pfleger von Radstadt, Frau v. Altenau und ihre Kinder freizulassen, sofern sie das eiserne Kistchen mit Juwelen samt Schluessel an das Kapitel schicke. Ihr Eigentum werde nach vorgenommener Besichtigung wieder ausgefolgt werden. Salome gehorchte und reiste alsbald mit den Kindern nach Steiermark ab; spaeter uebersiedelte sie nach Wels, wo sie lebenslang in Trauerkleidern blieb, viel weinte und ihr Leben in verhaeltnismaessig jungen Jahren beschloss[20], ohne je ihren geliebten Herrn wiederzusehen. Im Kerker fand Wolf Dietrich maehlich seinen alten Stolz und Trotz wieder, besonders trug zu seiner Erbitterung der Wechsel in der Burgkommandantur bei, indem der ohnehin brueske Liegeois durch den rauhen Obristleutnant Hannibal von Herleberg ersetzt wurde, welcher spezielle Befehle direkt vom Herzog Max bekommen hatte. An einem trueben Novembertag begann die Kommission des Kapitels im Burgsaale, wohin Wolf Dietrich gefuehrt wurde, die Verhandlung. Die Herren erschraken ob des ueblen Aussehens des Erzbischofs, dessen Antlitz totenbleich und, seit langem der Pflege entbehrend, von wirrem Bart umwuchert war. Geroetet schienen die Augen, doch funkelten sie im alten Feuer, trotzig klang die Stimme, aufrecht stand der Erzbischof und begruesste die Gesandten wie im Vollbesitz seiner Macht durch hoheitsvolles Kopfnicken. Nur Perger sprach er freundlich an, wenn auch nur mit wenigen Worten. Als man Platz in den hohen Stuehlen genommen und Graf Lodron das Wort nehmen wollte, fuhr Wolf Dietrich auf und rief heftig: "Ein Wort zuvor! Wie lange soll meine Haft auf meiner Burg waehren?" Lodron raeusperte sich verlegen, die Kapitulare zuckten die Achseln. "Eh' ich nicht weiss vom baldigen Ende widerrechtlicher Haft, will von Resignation ich nimmer hoeren!" Zoegernd sprach Graf Lodron: "In Freiheit, so glaubt das Kapitel, werden Euer Gnaden nicht nach Wunsch die noetige Urkund' unterzeichnen, daher muss die Haft bis dahin waehren!" Wolf Dietrich sprang auf und rief grollend: "Nimmer werd' ich einwilligen! Nur wenn frei, setz' meinen Namen ich darunter! Sagt das den undankbaren Herren! Gewalt zwingt keinen Raittenau!" Der Obristleutnant Herleberg trat in den Saal, angelockt von dem Laerm der Stimme des Gefangenen. Erbost darob protestierte Wolf Dietrich energisch gegen die Einmischung eines bayerischen Buettels. Nun machte der Offizier ein rasches Ende, erklaerte mit zornbebender Stimme, dass die Haft verschaerft werde durch Entzug von allem Schreibmaterial und kuenftig niemand ausser den Kapitularen zugelassen werden wuerde. Hochfahrend hoehnte Wolf Dietrich: "Wollt selbst die Buettelwach' Ihr halten, sei's drum, nur bleibet aussen und verschont mich vor Eurem Anblick!" Soldaten traten ein, um den Gefangenen in den Kerker zurueckzufuehren. Wolf Dietrich wandte sich schnell zu Perger und fragte ihn, wo Lamberg weile. Die Auskunft, dass der Getreue nach Gurk verzogen sei, stimmte den Erzbischof ersichtlich truebe, ruhig liess er sich hinwegfuehren. Mit groesster Strenge, die sich zu raffinierter Grausamkeit steigerte, ward Wolf Dietrich auf Hohenwerfen gefangen gehalten; das Fenster seines Kerkers wurde mit einem Brett verschalt, so dass nur gedaempft in mattem Strahl das Tageslicht eindringen konnte; alle Schreibmaterialien blieben dem an geistige Thaetigkeit gewoehnten Fuersten entzogen, und Obristleutnant Herleberg wachte darueber, dass niemand Zutritt zum Gefangenen erhielt. Vergeblich wandte Wolf Dietrich sich an den Diener, der stumm zu bestimmten Tageszeiten die Speisen brachte, um Auskunft ueber den mitgefangenen Bruder Rudolf v. Raittenau zu erhalten. Es nuetzte ein zorniger Befehl so wenig wie die ruehrende Bitte des gestuerzten Landesherrn. Oft war Wolf Dietrich daran zu verzweifeln; auf den Knieen flehte er zum Allmaechtigen um Beistand und verrichtete inbruenstig die Gebete. Maehlich ward der Erzbischof ruhiger, damit aber auch hoffnungslos und kleinmuetig. Wieder verging eine Woche, bis die Gesandten des Kapitels auf Hohenwerfen erschienen. Auf Verlangen wurde Untermarschall Perger zunaechst allein in den Kerker gefuehrt. Erschuettert stand Perger vor seinem gedemuetigten Herrn und Fuersten und weinte bittere Thraenen beim Anblick Wolf Dietrichs, der ihn mit schier gebrochener Stimme begruesste und nach Rudolf und Salome fragte. Perger vermeldete die Befreiung Salomes und ihre Abreise nach Steiermark; bezueglich des Vizedoms Rudolf v. Raittenau werde die Freilassung erfolgen, sobald die Verzichtsurkunde unterzeichnet sein wird. Aengstlich fragte Wolf Dietrich, wie es mit der Dotation Salomes und der Kinder gehalten werden solle. Perger konnte nur sagen, dass auch hierfuer Sorge getragen werde, nur bestuende das Kapitel zunaechst auf der Resignation. In Thraenen ausbrechend schlug der Fuerst die Haende vor das Antlitz und schluchzte. Nach einer Weile erhob sich Wolf Dietrich, er hatte den schweren Entschluss gefasst und sprach: "Wohlan! Ich will die Urkund' unterzeichnen! Fuehre mich!" Der Kerker wurde geoeffnet; von Perger geleitet und von bayerischen Soldaten gefolgt, schritt der Erzbischof durch die Burgraeume zum grossen Saal, wo die Kapitulare versammelt waren, die sich beim Eintritt des Fuersten achtungsvoll erhoben und stumm durch Verbeugungen gruessten. Kuehl richtete Graf Lodron an Wolf Dietrich die Frage, ob dieser bereit sei zur Anhoerung der Urkunde. Der Fuerst nickte und liess sich dann seufzend in einen Stuhl sinken. Laut und deutlich verlas Graf Lodron das lange Schriftstueck, dessen Hauptpunkte lauteten: 1. Wolle Erzbischof Wolf Dietrich von Raittenau freiwillig resignieren und dem Papst um die Einwilligung schreiben; 2. soll der Erzbischof in des Domkapitels Verwahrung seinem Stande gemaess gehalten werden, jedoch stehe es ihm frei, beim Papst und Herzog Max von Bayern um die Entlassung anzusuchen; 3. dem Erzbischof sollen zu einer jaehrlichen Pension 20000 Gulden bezahlt werden; 4. sollen demselben noch besonders 10000 Gulden zu einer Abfertigung erstattet werden; 5. anstatt des Silbergeschirres gebe man ihm 5000 Gulden und eine standesgemaesse Fahrnis; 6. alle ausstehenden Gelder und Schuldverschreibungen sollen dem Erzbischof zur freien Verfuegung eingehaendigt werden; 7. sollen demselben alle seine Kleider, Kleinodien &c. zugestellt werden nach des Domkapitels Befinden; 8. alle bei dem Erzstift vorhandenen Schulden sollen ohne Entgeld des Erzbischofs bezahlt werden; 9. gleichwie das Domkapitel an den Erzbischof weiter nichts zu suchen habe, also soll auch dieser solches zu thun nicht Macht haben; sondern das, was vorgefallen, soll beiderseits ganz vergessen sein; jedoch soll alles dieses erst nach eingelangter paepstlicher Bestaetigung in seine Wirkung kommen; 10. soll des Erzbischofes Bruder Rudolf, Vizedom zu Friesach, bei allen seinen Guetern ruhig verbleiben und die Versicherung dessen durch das Domkapitel auch bei dem Herzog von Bayern ausgewirkt werden; 11. soll sich das Kapitel bei dem Herzog von Bayern dahin verwenden, dass dem Erzbischof bis zu voelliger Entledigung eine groessere Freiheit als bisher gestattet werde; 12. weil dann, was die Bewilligung der Freiheit und die Versicherung der Pension betrifft, an dem Herzog von Bayern vorzueglich ist, so soll dieser von beiden Teilen um Bewilligung ersucht werden. Mit keinem Laut hatte Wolf Dietrich die Verlesung dieser inhaltsschweren Urkunde unterbrochen; als Graf Lodron geendigt, rief der Fuerst wehmutsvoll. "Und was wird aus meiner Gemahlin?" Kalt erwiderte Lodron: "Fuer Frau v. Altenau wird das Kapitel Sorge tragen, sofern die Urkunde ohne Weigern unterzeichnet ist." Wolf Dietrich kaempfte den letzten Kampf, ein Zittern lief durch seinen Koerper, er rang nach Atem und Entschluss. Still war es im Saale, die Kapitulare sassen wie zu Stein erstarrt. Perger hatte Thraenen in den Augen und fuehlte sich versucht, dem entthronten Gebieter einige Trostworte zuzufluestern, doch als er sich hierzu erheben wollte, schreckte ihn ein strenger Blick Lodrons zurueck. Aechzend erhob sich Wolf Dietrich und bat mit leisen Worten um Tinte und Feder. Das Schreibzeug lag auf dem langen Tisch bereit; Lodron deutete darauf und trat an des Erzbischofes Seite. Fluechtig las Wolf Dietrich die Einleitung der Urkunde, deren Text dem verlesenen Wortlaut voellig entsprach. Ein tiefer Seufzer--dann ergriff der Fuerst die Feder und schrieb seinen Namen darunter. Es war geschehen. Eine tiefe Bewegung erfasste die Versammlung. Ergriffen trat Wolf Dietrich zurueck und bat in erschuetternden Worten um Mitleid fuer Salome und die unschuldigen Kinder. Kuehl erwiderte Graf Lodron: "Es wird nach Moeglichkeit dafuer gesorgt werden!" Zu den Kapitularen gewendet rief der Graf: "Die Kommission hat zum Zeugnis die Urkund' mit zu unterfertigen." Schon wollte der Fuerst sich entfernen, da ersuchte ihn Lodron, einen Augenblick zu verweilen. "Was soll noch geschehen?" rief schmerzbewegt Wolf Dietrich aus. "Euer Gnaden wollen noch eine Vollmacht unterzeichnen, zur Vertretung Eurer Hochfuerstlichen Person am paepstlichen Hofe! Die Urkund' ad hoc liegt bereit! Ich bitte um Unterfertigung!" Wolf Dietrich unterschrieb nach fluechtiger Durchlesung auch dieses Schriftstueck und sprach dann kurz mit Perger, den er bat, sich um Salome zu sorgen Mit keinem Wort gedachte der Fuerst seiner selbst, seine Fuersorge galt nur Salome und den Kindern. Schluchzend gelobte Perger, nach Kraeften einzustehen und eine finanzielle Sicherstellung der Frau v. Altenau zu erwirken. Herleberg trat in den Saal und fragte: "Sind die Herren fertig?" Als Lodron bejahte, befahl der Burgkommandant die Verbringung des Gefangenen in den Kerker. Wolf Dietrich reichte Perger die Hand, die dieser unter Thraenen kuesste, nickte den Kommissaren zu und schritt aus dem Saal, begleitet von gleichmuetigen bayerischen Soldaten. Truebe Tage ohne Sonnenlicht folgten diesem 17. November. Der Gefangene harrte der ersehnten Befreiung; in duesteren, langen, qualvollen Stunden malte sich Wolf Dietrich aus, wie er, in Freiheit gesetzt, zu Salome und den Kindern eilen, ein neues Leben beginnen werde. Und auch Rachegedanken keimten auf in der verbitterten Brust; die Reichsstaende, der Kaiser sollen aufgerufen werden, auf dass die Gewaltthat gepoent werde an den falschen Kapitularen und am Bayern-Herzog. Am 22. November zu spaeter Abendstunde ward der Kerker geoeffnet, der Eisenmeister von Hohenwerfen verkuendete dem Erzbischof, dass dieser sogleich in verschlossener Kutsche und unter Bedeckung bayerischer Reiter die Reise nach Salzburg anzutreten habe. Wolf Dietrich zuckte zusammen; das Ziel Salzburg hatte er nicht erwartet, eher auf Verbringung ueber die Landesgrenze nach Kaernten gehofft. Doch willig liess sich der Fuerst bei Fackelschein den Steilberg hinabfuehren, und unten bestieg er die harrende Kutsche, in welcher ein bayerischer Offizier bereits sass. Die Nacht wurde durchgefahren. Frueh morgens gegen fuenf Uhr hielt der Wagen am Fusse des Nonnbergs, Wolf Dietrich musste aussteigen. Eine Anzahl bayerischer Fusssoldaten unter Kommando eines Leutnants nahm den Gefangenen in die Mitte und eskortierte ihn hinauf zur Veste Hohensalzburg. Wie das breite Thor hinter dem Fuersten geschlossen ward, aechzte Wolf Dietrich in einer bitteren Vorahnung. Gefangen in seinem Hauptschloss der Erzbischof von Salzburg, einer der ersten Reichsfuersten. Ohne Verzug unternahm das Domkapitel nach Internierung seines abgesetzten Oberherrn die noetigen Schritte, um sich vor Kaiser und Papst zu rechtfertigen. Deputationen des Kapitels reisten nach Rom und Prag, die besten Redner waren zu Sprechern auserwaehlt. Beim Kaiser hatte es Schwierigkeiten, denn Seine Majestaet verwies Graf Lodron und dem Kapitel ernstlich das Vorgehen gegen den Erzbischof. Durch kluges Benehmen und wohlbedachte Reden gelang es aber, den Kaiser umzustimmen, ja zu einem Schreiben an den Papst zu veranlagen, wonach der Kaiser bat, es moege Se. Heiligkeit die Sache auf sich beruhen lassen und dem Salzburger Domkapitel erlauben, zur Wahl eines neuen Erzbischofes zu schreiten. Weniger glatt wickelte sich die Angelegenheit bei Papst Paul V. ab, der bei aller Wertschaetzung des Herzogs Max und Hochhaltung seiner Verdienste um die katholische Kirche doch das direkte Missfallen ueber des Herzogs rasches Verfahren gegen Wolf Dietrich zum Ausdruck brachte. Dieser Tadel veranlasste den Herzog, durch seine Raete eine Anklageschrift gegen den gehassten Erzbischof aufsetzen zu lassen, in welcher alles Material, auch haltlose Verleumdungen, aus der langen Regierungszeit Wolf Dietrichs zusammen getragen wurde. Als Hauptverbrechen wurde das Verhaeltnis des Erzbischofs zu Salome Alt hingestellt und behauptet, Wolf Dietrich sei trotz des Zoelibatsgebotes mit Salome verheiratet gewesen. Ein ungeheures Suendenregister, auch die Behauptung vom Abfall von der katholischen Kirche, Verbindung mit der Union, beabsichtigtet Saekularisation des Erzstiftes, Konspiration mit Christian von Anhalt, dem Oberhaupt der protestantischen Union u.s.w. war enthalten, wanderte mit einer eigenen Gesandtschaft nach Rom, und der Herzog betrieb die Exkommunikation und oeffentliche Absetzung Wolf Dietrichs als Ketzer und Apostaten. Dem Papst war aber nicht darum zu thun, diese Angelegenheit, welche durch die bayerische Anklageschrift einen gehaessigen Charakter bekommen hatte, zur oeffentlichen Diskussion Europas zu stellen; Paul V. liess die Sache vielmehr von einer Kardinalskongregation in aller Stille untersuchen. Das Ergebnis lautete nach monatelanger Untersuchung: 1. Der Verdacht, Wolf Dietrich habe Ketzer beguenstigt, konnte nicht bewiesen werden; 2. die Resignation ist solange ungueltig, bis Wolf Dietrich den Verzicht vor einem paepstlichen Nuntius abgegeben habe. Der Herzog mochte vielleicht solch milde Auffassung in Rom befuerchtet haben, weswegen seine Gesandten Auftrag hatten, in diesem Falle rundweg zu erklaeren, dass der Herzog von Bayern die Verantwortung fuer alle daraus entspringenden Gefahren auf das Reich und die katholische Religion ablehne und von neuem das Aeusserste versuchen werde, um "diesen Mann" beiseite zu schaffen. Diese Erklaerung unter erneutem Hinweis fuer die Kardinaele, dass Wolf Dietrich Protestant werden wollte, sowie das Draengen des Kapitels verfehlte die beabsichtigte Wirkung nicht, die Stimmung im Vatikan schlug zu Ungunsten Wolf Dietrichs um. Der Papst delegierte den in Graz regierenden Nuntius, Anton Diaz, zur Abnahme der Resignation wie zur Erklaerung, dass Wolf Dietrich nun paepstlicher Gefangener sei. Der Winter wich zoegernd aus Salzburgs Bergen, der Vorfruehling setzte ein mit Sturm und Regen. Wolf Dietrich sass noch immer auf Hohensalzburg gefangen, abgeschlossen von der Aussenwelt, und genoss bei ertraeglicher Verpflegung nur die minimale Beguenstigung, an regenlosen Tagen einige Stunden lang im Burghofe sich ergehen zu duerfen. Im Maerz endlich traf der Nuntius Diaz in Salzburg ein und wurde nun ein Tag zur Abnahme der Resignation bestimmt. Als Ort hierzu wurde die Klosterkirche auf dem Nonnberg ausersehen und diese von Soldaten ringsum dicht besetzt. Unter militaerischer Eskorte kam Wolf Dietrich von der Veste herab in diese Kirche und wurde in die Sakristei gefuehrt, wo der Nuntius nebst drei Dienern harrte. Sofort wurde die Sakristei verriegelt. Einer der Diener musste die Stelle des Notars, die uebrigen Dienste als Zeuge leisten. Dem Erzbischof wurde die paepstliche Verzichturkunde vorgelesen und befohlen, zum Zeichen seiner Einwilligung die Hand auf die Brust zu legen. Wolf Dietrich protestierte gegen einige Stellen, die zu aendern der Nuntius gelobte. Nun in die von Soldaten gefuellte Kirche gebracht, wurde der Erzbischof nochmals aufgefordert, das Zeichen zur Resignation zu geben. Mit einem verzweiflungsvollen Blick uebersah Wolf Dietrich seine waffenstarrende Umgebung. Hilfe kann es nimmer geben, es ist alles verloren. So legte denn der Erzbischof die Rechte auf die Brust, die Resignation vor dem Nuntius war dadurch rechtskraeftig geworden. Eine militaerische Eskorte brachte den Entthronten wieder hinauf zur Veste. Nun lebte Wolf Dietrich der Hoffnung, dass der Papst ihn vielleicht zum Sommer freilassen werde. Allein der zum Nachfolger im Erzstift designierte Marcus Sitticus hetzte in Rom gegen Wolf Dietrich, den er einen hoechst gefaehrlichen Menschen nannte, und Herzog Max liess an den Vatikan berichten, dass Wolf Dietrich zweifellos im Falle einer Freilassung sofort die Union zur Hilfe ausrufen werde, wodurch die katholische Religion in die groesste Gefahr kommen muesste. Rom konnte sich solcher Einwirkung nicht verschliessen, der Befehl zur Freilassung kam nicht. Zehn Monate schon harrte und hoffte Wolf Dietrich in strengster Gefangenschaft, ohne Schreibzeug, ohne Lektuere; man hatte ihm nur die heilige Schrift und das Brevier gelassen. Von den bewachenden Soldaten fuehlte im Laufe der Zeit einer ein menschlich Ruehren, der Bayer empfand Mitleid fuer den gestuerzten Fuersten und zeigte sich fuer dessen Bitten um Schreibzeug zugaenglich. In einer Nacht brachte der bayerische Soldat das Gewuenschte, und im Morgengrauen schrieb Wolf Dietrich an den Papst in lateinischer Sprache eine Vorstellung, in welcher er die bisher erlittene schmaehliche Behandlung schilderte, die gegen ihn erhobenen Vorwuerfe und Verdaechtigungen zurueckwies und gegen den Nuntius Diaz bittere Klage erhob. Sein Verhaeltnis zu Salome gab er unumwunden zu. Er bat zum Schlusse um Abberufung des ihm gehaessigen Nuntius und um eine Untersuchung durch die Bischoefe von Seckau und Lavant. Dieses Schreiben verbarg Wolf Dietrich sorgsam des Tages ueber vor den Augen des inspizierenden Kerkermeisters. Als in der Nacht der bayerische Soldat wieder die Wache hatte, gab er diesem den Brief mit der Bitte um Befoerderung zur Post. Am naechsten Tage erbat der Soldat Erlaubnis zu einem Gang in die Stadt, die anfangs ohne Argwohn gegeben wurde. Der Mann lieferte das Schreiben Wolf Dietrichs zur Post und leistete sich hierauf mit dem vom Erzbischof erhaltenen Lohn eine Staerkung in der Trinkstube. Die Ausgabe eines groesseren Geldstueckes wie die Bestellung einer fuer einen Soldaten ueppigen Mahlzeit erweckten Verdacht, man schickte um die Ronde, und vor dem Offizier gestand der eingeschuechterte Soldat die Briefbefoerderung. Sofort wurde die Post militaerisch besetzt und das leicht herausgefundene Schreiben an den Papst konfisziert und an das Kapitel ausgeliefert. Die Folge dieser Entdeckung war eine Auswechslung der Wachen in der Veste und Androhung schwerster Strafen fuer den geringsten Verkehr mit dem Gefangenen. Im Juli 1612 wurde die bayerische Militaerbesatzung von Hohensalzburg abberufen, dafuer kam eine salzburgische Soeldnerwache auf die Veste. Als Gefangener des Papstes musste Wolf Dietrich nun dem Nuntius den Treueid schwoeren und geloben, dessen Befehle zu befolgen. Die Gefangenschaft wurde nun--verschaerft. Wiewohl doch in der Verzichturkunde ausdruecklich die Freilassung gewaehrleistet war, Wolf Dietrich blieb gefangen. Fruchtlos waren die Gesuche mehrerer deutscher Fuersten, die empoert ueber den Wortbruch und die schimpfliche Behandlung eines hohen Kirchenfuersten sich fuer den Ungluecklichen verwendeten. Selbst Kaiser Mathias schrieb an den Papst und legte Fuerbitte fuer Wolf Dietrich ein, ohne den geringsten Erfolg. Zum Erzbischof wurde Marcus Sitticus gewaehlt und der neue Kirchenfuerst wusste dem Papst begreiflich zu machen, dass es eine Schande fuer den apostolischen Stuhl sei, wenn Wolf Dietrich zu seinem frueheren suendhaften Leben zurueckkehren wuerde; auch wies der neue Herr auf die grossen Gefahren hin, welche durch eine Verbindung dieses unruhigen Kopfes mit den Ketzern fuer ganz Deutschland entstehen koennten. So ward denn in Rom beschlossen, die Angelegenheit in die Laenge zu ziehen, bis der ohnehin kraenkliche depossedierte Erzbischof vollends apathisch gemacht oder aufgerieben sei. Damit hatte es aber lange Zeit. Wolf Dietrich, der von Zeit zu Zeit Besuch von Kapitularen wie ja auch von seinem Leibarzt bekam, machte eines Tages geltend, dass er allerdings seine geistlichen Befugnisse und Wuerden an den Papst zurueckgegeben, nicht aber zugleich auf seine Stellung als deutscher Reichsfuerst verzichtet habe. Dies schreckte das Kapitel fuer die ersten Tage, dann blieb alles beim Alten. Drei Jahre vergingen in solcher schmaehlichen Gefangenschaft. Einen letzten Versuch machte 1615 die Raittenausche Familie in Rom, und nun befahl der Papst, es solle Wolf Dietrich freigelassen oder wenigstens die Pension bei einigen Augsburger Kaufleuten hinterlegt werden. Der neue Erzbischof fragte Herzog Max um Rat, dieser stellte die Gefaehrlichkeit einer Freilassung vor, und in diesem Sinne ward nach Rom geschrieben. Und der Papst wurde der Salzburger Sache endlich ueberdruessig und liess sie ruhen, wie sie eben lag. Trotz aller Vertraege und Versprechungen blieb Wolf Dietrich gefangen; man zuckte, wenn von solcher Treulosigkeit gesprochen wurde, die Achseln und suchte den Wortbruch mit politischen Ruecksichten zu rechtfertigen. Von allem Verkehr abgeschnitten, krank, verlor Wolf Dietrich mit den Jahren alle Energie, ein voellig gebrochener Mann begann er seine Gefangenschaft als sichtbare Strafe Gottes anzusehen. Er beschaeftigte sich mit Bibelstudien und widmete seine besondere Aufmerksamkeit den Paulinischen Briefen. Ein Schlagfluss laehmte seine ganze linke Seite, dazu kam Wassersucht und ein Steinleiden. Als am 16. Januar 1617 der Burgkommandant, sein ehemaliger Kriegsobrist Leonhard Ehrgott, in die Wohnung Wolf Dietrichs trat, fand er den Gefangenen entseelt auf dem Bette liegen. Es hatte ausgelitten Celsissimus! Fussnoten: [1] Eierspeise. [2] In Salzburg kamen die Gabeln erstmalig im Laufe des 16. Jahrhundert auf. Zillner, Kulturgeschichte 1871. [3] Aus den Mittheilungen der Gesellschaft fuer Salzburger Landeskunde XII, 1872. [4] Um die Mitte des 16. Jahrhunderts trat eine lebhafte Bewegung auf zur Spendung des Abendmahles unter zweierlei Gestalten. Hinrichtungen der Kelchforderer vermochten die kalixtinische Bewegung nicht voellig zu ersticken. Spaeter gestattete der Papst auf dringendes Betreiben Bayerns und des Kaisers einigen Dioezesen (auch Salzburg) den Empfang des Abendmahles unter zweierlei Gestalten in der Hoffnung, dass sich das (von lutherischen Praedikanten) aufgestachelte Volk wieder mehr der roemischen Kirche anschliessen werde. Die Bauern verlangten aber nun noch viel mehr und gaben ihren Forderungen durch Zusammenrottungen Nachdruck. Erzbischof Johann Jakob erliess ein strenges Mandat zur Bekaempfung des Aufruhrs ohne besonderen Erfolg; die Hoffnungen, welche man auf die Erlaubnis der Abendmahlspendung unter zweierlei Gestalten gesetzt hatte, bestaetigten sich nicht, es wurde 1571 die Erlaubnis wieder zurueckgezogen. Infolgedessen gaehrte es in den Landstaedten Salzburgs gewaltig. Man brachte die Widerspenstigen durch Belehrung oder Gewalt teilweise zum Schweigen, Hartnaeckige aber wurden unnachsichtig des Landes verwiesen. Trotzdem setzte sich die Reichung des Kelches, welche zweifellos von den Praedikanten beguenstigt wurde, noch bis zur Regierungszeit Wolf Dietrichs fort. (Vergl. Maher-Deisinger, "Wolf Dietrich von Raitenau" Muenchen 1886. Rieger.) [5] Damals gedieh Wein sogar auf der Suedseite des Festungsberges. [6] Unter Weihsteuern oder Herrenantrittsgeldern verstand man die Steuer, welche beim Regierungsantritt von den Grundholden zu entrichten war; sie betrugen 5 % der Gesamtsumme ihrer Abgaben. [7] Entlassene Landsknechte, die im Lande herumzogen, bis sie wieder angeworben werden. Sie "garteten", d.h. bettelten u.s.w., und wurden "Gartbrueder" genannt. [8] d.i. ein Urteil durch die Stimmenmehrheit. Vergl. A. Richter, die deutschen Landsknechte, und F.W. Barthold, Georg von Frundsberg. [9] Dass Wolf Dietrich im hoechstem Masse ein Wohltaeter der Armen gewesen, besagt folgende Stelle in P. Hauthalers vortrefflicher Bearbeitung der alten Steinhauserschen Chronik "Diser Erzbischoff kan und mag auch billich ein Vatter der Armen genent werden Ursach dessen, dass er nit allain den hausarmen Burgern und Inwohnern der Statt Salzburg, sondern auch den Armen im ganzen Erzstift dermassen so reiche Almusen taeglich spendirn und raichen hat lassen, als vorher nit bald bei einem Fuersten zu Salzburg beschechen, dann er alle Sambstag ain sehr grosse Anzahl armer Leit mit dem wochentlichen Genadengelt, etlichen ganze Taller, andern ganz Gulden, halb Gulden, zu sechs, fuenf oder vier Pazen raichen und nach Gestalt der Sachen und Erforderung der Noth hat lassen begaben. Ja, es seind auch die armen Leit von frembden und auslendigen Orten haufenweis zuegezogen, deren Kainen, so an ihne suppliciert und das Allmusen begert, er unbegabt hat lassen abziechen. In der vierzigtaegigen Fasten hat er den hausarmen Duerftigen zu Erkaufung der Fastenspeis insonderhaft ain grosse Summa Gelts wochentlich lassen spendiren, auch wann dieselber Armen und Andere, die das Genadengelt empfangen und genossen, umb die osterliche Zeit auf bestimbte Taeg nach Mitfasten nach gethaner Beicht communiciert, sein sie zum Mittentag alle zu Hof mit etlichen Speisen gespeiset, Jegklichem ein Hofroggen aufgelegt, mit Wein und Bier versechen und noch ainem Jedweden ain halber Gulden darzue geraicht worden. Disen halben Gulden mit sambt der Malzeit haben auch die armen Schueler so wol zu sant Peter als im Thuemb empfangen und genossen." [10] Das Original befindet sich im staedtischen Museum zu Salzburg. Der Herausgeber verdankt eine Kopie der Guete des Herrn Museumdirektors Kaiserl. Rat Dr. A. Petter. [11] Gerhab = Vormund [12] Gebetschnur (Rosenkranz). Eine ueberaus bezeichnende Aufforderung, dass der Gefangene seine Rechnung mit dem Himmel machen solle! [13] Keuche = Gefaengnisort. [14] So meldet der Chronist Steinhauser. [15] Die Hallfahrt, ein Salzmass hielt 225-3/4 Kufen und kostete damals 86 Gulden; eine Scheibfahrt hielt 231 Kufen und kostete 88 Gulden; eine Kufe hielt 130-148 Pfund. [16] Vergl. Mayer-Deisinger Spezialwerk "Wolf Dietrich", Muenchen 1886.--Roemermonate, die im frueheren deutschen Reich von den Staenden an den Kaiser zum Behuf der damals ueblichen Roemerzuege zu zahlende Abgabe, nach Aufhoeren der Roemerzuege in eine regelmaessige Abgabe zur Fuehrung von Reichskriegen &c. verwandelt. Ein Roemermonat war auf 128000 Gulden veranschlagt, betrug aber stets bedeutend weniger. [17] Brannte spaeter ab, wurde in veraenderter, heute noch erhaltener Form aufgebaut und vom Erzbischof Marc Sitticus, dem Nachfolger Wolf Dietrichs "Mirabella" genannt. [18] Fuer Bayern hatte dieser Salzstreit zur Folge, dass Maximilian durch einen braunschweigischen Mathematiker Heinrich Vollmar und seinen Hofbaumeister Simon Reiffenstuhl jene kuenstliche Wasserleitung anlegen liess, in welche die Reichenhaller Soole durch sieben Druckwerke von Reichenhall bis zur Stadt Traunheim gefuehrt wird. Diese Gegend war holzreicher und bot daher zum Versieden der Soole bessere Gelegenheit. Auch grosse Brunnenhaeuser wurden gebaut und eine Strasse an den Bergen hin durch die Felsen gesprengt. In den Jahren 1612-1616 wurde das Werk vollendet. Die Kosten desselben wurden zum Teil gedeckt durch die Kriegsentschaedigung von 150000 Gulden, welche Maximilian von Salzburg erhielt. Schwann, Geschichte von Bayern III. [19] Dieselbe ist heute Eigentum des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Eugen von Oesterreich, und laesst Seine Kaiserliche Hoheit die Burg vollstaendig und historisch getreu renovieren. [20] Einer ihrer Soehne, der im Jahre 1605 geborene Johann Georg Eberhard von Raittenau trat 1623 unter dem Klosternamen Egidius in den Benediktinerorden zu Kremsmuenster und zeichnete sich durch Froemmigkeit und Gelehrsamkeit, insonders in der Baukunst und mathematischen Wissenschaften aus. Als beruehmter Architekt starb er 1675. End of the Project Gutenberg EBook of Celsissimus, by Arthur Achleitner *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK CELSISSIMUS *** ***** This file should be named 13953.txt or 13953.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.net/1/3/9/5/13953/ Produced by PG Distributed Proofreaders Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. 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